Die gestrige Sitzung der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ hatte sich viel vorgenommen. Mehrere hundert Seiten Bericht aus den drei Projektgruppen zu Netzneutralität, Medienkompetenz und Urheberrecht sollten beraten werden. Einzelne inhaltliche Knackpunkte waren schon zu Beginn der Sitzung absehbar.
Die Sitzung begann aber gleich mit einem unvorhergesehenen Antrag der Koalition, die Beratung der Ergebnisse zur Projektgruppe Netzneutralität zu vertagen. Begründet wurde dieser Vorschlag damit, dass angeblich mehr als 20 Seiten neuer Texte erst vor der Sitzung der Enquete vorgelegt worden seien. Die Abgeordneten und Sachverständigen der Koalition sahen sich daher nicht in der Lage, die Texte vorher zu sichten und zu bewerten. In der Diskussion um die beantragte Verschiebung zeigte sich dann aber, dass tatsachlich nur etwa sieben Zeilen neu formuliert waren und selbst diese noch am Vormittag mit allen Fraktionen besprochen wurden.
Der tatsächliche Grund der Verschiebung scheint vielmehr ein anderer zu sein. In der Projektgruppensitzung Netzneutralität am Vormittag versuchte die Koalition einen Passus aus dem gemeinsamen Bericht zu streichen, der sich explizit gegen Internetsperren richtet. Die Mehrheit der Projektgruppenmitglieder folgte diesem anliegen allerdings nicht. In der späteren Sitzung der Gesamt-Enquête verfügte die Koalition ebenfalls über keine eigene Mehrheit in der Frage mehr, da ein von der CDU berufener Sachverständiger nicht anwesend war und ein weiterer FDP-Sachverständiger bereits vorab ankündigte, auf der Ablehnung von Internetsperren bestehen zu wollen. Vor diesem Hintergrund scheint die Verschiebung der Beratung zur Projektgruppe (PG) Netzneutralität vor allem ein taktisches Manöver zu sein. „Wenn die fehlende eigene Mehrheit wirklich der Grund für das Verschieben der angesetzten Beratung sein sollte, finde ich das mehr als peinlich und dem Bundestag sowie der Enquête-Kommission unwürdig.“ sagte die Obfrau der Fraktion DIE LINKE in der Internet-Enquête und netzpolitische Sprecherin der Fraktion, Halina Wawzyniak.
Medienkompetenz
Im weiteren Verlauf der Enquête-Sitzung wurden die Ergebnisse der Projektgruppe Medienkompetenz beraten und unterschiedliche Texte abgestimmt. Leider konnte sich die Fraktion DIE LINKE hier mit ihrer Forderung eines gesetzlich garantierten Anspruchs auf internetfähige Computer für Erwerbslose nicht durchsetzen. „Ein PC muss jedem Menschen in unserem Land zur Verfügung stehen um das demokratische und gesellschaftliche Potenzial des Internets nutzen zu können. Ein alleiniger Internetanschluss genügt nicht, wenn sich Erwerbslose und deren Familien keine aktuelle Hardware leisten können. Hier hätte die Kommission weitreichende sozialpolitische Impulse in die deutsche Netzpolitik geben können.“ kommentierte Petra Sitte, forschungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE und Mitglied der Enquête-Kommission, diese Entscheidung. Der Vorschlag der Fraktion wurde mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit abgelehnt.
Urheberrecht
Der Bericht der Projektgruppe Urheberrecht wurde weitgehend ohne die Änderungsanträge der Fraktion DIE LINKE beschlossen. So wurde zwar beispielsweise eine allgemeine Kritik an den Strukturen der Verwertungsgesellschaften (wie die GEMA) aufgenommen, eine ausführliche Darstellung, warum die Mehrzahl der Künstlerinnen und Künstler, Autorinnen und Autoren in diesen Gremien keinen ausreichenden Einfluss hat, wurde aber mehrheitlich abgelehnt. Die Handlungsempfehlungen zum Urheberrecht wurden am späten Abend nur teilweise abgestimmt, auch die Vorschläge der Fraktion DIE LINKE stehen erst kommende Woche zur Debatte. Bereits gestern konnte aber eine Mehrheit aus Opposition und einigen Sachverständigen gegen die Regierungsfraktionen durchsetzen, dass eine Förderung von Creative-Commons-Lizenzen empfohlen wird. Damit wird ein offener und freier Zugang zu Wissen für alle gestärkt.