TOP 25) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Gesundheitsforschung an den Bedarfen der Patientinnen und Patienten ausrichten – Rahmenprogramm Gesundheitsforschung der Bundesregierung überarbeiten, Drucksachen 17/5364 und 17/9143
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– Rede zu Protokoll –
Sehr geehrte Damen und Herren,
vor etwa einem Jahr haben wir hier im Plenum des Bundestages das neue Gesundheitsforschungsprogramm diskutiert. Alle Oppositionsfraktionen kritisierten dessen Kürze und Unkonkretheit.
Viele der bereits bestehenden Förderinstrumente und -programme werden in diesem kurzen Text anschaulich erklärt. Zudem definiert die Bundesregierung sechs Aktionsfelder, die auf die großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich reagieren. Diese Felder sind durchaus richtig benannt, es fehlt jedoch die eigentliche programmatische Aussage: wie will die Bundesregierung diese Herausforderungen konkret meistern?
Nun, mehr als ein Jahr nach Beschluss und Debatte des Programms, zeigen sich die großen Schwächen eines solchen „missionsorientierten Rahmenprogramms“.
Niemand, nicht mal wir „Profis“, können anhand der uns zugänglichen Informationen nachvollziehen, wie das Rahmenprogramm mit Leben gefüllt wird.
Wir kennen die enorme Zahl von etwa 1,2 Milliarden Euro, die für Gesundheitsforschung verausgabt werden sollen. Aber welche Schwerpunkte sie in Zukunft setzen wollen, wofür ein Großteil des Geld ausgegeben werden soll – diese wichtigen Prioritätensetzungen sind für uns Parlamentarier kaum nachvollziehbar, geschweige denn für Ottilie Normalbürgerin. Das neue Rahmenprogramm Gesundheitsforschung ist in Sachen Transparenz verglichen mit der Vorgängerin, der „Roadmap Gesundheitsforschung“ und verglichen mit den diesbezüglichen Debatten von 2007 ein großer Schritt zurück.
Die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ hat einmal versucht, am Beispiel der Tuberkuloseforschung festzustellen, wie intensiv sich Deutschland an der Lösung großer internationaler Probleme der Gesundheitsversorgung beteiligt. Die Kolleginnen und Kollegen mussten aufwändige Expertengespräche mit diversen Beteiligten aus Ministerien, Forschungsorganisationen und Hochschulen führen, um einen auch nur halbwegs aussagekräftigen Überblick über die Tuberkuloseforschung zu bekommen. Und selbst dieser, so die Selbsteinschätzung, sei noch mit Unwägbarkeiten verbunden. Transparenz, liebe Kolleginnen und Kollegen, sieht anders aus.
Seitens des Forschungsministeriums wird stets darauf verwiesen, dass man sich ja auf ihrer Seite die Informationen holen könne. Nun ja. Auch das ist ein wenig mühevoll, denn so gut ist die Suchfunktion der ministeriellen Seiten nicht. Wie auch immer, mit zielstrebiger Suche kann man sich über Manches im Nachhinein informieren.
So habe ich nach den geförderten Projekte in der Präventionsforschung gesucht. Immerhin lassen sich die vergleichsweise lächerlichen Gesamtsummen von etwa vier bis sechs Millionen Euro jährlich in diesem Bereich rekonstruieren. Aber nicht genug, dass diese extrem niedrig angesetzt sind, enden diese Förderungen alle im ersten Halbjahr 2012. Was das Ministerium zukünftig in diesem Bereich fördern will, darüber haben wir keine Informationen erlangen können.
In der Versorgungsforschung, die immerhin als so genannter Schwerpunkt gilt, sieht es etwas besser aus. Hier lassen sich Informationen über die bis 2014 geltenden Förderausschreibung abrufen. Volle 10 Millionen Euro stehen für dafür zur Verfügung. Das sind etwa zwei Tausendstel der Gesamtförderung für die Gesundheitsforschung – beileibe nicht das, was einen Schwerpunkt bzw. ein „Aktionsfeld“ ausmachen sollte.
An diesen Zahlen zeigt sich: Erst durch eine offene und transparente Debatte über Prioritäten und Posterioritäten, also nachgelagerte Schwerpunkte, über konkrete Fördervorhaben kann das blumige Rahmenprogramm Gesundheitsforschung mit Inhalt füllen.
Gerade aus dem Pharma- und Biotechbereich sowie die Medizintechnik, in denen die Mammutausgaben der Forschungsförderung erfolgen, haben wir weder über Projekte noch über Adressaten zufriedenstellende Informationen. Es ist geradezu symptomatisch, dass vor einem Jahr Abgeordnete der Regierungsfraktionen auf Nachfrage keine konkreten neuen Fördervorhaben in der Gesundheitsforschung, geschweige denn Zahlen dazu nennen konnten.
Ministerin Schavan argumentierte in der damaligen Debatte, niemand könne angesichts schnelllebiger wissenschaftlicher Entwicklung die Förderbedarfe voraussehen.
Dem muss ich entgegen halten, dass zumindest ein Zeitraum der kommenden fünf Jahre nicht unüberschaubar ist. Zudem haben auch Förderausschreibungen lange Vorläufe im Ministerium und decken in der Förderperiode mehrjährige Zeiträume ab. Eine offene Darstellung der Förderplanung sollte in solchen Zeiträumen in jedem Fall möglich sein.
Es erscheint eher so, als dass sich das Forschungsministerium hier Handlungsfreiheit und eine gewisse Abschottung gegenüber lästigen Nachfragen aus Parlament und Zivilgesellschaft schaffen möchte. Fakt ist: Der Forschungsbereich ist in Bezug auf die Finanzen eines der intransparentesten Politikfelder!
Wir leben jedoch in Zeiten offener Daten – diese müssen auch in der Forschungsförderung Einzug halten. Es darf nicht sein, dass immer mehr Fördergelder mit immer weniger Transparenz einhergehen.
Unser ehemaliger Kollege Wolfgang Wodarg fordert heute in der taz pointiert ein Register für Forschungsausgaben. Auch meine Fraktion hat eine solche Plattform und eine Offenlegung des ministeriellen Informationsstandes immer wieder angemahnt. Dabei geht es insbesondere um die Verknüpfung der quasi unüberschaubaren Fördervielfalt in Projekten, außeruniversitären Instituten und bei Drittmittelförderern wie der DFG.
Innovationsprozesse dürfen zukünftig nicht mehr ohne die Zivilgesellschaft, ohne betroffene Patientinnen und Patienten, ohne gesundheitsökonomische Expertise und Akteure aus Versorgung und Forschung vorbestimmt werden. Dies gilt sowohl für den privaten wie den öffentlichen Bereich. Wenn darüber hinaus mit Steuermitteln gefördert wird, muss das Gemeinwohlinteresse in besonderer Weise im Vordergrund stehen. Diesem Ansatz wird die Bundesregierung mit ihrer Förderpolitik nur unzureichend gerecht.