TOP 19) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten der Fraktion der SPD: Biobanken als Instrument von Wissenschaft und Forschung ausbauen, Biobanken-Gesetz prüfen und Missbrauch genetischer Daten und Proben wirksam verhindern und
– zu dem Antrag der Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schutz von Patientinnen und Patienten bei der genetischen Forschung in einem Biobanken-Gesetz sicherstellen, Drucksachen 17/3868, 17/3790, 17/8873
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-Rede zu Protokoll-
Die Sensibilität der persönlichen Daten, die in Biobanken gesammelt werden, erfordert einen besonderen Schutz durch eine verbindliche gesetzliche Regelung. Das war der Tenor der Anhörung zu Biobanken, die wir im Ausschuss für Forschung und Technikfolgenabschätzung im Mai letzten Jahres durchgeführt haben.
In Biobanken werden Gewebe- Zell- und Blutproben gesammelt und stehen der krankheits- wie der patientenorientierten klinischen Forschung zur Verfügung. Im Verlauf von Forschungsprojekten werden diese Proben mit persönlichen Daten zur Krankheitsgeschichte oder Lebensweise der Probanden verknüpft. Ein prominentes Beispiel für eine vielschichtige Datensammlung in Deutschland ist die „Nationale Kohorte“, ein auf 20 Jahre angelegtes Forschungsprojekt eines großen Netzwerks aus Forschungseinrichtungen und Universitäten. Im Rahmen des Projekts wird eine Datenbank angelegt, die für immerhin 200.000 Menschen detaillierte Angaben über ihren gesundheitlichen Zustand, körperliche Aktivität, Rauchen, Ernährung und Beruf sammelt und Blutproben aufnimmt.
Während für die „Nationale Kohorte“, die als Prestigeobjekt der deutschen Forschung gilt, eigens ein Datenschutz- und Qualitätskonzept entwickelt worden ist, unterliegen bisher die an Uniklinika oder in gendiagnostischen Labors vorhandenen Probensammlungen keiner Qualitätskontrolle und keiner Regelung des Zugriffs auf die Daten. Das Vertrauen von Spenderinnen und Spendern, die der Forschung ihre persönlichsten Daten zur Verfügung stellen, kann dadurch leicht aufgebrochen werden.
Lediglich zwei der sechs Sachverständigen erklärten die momentane Praxis für zufriedenstellend. Darunter war ein Vertreter des Pharmaunternehmens Bayer Health Care, dessen Beruf es ist, eine solche Position zu vertreten und von dem nichts anderes zu erwarten war. Der stets wiederkehrende Verweis auf den hervorragenden allgemeinen Datenschutz in Deutschland, der von Gegnern einer Extra-Regelung für Biobanken angeführt wird, macht an den Landesgrenzen Halt. Dabei ist es bekannt, dass der wissenschaftliche Austausch der in Biobanken eingelagerten Zell- und Gewebeproben bereits weit über Europa hinaus erfolgt.
Die Mehrheit der Sachverständigen benannte wichtige Regelungslücken, die geschlossen werden müssen und unterstützte den Vorschlag des Deutschen Ethikrates für ein Biobanken-Gesetz. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur enttäuschend, sondern aus meiner Sicht auch unverantwortlich, dass die Koalitionsfraktionen keine Konsequenzen aus der Anhörung ziehen. Sie haben die beiden Anträge der Oppositionsfraktionen weggestimmt ohne eine einzige Aussage dazu, ob Sie die offenen Fragen bei dem Thema weiterverfolgen wollen bzw. eine eigene Initiative planen.
Aus der Anhörung und den Stellungnahmen vom Ethikrat und dem Büro für Technikfolgenabschätzung wissen wir, dass in Deutschland bis dato in der Regel hohe Sicherheitsstandards mit Blick auf Persönlichkeitsrechte in Biobanken vorherrschen. Allerdings haben die ebenfalls existierenden Ausnahmen das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) bereits 2007 in einem vom BMBF geförderten Gutachten dazu veranlasst, für eine gesetzliche Regelung zu plädieren. Thilo Weichert vom ULD hat bei der Anhörung bestätigt, dass die Sorge nach wie vor berechtigt ist und teilweise große Defizite hinsichtlich der Pseudonymisierung von Gewebeproben und Datensätzen in der Praxis bestehen.
Gesetzliche und damit verbindliche Regelungen für Humanbiobanken sind auch vor dem ethisch besonders heiklen Problem der nichteinwilligungsfähigen Probanden notwendig. Nach heutiger Praxis vieler Biobanken willigen Spender und Spenderinnen darin ein, zu welchen Zwecken oder für welchen Zeitraum ihre Daten verwendet werden dürfen. Doch auch Menschen, die aufgrund von Krankheit, Behinderung oder jungem Alter nicht über die Risiken der Abgabe von Proben aufgeklärt werden können, müssen die Chance haben, in Forschungs- und Therapieprojekte aufgenommen zu werden. Spätestens für diese Fälle muss der Staat seiner Fürsorgepflicht nachkommen und den Probandenschutz für alle verbindlich regeln.
Ich sehe nach wie vor viele triftige Gründe für ein Biobanken-Gesetz und fordere die Koalitionsfraktionen dazu auf, hier nicht untätig zu bleiben. Und ich bleibe dabei, dass wir eine nachholende gesetzliche Regelung genetischer Untersuchungen zu Forschungszwecken brauchen. Denn der Bereich der Forschung ist bei der Schaffung des Gendiagnostikgesetzes ausgespart worden!