Wir brauchen ein Urheberrecht für das 21. Jahrhundert – ein Recht für Urheber und Nutzer

TOP 40) Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Chancen der Digitalisierung erschließen – Urheberrecht umfassend modernisieren, Drucksache 17/6341

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-Rede zu Protokoll-

Sehr geehrte Damen und Herren,

verstehen Sie, warum eines der strengsten Urheberrechte der Welt in Deutschland dazu führt, dass Urheberinnen und Urheber hier im Durchschnitt noch schlechter verdienen als in Ländern mit weniger strengen Regeln? Können Sie mir darlegen, was Urheberinnen und Urheber davon haben, dass ihre Werke bis 70 Jahre nach ihrem Tod vor freier Nutzung geschützt sind? Ein Schutz übrigens, der für alle urheberrechtlich geschützten Werke vom großen Roman über kleinste Computerprogramme mit wenigen Zeilen Code hin zur Struktur von Datenbanken gilt. In der Regel profitieren noch nicht einmal die Urenkel der Urheberinnen und Urheber von diesem außergewöhnlichen Erbrecht. Die Rechte an den Werken haben nämlich meist Verlage und andere Verwerter den eigentlichen Urheberinnen und Urhebern abgekauft.

Hier zeigt sich, dass das geltende Urheberrecht heute viel mehr ein Verwerterrecht ist. Es gibt den Urheberinnen und Urhebern kaum Instrumente an die Hand, über ihre Rechte souverän zu verfügen und von ihrer Arbeit zu leben.

Deshalb fordern wir in unserem Antrag umfassende Änderungen im Urhebervertragsrecht. Urheberinnen und Urheber brauchen endlich wirksame Mittel, um für sich angemessene Vergütungen gegen die Medienindustrien durchzusetzen. Sie müssen auch wirksam davor geschützt werden, dass ihnen Rechte dauerhaft und unwiederbringlich abgeknöpft werden.

Aber das geltende Urheberrecht krankt nicht nur daran, dass es Urheberinnen und Urhebern nicht bietet, was es verspricht. Es ist gleichzeitig auch noch altersschwach. Als im 19. Jahrhundert die Tradition unseres heutigen Urheberrechts begann, betraf es wissenschaftliche, künstlerische und journalistische Texte. Für diese Druckwerke wurden bestimmte Exklusivrechte gewährt, um sie besser vermarkten zu können. Heute umfasst das Urheberrecht darüberhinaus Aufnahmen und Aufführungen von Musik, unzählige Aspekte der Filmproduktion, Computerprogramme, Design und vieles mehr. Die Verbreitung der betroffenen Werke geschieht nicht mehr nur über Papier, sondern über Tonträger, Kinos, Radio, Fernsehen und eben schon seit längerer Zeit auch digital.

So sehr dies im Einzelnen bei vergangenen Novellierungen bedacht wurde, eine umfassende Anpassung an die neue Zeit fand nicht statt. Vor allem aber dienten viele Anpassungen dazu, die Werknutzung im digitalen Zeitalter zu erschweren. Ein gekauftes Buch aus Papier darf ich problemlos weiterverkaufen. Ein E-Book, das ungefähr gleichviel kostet, kann ich bei bestimmten Anbietern nach einer begrenzten Anzahl von Lesevorgängen noch nicht einmal selbst weiter verwenden. Eine CD für den privaten Gebrauch zu kopieren ist in Ordnung, aber eine Musikdatei auf der Festplatte oder gar im Internet zu kopieren kann illegal sein. Das ist eine absurde Situation.

Vergessen wir nicht, dass Werknutzung gerade in einer digitalen Umgebung oft auch bedeutet, dass vorgefundenes Material kreativ bearbeitet und weiterverbreitet wird: Nutzer werden selbst zu Urhebern. Doch schon das Einbetten eines Youtube-Videos im eigenen Blog kann Fans von Künstlerinnen und Künstlern in urheberrechtliche Probleme stürzen. Erst recht werden kreative Techniken, wie das Zitieren, Remixen oder Samplen erschwert. Die Beschneidung solcher Nutzungsmöglichkeiten beschneidet also gleichzeitig das Produktionspotential der Urheberinnen und Urheber selbst.

Auch dies sind nur Beispiele dafür, warum es dringend nötig ist, hier zeitgemäße Regelungen für die Nutzung urheberrechtlich relevanter Werke zu finden.

Eine einfachere Verbreitung kreativer Werke führt übrigens nicht zwangsläufig zur Entwertung der dahinter steckenden Arbeit, wie gerade die Medienindustrie gerne behauptet. Doch während diese oder die großen Wissenschaftsverlage früher die Verbreitung von Kulturgütern erst ermöglichten, sind sie heute vielfach dabei, diese Verbreitung künstlich zu verknappen. Hier müssen wir dringend umsteuern.

Das gesellschaftliche Interesse an möglichst freier und intensiver Auseinandersetzung mit Text, Bild und Ton jeglicher Art und die Bedürfnisse der Kreativen nach ideeller wie finanzieller Anerkennung ihrer Leistungen lassen sich nur zusammenbringen, wenn wir mutig und ergebnisoffen auch neue Vertriebs- und Vergütungswege diskutieren und ausprobieren. Das Urheberrecht sollte diese neuen Wege unterstützen und nicht blockieren.