Darf ich selbst darüber bestimmen, wer sie zu welchen Zwecken speichern und verwenden darf? Und falls ja, gilt dieser Grundsatz auch im Internet? Oder muss ich es in der digitalen Welt in Kauf nehmen, dass meine Privatsphäre in bare Münze verwandelt wird? Weil sonst die Geschäftsmodelle der Diensteanbieter nicht mehr funktionieren würden?
Darüber gingen die Meinungen in der Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“ am gestrigen Montag zum Teil auseinander. Anlass der Debatte waren die ersten Arbeitsergebnisse der im Rahmen der Kommission eingerichteten Projektgruppe Datenschutz. Diese hatte sich in den vergangenen Monaten intensiv damit beschäftigt, wie ein zukunftsfähiger Datenschutz im Digitalzeitalter aussehen kann. Bedeutet die umfassende digitale Vernetzung das Ende des Datenschutzes? Oder muss der Gesetzgeber die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Betroffene diesen Anspruch zukünftig besser durchsetzen können? Konkrete Handlungsempfehlungen lagen in der Sitzung zwar noch nicht vor, doch schon die Diskussion über „Prinzipien, Ziele, Werte“ in Sachen Datenschutz bot genug Zündstoff für eine kontroverse Debatte.
DIE LINKE. setzte sich dafür ein, das Grundprinzip der Selbstbestimmung über die eigenen personenbezogenen Daten auch im Digitalzeitalter zu verwirklichen. Unterstützung bekam sie dabei oft von der SPD, manchmal auch von den Grünen. Genützt hat es nichts: Die zahlreichen Änderungs- und Ergänzungsanträge, die Halina Wawzyniak zum Textentwurf des Zwischenberichts eingebracht hatte, wurden durchweg mit den Stimmen der Koalition abgelehnt. Lediglich eine Formulierungsänderung der Sachverständigen Cornelia Tausch konnte gegen die meisten Vertreter der Regierungskoalition durchgesetzt werden. Diese Neuformulierung berücksichtigt nun auch Anliegen der Verbraucherinnen und Verbraucher bei Datenschutzfragen im Bereich des Targeting, also der Datenanalyse zum Zwecke zielgruppenbezogener Werbung.
Zaghafte Ansätze eines Umdenkens gab es auch bei einem Vorschlag der Sachverständigen Constanze Kurz, die sich für einen stärkeren Schutz der Daten von Kindern und Jugendlichen einsetzte. Der von Kurz zu diesem Thema vorgelegte Text soll nun noch einmal in der Projektgruppe diskutiert werden.
Aufweichen von Datenschutzregeln
Ansonsten lässt die nun mehrheitlich beschlossene „Bestandsaufnahme“ hitzige Debatten um die Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission in den nächsten Wochen erahnen. Beispielhaft sei hier die Gültigkeit des so genannten Zweckbindungsgrundsatzes erwähnt. Dieser besagt, dass vor der Erhebung von persönlichen Daten klar sein muss, wozu diese verwendet werden sollen. „Vor allem im nicht-öffentlichen Bereich stößt die Beibehaltung dieses Grundsatzes auf praktische Probleme“, heißt es aber nun im Zwischenbericht der Projektgruppe Datenschtz. „In einer vernetzen Welt ist der Datenaustausch oftmals durch Spontaneität und gerade nicht durch eine vorherige Festlegung des Verarbeitungszweckes bestimmt.“ Diese sperrige Formulierung lässt zumindest die Frage offen, ob im Internet zukünftig der Zweckbindungsgrundsatz – und damit die Klarheit über die Nutzung von persönlichen Daten – aufgeweicht werden soll.
