Zur aktuellen Debatte um ein zeitweiliges Verbot der Präimplantationsdiagnostik

Zur aktuellen Debatte um ein zeitweiliges Verbot der PID nach Erklärung ihrer Straffreiheit durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs erklärt Petra Sitte, forschungspolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag:

Bioethische Themen, die an grundsätzlichen Auffassungen über Leben und Tod rühren, sind Gewissensentscheidungen. Insofern wird eine anstehende Verständigung in meiner Fraktion nicht zu einer gemeinsamen Positionierung führen können. Die aktuelle Debatte macht eines aber ganz klar: ohne ein Fortpflanzungsmedizingesetz werden wir den artikulierten vielfältigen persönlichen Nöten und medizinischen Möglichkeiten rund um das Thema Elternschaft nicht mehr gerecht. Rechtlich strittig ist beispielsweise die Frage, was mit den überzähligen Embryonen nach einer erfolgreichen künstlichen Befruchtung passiert oder auch die Eizellspende, die nach der Rechtsprechung des EuGH neu bewertet werden muss.

Persönlich halte ich die Sorge um unbeabsichtigte Folgen einer Zulassung der PID für berechtigt. Zunehmende Möglichkeiten für Gentests bei Erwachsenen oder auch Erwartungen unserer leistungsfixierten Gesellschaft könnten den Druck auf Paare erhöhen, die PID zu erwägen. Nach und nach, so die Befürchtung, könnten auch weniger schwere Diagnosen Berücksichtigung finden.

Niemand aber kann die Lebensrealität und Erfahrungen von Paaren mit schwer behinderten Kindern ausblenden. In erster Linie muss eine bessere konkrete Unterstützung für diese Familien gesichert werden. Dennoch können auch optimale Bedingungen die emotionalen, sozialen und familiären Grundkonflikte nicht auflösen. Man darf die Betroffenen in schwerster Entscheidung weder allein lassen noch darf man es völlig frei stellen, unter welchen Voraussetzungen PID- Anwendung denkbar sein könnte.

Ob und wie es möglich ist, das Selbstbestimmungsrecht der Eltern abzusichern und zugleich den Anwendungsbereich der PID strikt einzugrenzen, sollte insbesondere auf Basis von Erfahrungen anderer Länder diskutiert werden. Eine Listenlösung, die schwerwiegende Erkrankungen definiert, lehne ich von vorneherein ab. Diese Definition kann nur im Einzelfall erfolgen, ähnlich wie wir es beim Schwangerschaftsabbruch handhaben.

Daher scheinen mir für die komplexe Entscheidungslage Ethikkommissionen angemessener, die auf Grundlage aktueller Erkenntnisse über Therapiemöglichkeiten für eine Krankheit, der genetischen Vorbelastung des Paares sowie seiner persönlichen Situation über die Zulässigkeit einer PID entscheiden.

Ein Moratorium für die PID, wie es derzeit für zwei Jahre gefordert wird, ist problematisch. Es kommt einem PID-Verbot gleich. Daher müsste auch dieses diskutiert und im Bundestag beschlossen werden. Das Moratorium kann nach meiner Auffassung nicht ohne gesetzliche Grundlage realisiert werden. Und damit steht das Parlament mitten in der Debatte – wir brauchen diese also nicht zu verschieben. Schwerwiegend ist auch, dass durch ein Moratorium betroffene Eltern in ihren Rechten und Möglichkeiten beschränkt würden. Schlimmer noch, sie geraten in eine Verbotssituation bzw. Strafbarkeit der PID, die das Urteil des Bundesgerichtshofs mit seinem Urteil ja gerade erst aufgehoben hat.