Digitale Medien kein exklusives Spielzeug gutsituierter Schichten

 

TOP 22 a) Bericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“: Zweiter Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ – Medienkompetenz. Drucksache 17/7286)
b) Bericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“: Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ (Drucksache 17/5625)

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

In der Projektgruppe Medienkompetenz haben wir es, anders als beispielsweise in der Gruppe Urheberrecht, tatsächlich über weite Teile geschafft, mit den Sachverständigen wirklich inhaltsorientiert und konsensual zu arbeiten. So sehe ich es zum Beispiel als großen Fortschritt an – es wurde schon erwähnt -, dass wir Jugendmedienschutz nunmehr von einem neuen Ausgangspunkt denken: weg vom vormundschaftlichen Verbotsdenken gegenüber Jugendlichen hin zu mehr Vertrauen auf die Fähigkeiten von Jugendlichen, Medien sinnvoll und selbstbewusst nutzen zu können.

(Beifall bei der LINKEN)

Praktisch heißt das dann auch, Altersfreigaben von Filmen oder Spielen für Jugendliche im Netz infrage zu stellen und daraus keine Glaubenskämpfe zu machen. – Herr Brüderle, wäre es vielleicht möglich, dass Sie mir nicht Ihren Rücken zuwenden? – Jetzt geht er sogar. Schade, gerade bei dieser Debatte.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Das haben Sie jetzt mit Ihrem blöden Hinweis erreicht!)

Bei altersgerechter und interaktiver Medienbildung wird zumeist zuerst an Kinder und Jugendliche gedacht. Nachholbedarf – das haben die Diskussionen in der Mediengruppe gezeigt – haben vor allem ältere Generationen. Gerade Erwachsene müssen sich permanent im Umgang mit digitalen Medien fortbilden.
Wie die CDU, insbesondere Herr Altmaier, dokumentiert, können dazu sehr schöne Erlebnisse erzählt werden. Herr Altmaier hat es wunderbar zelebriert, wie man sich das Netz bei der politischen Arbeit erobern kann. Ältere können also durchaus ihre Scheu vor immer neuen Geräten überwinden und sie interaktiv nutzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Allerdings gibt es viel zu wenig Forschung zur Medienbildung Erwachsener. Als Forschungspolitikerin begrüße ich daher ausdrücklich, dass die Internet-Enquete eine Stärkung der Wissenschaft in diesem Bereich einfordert.

Wir waren uns auch noch relativ einig, dass Medienbildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet werden muss, sie aber in Deutschland einen noch viel zu geringen Stellenwert einnimmt. In der sogenannten Bildungsrepublik sind wir meilenweit davon entfernt, Medienbildung strukturiert und dauerhaft in unseren Bildungseinrichtungen anzubieten.

Doch wie fast immer, wenn es um soziale Gerechtigkeit geht, hörte dann die fraktionsübergreifende Einigkeit auf.

Was meine ich damit? Umfassende Medienbildung kann nur funktionieren, wenn auch alle einen Medienzugang haben. Digitale Medien dürfen kein exklusives Spielzeug gut situierter Schichten bleiben. Deshalb muss auch für sozial Schlechtergestellte die Anschaffung und der Besitz von internetfähigen Endgeräten möglich werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage es noch einmal, auch wenn es die Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, SPD und FDP nicht so gerne hören und mir nicht zugestimmt haben: Ein paar Euro mehr beim Hartz-IV-Satz für den Internetanschluss nutzen nichts, wenn sich die Leute am Ende nicht einmal einen Computer leisten können.

(Beifall bei der LINKEN – Aydan Özoguz (SPD): Das haben wir nur aufgeschoben! Das wollen wir prüfen!)

Fazit: Internetfähige Hardware muss künftig zum Existenzminimum in unserer Gesellschaft gehören.

(Beifall bei der LINKEN)

Einig waren wir uns allerdings bei der Frage eines Notebooks für jede Schülerin und jeden Schüler. Wenn wir es unabhängig vom Geldbeutel der Eltern schaffen, diese Notebooks jeweils in den Schulranzen zu bekommen, wäre es eine richtig gute Sache. In vielen Ländern ist das längst der Fall.  Wie visionär ein solches Projekt ist, zeigt sich beispielsweise daran, dass die KMK das letzte Mal vor vier Jahren eine Erhebung zur IT-Ausstattung deutscher Schulen durchgeführt hat.

Natürlich dürfen Schülernotebooks nicht auf geschlossene Betriebssysteme oder auf bestimmte Programme eingeschränkt werden. Natürlich müssen Lerninhalte offen und flexibel gestaltet werden. Natürlich brauchen wir digitale Schulbücher. Warum sollen Kinder und Jugendliche kiloweise Papier durch die Gegend schleppen, wenn wir Lernmaterial digital anbieten können,

(Beifall bei der LINKEN)

Lernmaterial übrigens, das Lehrerinnen und Lehrer in der Unterrichtsvorbereitung kollaborativ, also gemeinsam erstellen und jederzeit aktualisieren können?

Das wäre natürlich aber auch nur möglich, wenn wir es endlich schaffen, das Urheberrecht an diesem Punkt anzupassen. Wir warten bis heute auf den Dritten Korb der Urheberrechtsnovelle. Deshalb muss Schluss sein mit der Verzögerung der Urheberrechtsnovelle. Die Änderungen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich müssen endlich erfolgen. Alles andere würde bedeuten, Wissenspotenziale des Internets fahrlässig auszubremsen.

Die Projektgruppe Medienkompetenz hat für die Onlineoffensive durchaus gute Vorschläge gemacht. Die Linke hat ihre Reformvorschläge für das Urheberrecht, wie beispielsweise die Bildungs- und Wissenschaftsschranke oder die Förderung von Open Access, längst in den Bundestag eingebracht. Hier wie dort darf die Regierung kopieren, kopieren, kopieren – und sie muss deswegen nicht einmal zurücktreten.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: Meine Güte!)

Ich bedanke mich.

 

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