„Das geistige Eigentum ist etwas, das abzuwägen ist mit der Kategorie ‚Öffentlichkeit‘.“ Alexander Kluge
Liebe Drehbuchautorinnen und -autoren,
Ihren offenen Brief haben sie auch an DIE LINKE adressiert.
Das hat uns zunächst erfreut, zeigt es doch, dass Sie unsere Positionen zur Modernisierung des Urheberrechts zur Kenntnis genommen haben. Allerdings waren wir über einige der in Ihrem Schreiben geäußerten Bewertungen auch verwundert.
Unsere Fraktion hat ihre Positionen bereits seit langem im intensiven Austausch mit Urheberinnen und Urhebern erarbeitet. Unsere Vorschläge rund um eine progressive Urheberrechtsreform wurden in den vergangenen Monaten intensiv debattiert. Unsere Grundsätze für eine solche Reform haben wir zur Diskussion gestellt:
„Das geltende Urheberrecht stößt im Zeitalter der Digitalisierung an Grenzen. Den grundsätzlichen Anspruch, Kreativschaffende zu schützen und ihre Vergütung zu sichern, kann es immer weniger einlösen. Zudem wird es den veränderten technischen Gegebenheiten und Akteurskonstellationen einer digitalisierten Gesellschaft nicht mehr gerecht. Ein modernes Urheberrecht sollte sowohl die Urheberinnen und Urheber in ihren Ansprüchen gegenüber den Verwertern stärken als auch den Zugang zu Wissen und Information so regeln, dass dies zum größtmöglichen gesellschaftlichen Vorteil gereicht. Es ist deshalb umfassend reformbedürftig und muss zeitgemäß zwischen Urheber-, Nutzer- und Verwerterinteressen vermitteln. Urheberinnen und Urheber sowie Nutzerinnen und Nutzer sollten dabei soweit wie möglich in die Lage versetzt werden, ihre Interessen und Bedürfnisse eigenverantwortlich wahrzunehmen und miteinander Nutzungs- und Kommunikationsformen für kreative Werke auszuhandeln.
Es braucht einen solidarischen Gesellschaftsvertrag für die digitale Welt.“
Diese Sätze leiten unseren Antrag im Bundestag (Drucksache 17/6341) zur Urheberrechtsreform ein. In diesem haben wir bereits auf tragfähige, rechtliche Lösungen für eine bessere Stellung von Urheberinnen und Urhebern hingewiesen, die Sie durchaus selbst in Ihrem Schreiben ansprechen. Weiter wurden Vorschläge zur Verbesserung des Urhebervertragsrechtes und der Durchsetzung der Interessen von Urheberinnen und Urhebern unterbreitet. Das alles ist übrigens in enger Zusammenarbeit und gemeinsam von Kultur-, Netz-, Bildungs-, Wissenschafts- und Rechtspolitkerinnen geschehen.
Auf einem öffentlichen Fachgespräch am 10. Oktober 2011 haben wir diese Positionen breit debattiert. Dazu haben – durchaus auch kritisch – Urheberinnen und Urheber in den Panels sowie im Publikum beigetragen – unter anderem ein Kollege von Ihnen vom Verband der Drehbuchautoren. Das Fachgespräch können Sie hier komplett nachhören: http://linksfraktion.de/nachrichten/urheberrecht-neu-denken/
DIE LINKE arbeitet weiter daran, die parlamentarische Debatte im Sinne gerade auch der vielen Kreativen voran zu treiben. Im Moment sind wir in der Abstimmung für einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Urhebervertragsrechtes, der eine Besserstellung von Urheberinnen und Urhebern zum Ziel hat. Sie werden in diesem Gesetzentwurf sicher einige Ihrer Forderungen wiederfinden. Wir geben Ihnen diesen gern vor der Verabschiedung zur Kenntnis.
Am 7. Mai 2012 veranstalten wir eine umfassende Konferenz zu neuen Vergütungsmodellen. Auch hier wieder mit Beteiligung von Urheberinnen und Urhebern, die zusammen mit den Modell-Entwicklern, mit Juristen, Politikern und Vertretern der sogenannten „Nutzerinnen und Nutzer“ (gehören wir nicht alle dazu?) über die Realisierungschancen bestimmter neuer Formen der Vergütung für Kreative diskutieren. Sie alle sind herzlich eingeladen.
Darüber hinaus würden wir uns sehr freuen, mit Ihnen auch ins direkte Gespräch zu kommen, um wirklich konstruktiv und ohne Pauschalurteile über unsere und Ihre Positionen zu sprechen.
Erlauben Sie uns an dieser Stelle deshalb aber auch, darauf hinzuweisen, dass wir an bestimmten Stellen durchaus unterschiedliche Sichtweisen haben. Auch über diese würden wir gern mit Ihnen ins Gespräch kommen.
Sie wollen, dass wir uns von Lebenslügen verabschieden. Allerdings haben wir uns die von Ihnen genannten nie zu eigen gemacht.
So behaupten wir nicht, dass es heute keinen freien Zugang zu Kunst und Kultur mehr gibt. Worauf wir immer wieder hinweisen, ist erstens: Dieser Zugang wird im Internet künstlich erschwert durch beispielsweise die Beschränkung des Privatkopierechts im digitalen Raum oder verbraucherunfreundliche AGBs, Digital Rights Management (DRM) und Lizenzverträge, die online den Kauf von Filmen oder Musik zunehmend ersetzen. Und anstatt die Möglichkeiten des Internets zu nutzen, gestehen diese den Nutzerinnen und Nutzern weniger Recht zu als in der alten analogen Welt. Hier gibt es tatsächlich Entwicklungen, die befürchten lassen, dass Menschen von diesem Zugang zu Kunst und Kultur ausgeschlossen werden.
