An der vierten PISA-Studie nahmen in Deutschland knapp 5.000 Jugendliche an 226 Schulen aller Schulformen teil. Seit dem Jahr 2000 untersucht die OECD die Leistungen von Schülerinnen und Schülern im Alter von 15 Jahren. 2009 wurde der inhaltliche Schwerpunkt, wie schon im Jahr 2000, auf die Lesekompetenz gelegt.
Wenngleich im Verlaufe eines Jahrzehnts leichte Verbesserungen festzustellen sind, bleiben die grundlegenden Befunde wie gehabt: Nach wie vor hängen Bildungserfolg und soziale Herkunft eng zusammen. Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Haushalten haben in kaum einem anderen Industrieland so schlechte Bildungsmöglichkeiten wie in Deutschland. Immer noch erreicht ein knappes Fünftel (18,3%) der Schülerinnen und Schüler beim Lesen nur die Kompetenzstufe I oder weniger. Sie gelten als schwache Leserinnen und Leser. Das heißt, sie lesen mit 15 Jahren noch auf Grundschulniveau. Diese Schülerinnen und Schüler befinden sich überwiegend in der Hauptschule oder in der Förderschule. Sie haben es deutlich schwerer, einen Ausbildungsplatz zu finden.
Die Lesekompetenz wird in der Studie zu Recht als Basiskompetenz begriffen, von deren Qualität gesellschaftliche Teilhabe und persönliche Lebensplanung maßgeblich abhängen. Ihre Verbesserung ist also eine grundlegende Voraussetzung für bessere Bildungsbeteiligung.
Darum muss es unruhig stimmen, wenn nach wie vor soziale Herkunft, soziales Schulumfeld und Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler in einem engen und ursächlichen Zusammenhang stehen. Die soziale Gliederung der Gesellschaft spiegelt sich im Schulsystem wieder.
Eine zentrale Ursache für diese soziale Ungleichheit liegt im gegliederten Schulsystem, das die Zukunft der Kinder schon frühzeitig festlegt, indem sie sie in die vermeintlich passende Schulform einsortiert. Die Möglichkeit, den Bildungsgang zu wechseln, ist in der Regel nicht gegeben. Zudem stellt die Studie erneut fest, dass jede zehnte HauptschülerIn und ein Viertel aller RealschülerInnen keine schlechteren Leistungen im Bereich der Lesekompetenz aufweisen als ein entsprechender Anteil der Schülerinnen und Schüler am Gymnasium. Generell fehlt es nach Aussage der Studie im deutschen Schulsystem an erprobten Förderkonzepten. Ebenso unbefriedigend ist es jedoch, dass am unteren Ende der Leistungsskala zwar bescheidene Fortschritte erzielt werden konnten, aber der Anteil der Leistungsstarken nicht erhöht werden konnte. Die Ursachen dafür liegen unseres Erachtens im System Gymnasium und im Selbstverständnis dieser Schulform begründet.
Wer in den Ergebnissen einen Riesenerfolg zu sehen glaubt, betreibt Schönmalerei und verschließt sich einer ehrlichen Auseinandersetzung um Qualitätssicherung in unserem Bildungssystem.
Mit immer neuen Hilfsprogrammen wie dem Bildungsteilhabepaket oder immer neuen Programmen zur Leseförderung ist diesem Defizit auf Dauer nicht beizukommen. Außerdem ist es nicht hinnehmbar, dass nach einer ganzen Schülergeneration gerade einmal 4% der Schwächsten besser lesen können. Die Bundesregierung ruht sich derweil auf dem Verweis an die Länderkompetenz aus.
Wir meinen, dass eine durchgreifende Änderung nur zu erreichen ist, wenn endlich auf die Zuweisung zu unterschiedlichen Bildungsgängen verzichtet und alle Kinder und Jugendlichen in einer Gemeinschaftsschule individuell gefördert werden. Nur so kann soziale Ungleichheit zielgerichtet abgebaut werden. Wir brauchen den Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagsplätzen in Kindertagesstätten und dafür die Abschaffung des Kooperationsverbotes in der Bildung. Wir brauchen mehr gut ausgebildete Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen und Schule und die Verbesserung der fachlich-didaktischen Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern.