Vor 50 Jahren startete Juri Gagarin zum ersten bemannten Raumflug der Weltgeschichte. Er umrundete die Erde und landete sicher wieder auf sowjetischem Gebiet. Dieses Ereignis war in Ost und West wie kein zweites verbunden mit Stolz auf die technologischen Fähigkeiten der Menschen. Diese Fähigkeiten verknüpften viele mit ihren Hoffnungen auf eine fortschrittliche, eine bessere Welt. Träume von einer Besiedlung des Mondes oder des Mars, von Raumflugzeugen im Alltagsleben oder von der Entdeckung fremder Spezies auf anderen Planeten fehlten in kaum einer Zukunftsvision. Die technischen Leistungen waren auch Ausdruck der Systemauseinandersetzung. Immer wieder waren auch Unglücke zu verzeichnen, wie etwa der Absturz der „Challenger“ 1986. Die beiden Supermächte demonstrierten ihre Leistungsfähigkeit und investierten enorme Summen in die bemannte Raumfahrt. Das amerikanische Apollo-Programm verschlang zeitweise fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts der USA.
Nach dem Ende der großen Systemauseinandersetzung zwischen Ost und West trat nicht zuletzt aus Kostengründen eine Phase der Kooperation an die Stelle des Wettlaufs. Mit der internationalen Raumstation ISS, deren Aufbau 1998 begann, wurde ein gemeinsames Kapitel Raumfahrtgeschichte aufgeschlagen. Zugleich eroberte sich die unbemannte Raumfahrt immer neue Anwendungsfelder, die heute von Navigation, Telefonie, Fernseh- und Rundfunkübertragung bis zur Erd- und Umweltbeobachtung und zu militärischen und geheimdienstlichen Anwendungen reichen. US-Präsident Obama hat die Pläne seines Vorgängers George Bush zur bemannten Landung auf Mond und Mars ad acta gelegt. Die besonders teure bemannte Raumfahrt sollen kommerzielle Anbieter übernehmen.
Hierzulande ist Raumfahrt immer noch der größte Technologiefördertopf im Haushalt der Bundesregierung. Aber die Förderziele haben sich geändert. Es steht nicht mehr die Demonstration technologischer Leistungsfähigkeit im Vordergrund. Angesichts begrenzter Mittel steht die Frage, welche Anwendungen der Gesellschaft wirklich nützen. Und so diskutiert DIE LINKE, welchen Mehrwert ein europäisches Satellitennavigationssystem GALILEO bringt und zu welchen Kosten es aufgebaut werden kann. Wir wollen, dass GALILEO ein ziviles System wird und nicht militärischen Zwecken dient. Wir fragen nach, ob sich die Bundesregierung am Bau neuer Spionagesatelliten namens HIROS beteiligt. Wir haben uns auch für den Aufbau eines satellitengestützten Tsunamiwarnsystems in Indonesien eingesetzt, das mit deutschen Fördermitteln unterstützt wird. Das System wurde nach dem verheerenden Seebeben in der Region 2004 entwickelt und dessen deutsche Komponenten kürzlich an die indonesische Regierung übergeben.
Diese Zukunftsprojekte können unbemannt realisiert werden. Die Robotik und die Rechenleistung moderner Computer machen den Menschen an Bord überflüssig und die Zukunft der bemannten Raumfahrt wird kontrovers diskutiert. Es sind heute eher Schwellenländer wie China und Indien, die die bemannte Raumfahrt beleben, insbesondere mit Blick auf militärische Optionen. Dabei sind viele der Probleme, die der Systemwettlauf des Kalten Krieges im Weltaum mit sich gebracht hat, noch gar nicht überwunden. Etwa 10.000 größere Trümmerteile von Flugkörpern umkreisen die Erde und gefährden die Funktionsfähigkeit von Satelliten und Sonden.
Was von Juri Gagarin bleibt, ist die Erinnerung an einen kühnen Schritt der Menschheit in Unbekanntes. Den Mut zu solchen Schritten, in die unsere Gesellschaft ihre ganze Energie legt, brauchen wir heute dringlicher denn je – auch wenn das Unbekannte vielleicht eher in Lösungen bei der Bekämpfung des Klimawandels, der weltweiten Armut und des Umbaus unserer Energieversorgung liegt. Wissenschaft und Technologie können auch dazu ihren Beitrag leisten.
Von Petra Sitte, Forschungs- und technologiepolitische Sprecherin der Fraktion