TOP 31) Antrag der Abgeordneten Dr. Joachim Pfeiffer, Nadine Schön (St. Wendel), Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Martin
Lindner (Berlin), Claudia Bögel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Wachstumspotenziale der Digitalen Wirtschaft weiter ausschöpfen – Innovationsstandort Deutschland stärken, Drs. 17/9159
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Halina Wawzyniak hat vorhin zu Recht darauf hingewiesen, dass eine zu einseitige Fixierung auf die digitale Wirtschaft zu einem verkürzten Begriff von Innovation führt. Herr Rösler hat uns das heute Morgen deutlich gezeigt. Weder begreifen die Kollegen von Union und FDP das Internet als gesamtgesellschaftlichen Raum, noch fassen sie Innovation als Prozess auf, der dem Fortschritt der Gesellschaft dienen soll. Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Internets streifen sie lediglich als Thema im Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Die Zivilgesellschaft ist in diesen Prozess nicht eingebunden.
Das gleiche Spiel spielen Sie beim Urheberrecht. Ihnen ist erstaunlicherweise endlich aufgefallen, dass das Urheberrecht Anpassungen an die Digitalisierung braucht. Allein Repressionen gegen die als Raubkopierer kriminalisierten Bürgerinnen und Bürger sind nicht einmal mehr für Sie des Rätsels Lösung. Was machen Sie aber konkret? Konkret schießen Sie sich doch wieder nur auf den Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen ein. Alles andere, was schiefläuft, sollen nach Ihrem Willen ? das haben Sie heute Morgen bekräftigt ? die Inhalteanbieter durch neue Angebote korrigieren. Wirklich innovativ und dringend notwendig wäre es, für einen Erneuerungsprozess im Bereich des Urheberrechts auch die mit ins Boot zu holen, die das Urheberrecht unmittelbar betrifft,
(Beifall bei der LINKEN)
nämlich Künstlerinnen und Künstler, Journalistinnen und Journalisten und viele andere mehr, also die wirklichen Kreativen, denen die Rechte zumeist spottbillig abgeknöpft werden. Auch die Nutzerinnen und Nutzer sollten endlich eingebunden werden. Das wäre eine gesamtgesellschaftliche Debatte. Das wäre ein offener Innovationsansatz auf politischer Ebene.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie aber gehen an dieser Stelle überhaupt nicht innovativ vor. Ansonsten würden Sie beispielsweise nicht krampfhaft versuchen, ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage zu entwerfen. Sie schützen lieber alte Geschäftsmodelle, als Innovationen zu fördern.
(Beifall bei der LINKEN)
Wohin die Ausgrenzung der Zivilgesellschaft führt, haben wir gerade erst erlebt. Tausende Menschen haben auf den Straßen gegen Ihre ACTA-Geheimpolitik protestiert; das finde ich sehr spannend. Demzufolge können Sie sich nicht weiter abschotten.
Lassen Sie mich noch auf die im vorliegenden Antrag ebenfalls angesprochene Innovations-, Forschungs- und Technologieförderung in den Bereichen Internet und digitale Wirtschaft eingehen. Theseus ist nicht nur ein antiker Held, sondern auch der Name des im Februar abgeschlossenen Mammutprojekts des Forschungsministeriums. Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie es bisher lief. Es entstand damals aus dem verzweifelten Versuch, Google mit einer europäischen Suchmaschine zu begegnen und Konkurrenz zu machen. Dieses Ziel hat man dann sehr schnell aufgegeben.
Übrig blieb nun der Plan, das große und spannende Forschungsgebiet der semantischen Suche weiter auszubauen. Das musste nun aber irgendwie politisch verkauft werden; also sprach man, wie auch Sie heute Morgen, vom Internet der Dinge, vom Internet der Dienste. Große Worte! Bei der Abschlusspräsentation zeigte sich aber, dass THESEUS in der Eigenvermarktung nunmehr nur noch ein Projekt ist, das Dienstleistungen für den deutschen Mittelstand und die produzierende Industrie zur Verfügung stellen kann. Da war, wie gesagt, der antike Held Theseus deutlich erfolgreicher. Er hat nämlich gemeinsam mit der klugen Ariadne die Athener von der Tributlast des kretischen Königs Minos befreit.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich muss aber zur Ehrenrettung vieler beteiligter Forscherinnen und Forscher, aber auch der Unternehmen sagen, dassdabei durchaus mehr als die beworbene Rolle des kleinen Helferleins herauskam.
Ihre PR-Strategie zeigt aber noch etwas: Sie zeigt nämlich auch, wie Sie Innovation wirklich verstehen. Schauen wir noch einmal zurück: Am Anfang stand die Abwehr der Suchmaschine Google; am Ende haben Sie nur noch ein Projekt, das lediglich als Unterstützung dessen dient, was schon immer gut lief. Und so liest sich eben auch ein Großteil Ihres Antrags. In Ihrer Welt ist das Internet sozusagen der Logistikkanal der klassischen Wirtschaft, das darüber hinaus den Telekommunikationskonzernen Geld in die Kassen spült.
(Manuel Höferlin (FDP): Ach, das ist doch Quatsch! ? Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Nein! Hör auf!)
Erst an vorletzter Stelle ? das ist die vorletzte Forderung in Ihrem Antrag ? kommen Start-ups und junge Unternehmen als eine Ihrer Zielgruppen ins Spiel. Im Übrigen: Einzelne Bürgerinnen und Bürger fehlen in Ihrem Antrag ganz; auf dieses Potenzial wird nicht eingegangen.
(Manuel Höferlin (FDP): Sind junge Gründer keine einzelnen Bürger?)
Es gibt noch mehr als Start-up-Unternehmer. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Darüber haben wir lange genug in der Internet-Enquete gesprochen.
(Manuel Höferlin (FDP): Aber das sind doch einzelne Bürger!)
Doch gerade diese einzelnen Menschen ? lassen Sie mich das noch einmal betonen ? stellen ein besonderes Potenzial dar; dieses Potenzial sollte man auch bei der Digitalisierung berücksichtigen. Diese nutzen nämlich das Netz als gemeinsamen Ideenpool, der offen und chaotisch ? das mag oft so sein ?, aber auch ungeheuer schnell und flexibel ist. Dabei entstehen wunderbare Innovationen.
(Manuel Höferlin (FDP): Aber das müssen wir nicht alles staatlich regulieren! Dann ist die Innovation weg!)
Ich erinnere beispielsweise an wheelmap.org, den rollstuhlgerechten Stadtplan des Vereins Sozialhelden; ich erinnere an eine weltweite Onlinecommunity, die gemeinsam hängende Gemüsegärten für die Fenster von Großstadtwohnungen entwickelt hat und derzeit sozusagen über die ganze Welt verstreut miteinander kommuniziert. Oft folgen aus solchen in offenen Prozessen entstandenen Innovationen dann eben auch Produktentwicklungen, die wiederum die Wirtschaft stärken.
Würden Sie Innovation als offenen und gesamtgesellschaftlichen Prozess denken, käme das auch der digitalen Wirtschaft zugute, wahrscheinlich auch einer digitalen Wirtschaft, unter der nicht nur die üblichen Konzerne verstanden werden. Aber dafür ? das will ich abschließend sagen ? müssten Sie Menschen statt Fabriken Vorfahrt in Ihrer Politik einräumen.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN ? Manuel Höferlin (FDP): Gründer sind Menschen mit Grips und Gründergeist! Die wollen wir haben! Keine Staatsleute!)