TOP 25) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Adulte Stammzellforschung ausweiten, Forschung in der regenerativen Medizin voranbringen und Deutschlands Spitzenposition
ausbauen, Drs. 17/908 und 17/3618
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– Rede zu Protokoll –
Meine Damen und Herren,
die Debatte über die Forschung mit adulten Stammzellen kommt gerade recht zu den aktuellen Beratungen über den zukünftigen Umgang mit der Organspende in Deutschland. Der Gesundheitsausschuss führt dazu zwei umfangreiche Anhörungen durch, die erste zu technischen und organisatorischen Aspekten der Organspende fand gerade gestern statt. Während dort der Frage nachgegangen wird, wie Patienten besseren Zugang zu passenden Spenderorganen bekommen, geht es mit Hilfe adulter Stammzellforschung darum, den Erfolg von Transplantationen deutlich zu verbessern. Denn eine bestimmte Art adulter Stammzellen helfen nachgewiesenermaßen dabei, Abwehrreaktionen des Körpers gegen ein neues, fremdes Organ abzuschwächen. Diese mesenchymalen Stammzellen, die aus dem Knochenmark oder Nabenschnurblut von Neugeborenen gewonnen werden, können die sonst üblichen Medikamente ersetzen, die das Immunsystem unterdrücken, aber leider auch gefährliche Nebenwirkungen haben.
Von der Forschung an und mit adulten Stammzellen ist die Zukunft der regenerativen Medizin insgesamt abhängig. In der Erprobung sind Therapien für infarktgeschädigte Herzen, bei denen kardiale Stammzellen in das abgestorbene Herzmuskelgewebe injiziert werden oder für die Regeneration der Leber bei Leberfibrose, die ansonsten nur durch Transplantation überwunden werden kann. Große Fortschritte gibt es inzwischen auch beim Aufbau von zerstörtem Gewebe beispielsweise der Luftröhre und der Harnblase mit Hilfe des sogenannten Tissue Engineering. Dabei wird Gewebe außerhalb des menschlichen Körpers auf Basis von adulten Stammzellen aufgebaut, die Zellbildung anregen und eingeschränkt fähig zur Ausdifferenzierung in unterschiedliche Zelltypen sind.
In der Grundlagenforschung liegt der Schwerpunkt auf Verfahren, die adulte Stammzellen so reprogrammieren können, dass sie wie die umstrittenen embryonalen Stammzellen zu wirklich pluripotenten Zellen und damit zum Ausgangspunkt für unterschiedliche Zelltypen werden. Im Prinzip ist die Behandlung mit reprogrammierten adulten Stammzellen für alle Erkrankungen denkbar, bei denen es zur Degeneration bzw. zum Absterben von Zellen kommt. Dazu zählen Herzinfarkt, Parkinson, Diabetes, Knorpelregeneration oder Alzheimer.
Doch den anfänglichen Erfolgen in der Therapie stehen bislang vergleichsweise eingeschränkte Möglichkeiten zur Gewinnung von adulten Stammzellen, gegenüber. Abhilfe könnte hier eine öffentliche Nabelschnurblutbank leisten, die gegenüber der bereits bestehenden oft kleineren Nabelschnurblutbanken einheitliche Standards entwickelt in Bezug auf Charakterisierung der gewonnenen Produkte, Sicherung ihrer Qualität sowie Datenschutz der Spenderinnen und Spender. Solange Bestände der öffentlich geförderten Einrichtungen nicht gemeinsam erfasst werden und Gewinnung und Lagerung nicht systematisch untersucht und geprüft werden, werden der Forschung Steine in den Weg gelegt, die vermeidbar wären. Dieses Anliegen des vorliegenden Antrags findet unsere ausdrückliche Unterstützung. Ich will auch ergänzen, dass zur Frage des Datenschutzes, die in diesem Antrag von März 2010 noch vorsichtig als Prüfauftrag formuliert wird, inzwischen eine Reihe von Vorschlägen vorliegen, die unter dem Stichwort „Humanbiobanken für die Forschung“ erst jüngst in einer Anhörung des Forschungsausschusses diskutiert worden sind. Daran anzuknüpfen sollte der Bundesregierung daher leicht fallen.
Neben der Gewinnung der adulten Stammzellen braucht auch ihre Erforschung insgesamt eine breitere Förderung. lnsofern ist auch dieses Anliegen des vorliegenden Antrags richtig. Derzeit ist nämlich noch nicht abzusehen, ob und wann eine Stammzelltherapie für weitere der erwähnten Erkrankungen tatsächlich etabliert zur Verfügung stehen wird. Nur bei der Behandlung von Leukämien und Lymphdrüsenkrebs können wir derzeit von Standardtherapien sprechen, mit denen bspw. Blutkrebs überwunden werden kann. Demgegenüber wird das Potenzial adulter Stammzellen, sich auch in andere Gewebetypen zu entwickeln, noch als höchst widersprüchlich eingeschätzt. Wie aus dem Vierten Stammzellbericht der Bundesregierung vom Februar diese Jahres hervorgeht, haben sich bei einem Teil der erforschten alternativen Verfahren zur Gewinnung von pluripotenten Stammzellen noch keine Erfolge eingestellt. Für den gleichnamigen Förderschwerpunkt hat das BMBF für den Zeitraum von 2008 – 2013 15,5 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Anfang dieses Jahres haben zudem Forschungsergebnisse die Stammzell-Szene aufgeschreckt, nach denen reprogrammierte Zellen häufiger genetische Schädigung aufwiesen als die ursprünglichen Zellen.
Solche Rückschläge, die in der Wissenschaft normal sind, zeigen, dass verstärkte Bemühungen und Fördermittel zur Weiterentwicklung des Potenzials adulter Stammzellen nötig sind. Dabei sollte explizit auch die Erforschung von Risiken und Standards für die Patientensicherheit ins Auge gefasst werden, was nicht nur die zuletzt genannten Ergebnisse nahelegen. Aus der Therapieforschung ist bekannt, dass Stammzellen auch Krebs erzeugen können. Und es gibt anfängliche hoffnungsvolle Ansätze in den USA und in Deutschland, das Risiko zu umgehen.
Daher, Frau Schavan, bei der Forschung zur regenerativen Medizin und der adulten Stammzellforschung können Sie ruhig noch eine Schippe drauf packen!