„Regulierte Selbstregulierung“ ist kein tragfähiges Konzept
Auch in der Frage einer „regulierten Selbstregulierung“ für Datenschutzbelange bei Internetdiensten gab es kontroverse Diskussionen. Während die Koalition in der Enquete-Kommission dieses Prinzip der „regulierten Selbstregulierung“ stark machte, äußerte DIE LINKE Zweifel an der Wirksamkeit eines solchen Vorschlags. Den Schutz der persönlichen Daten von Bürgerinnen und Bürgern den Internetunternehmen selbst zu überlassen, ist ein fragwürdiges Konzept. DIE LINKE hat daher vorgeschlagen, Selbstregulierungsmechanismen nur in klaren Grenzen als Ergänzung zu einem starken gesetzlichen Datenschutz anzuwenden. Zudem müssen bei Verstößen im sicheren Umgang mit persönlichen Daten klare Sanktionen verhängt werden können. Sonst bleibt eine Selbstregulierung von Unternehmen ein zahnloser Tiger. Diese Meinung konnte sich leider in der Enquete-Sitzung nicht durchsetzen und wurde mehrheitlich abgelehnt.
Hitzige Debatte um Datenschutz in sozialen Netzwerken
Ebenfalls unvereinbar waren die Positionen im Hinblick auf den Umgang mit personenbezogenen Daten in sozialen Netzwerken. Hierbei handelt sich nach Meinung der Koalition um „das klassische Spannungsverhältnis zwischen Persönlichkeitsrechten und Meinungsfreiheit“. Nach Meinung von CDU/CSU und FDP dürfe man den Bürger nicht vor sich selbst schützen, wenn dieser freimütig persönliche Informationen über sich preisgibt. Dies solle der Gesetzgeber berücksichtigen, wenn er etwa über verpflichtende Opt-In Vorgaben vorschreiben wolle. Die Argumentation der Koalition läuft hier allerdings ins Leere. Denn schließlich geht es gar nicht darum, Nutzern die Freigabe ihrer Daten zu verbieten. Vielmehr sollen nach Meinung der LINKEN Anbieter verpflichtet werden, solche Daten nicht endlos zu speichern, weiterzuverkaufen oder gar mit heimlich erhobenen Daten über das Surfverhalten des einzelnen Nutzers zu verknüpfen. Letztlich hat sich die Koalition allerdings mit ihrer Mehrheit gegen die Bedenken von SPD, LINKEN und Grünen durchgesetzt.
Die Projektgruppe Datenschutz soll nun zügig Ergebnisse im Kapitel „Handlungsempfehlungen“ vorlegen, die zusammen mit jenen der Projektgruppen Urheberrecht, Medienkompetenz und Netzneutralität im Zwischenbericht der Kommission stehen werden.
Erneute Debatte um Öffentlichkeit der Arbeitssitzungen
Neben der Beratung der Ergebnisse aus der Projektgruppe Datenschutz ging es bei der gestrigen Sitzung der Enquete-Kommission auch um die Frage der Öffentlichkeit von Projektgruppensitzungen. Der erneute Vorstoß der Fraktion DIE LINKE, die Projektgruppen der Kommission in Zukunft öffentlich tagen zu lassen, fand in den Reihen der Koalition allerdings wieder einmal keine Unterstützung. Immerhin einigte man sich darauf, das Thema beim nächsten Treffen der Obleute der Fraktionen erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Zumindest SPD und Grüne sind offenbar bereit, wenigstens einen Teil der Projektgruppensitzungen zukünftig nicht mehr hinter verschlossenen Türen stattfinden zu lassen. DIE LINKE wird sich weiter mit Nachdruck für öffentliche Beratungen und gegen Hinterzimmerpolitik auch in der Enquete-Kommission einsetzen.
Die Erarbeitung des Zwischenberichtes bekommt mehr Zeit
Nach teilweise verfahrenen Debatten der letzten Wochen einigte sich die Enquetekommission, den Zwischenbericht erst am 27. Juni abzustimmen, um so etwas mehr Zeit für die notwendige qualitative Untersetzung der erarbeiteten Texte zu haben. Nicht zuletzt auf Nachfrage von Petra Sitte wurde auch von Seiten des Vorsitzenden betont, dass alle vier bisher tagenden Gruppen mit Handlungsempfehlungen im Zwischenbericht vertreten sein werden. Es bleibt also spannend.
Petra Sitte, Halina Wawzyniak