Zweitens weisen wir darauf hin, dass es in der Kopiermaschine Internet immer schwieriger wird, Zugang zu immateriellen Gütern über einen Markt von Werkstücken wie Büchern, DVDs oder CDs zu regeln und wir deshalb über neue Vertriebswege, Refinanzierungs- und Vergütungsformen nachdenken müssen. Gerade, weil wir nicht wollen, dass Kreative noch ärmer dran sind als vielfach jetzt schon.
Wir betreiben die von Ihnen unterstellte Demagogie von „frei ist gleich kostenlos“ gerade nicht. In unseren Positionen zum Urheberrecht und zur Netzpolitik haben wir immer deutlich gemacht, dass wir die Interessen der Urheberinnen und Urheber berücksichtigen, aber gleichermaßen auch die der Nutzerinnen und Nutzer. Wir glauben vielmehr, dass die Gleichsetzung von kostenlos und frei gerade durch die großen Konzerne der Medienbranche bewusst unterstellt wird, um alte Geschäftsmodelle zu bewahren. Wir wehren uns nur dagegen, dass im digitalen Raum vor allem verhindert und nicht ermöglicht werden soll.
Da Sie als „Tatort“-Autoren an uns herangetreten sind, nur ein Beispiel dazu: Der „Tatort“ muss heute bereits nicht wie ein Musikalbum, Kinofilm oder Roman auf dem freien Markt refinanziert werden. Für „Tatort“-Folgen, also das Endprodukt, gibt es folglich keinen Markt. Die Konkurrenz findet vielmehr bereits im Vorfeld statt, wenn Sie sich um den entsprechenden Zuschlag bemühen. Diese Konkurrenz, die sicher angesichts der ökonomischen Übermacht der Sender zermürbend sein kann, hat jedoch nichts mit der Digitalisierung zu tun. Hier geht es um faire Bedingungen im Vertragsrecht, die wir genau wie Sie einfordern.
Sie als Autorinnen und Autoren werden aus einem 11-Milliarden Euro umfassenden Gebührentopf bezahlt, der heute von allen Nutzerinnen und Nutzern, ab 2013 von allen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes finanziert wird. Sie leben mit Ihrer Arbeit für den Tatort längst von einer Art Kulturflatrate und sind also ein gutes Beispiel dafür, dass es bei der Vergütung Alternativen gibt.
Umso ärgerlicher ist es, dass Tatort-Folgen, die die Bürgerinnen und Bürger über die Rundfunkgebühr bereits finanziert haben, weitestgehend von eben diesen Finanziers nicht genutzt werden können, weil die Filme nach Ausstrahlung und einer Woche in der Mediathek in den Archiven der ARD eingeschlossen werden müssen. Wir fragen uns, ob Sie als mitwirkende Künstlerinnen und Künstler an diesen Werken nicht auch ein Interesse haben, dass diese Werke gesehen werden können? Ist die Verknappung kreativer Güter durch eine rückwärtsgewandte Rechts- und Eigentumsordnung einer Wissens- und Kulturgesellschaft im 21. Jahrhundert angemessen?
Sie selbst sagen in Ihrem Brief, dass es sich bei der Forderung um Schutzfristverkürzungen um Symbolpolitik handeln würde, weil – so Ihre Argumentation – es den Usern gar nicht helfen würde. Richtig ist: es hilft denjenigen nicht, die jetzt und sofort alles sehen, hören, lesen wollen. Diesen Nutzerinnen und Nutzern wäre mit der Umgestaltung der etablierten Verwertungskaskaden der Kulturindustrie zugunsten neuer digitaler Vertriebswege und Refinanzierungsmöglichkeiten eher geholfen. Genau darum geht es jedoch bei der Schutzfristverkürzung nicht.
Zunächst ist die Forderung nach Verkürzung eine Reaktion auf die regelmäßige Verlängerung der Schutzfristen in den vergangenen hundert Jahren. Diese Verlängerungen helfen den allerwenigsten Urheberinnen und Urhebern, da die allermeisten Werke nur wenige Jahre verwertet werden. Sie hindern aber die gesamte Gesellschaft an der Nutzung von Kulturgut. Das Urheberrecht geht schon immer davon aus, dass die Schutzfrist irgendwann endet, weil es eben ein Interesse der Allgemeinheit an der freien Werknutzung gibt. Die Schutzfristverlängerungen der vergangenen hundert Jahre haben dazu geführt, dass wir viele Werke aus dem 20. Jahrhundert zur Zeit nicht nutzen können. Sie sind zu alt, um über den Markt erhältlich zu sein und zu jung für die Allgemeinheit. Hier klafft eine eklatante Lücke im kulturellen Gedächtnis, die wir angesichts der immensen Möglichkeiten etwa von Digitalen Bibliotheken schließen könnten und sollten.
Wir als LINKE wollen Schutzfristen, die dem Auskommen der Urheberinnen und Urheber dienen. Dies könnte übrigens auch durch einen Vergütungszwang geregelt sein. Nicht der Verlag oder das Label oder die Sendeanstalt würde bestimmen, wann ein Werk genutzt werden kann. Jede und jeder darf nutzen, wenn dafür angemessen bezahlt wird. Dies ist grundsätzlich auch bei Beachtung der Urheberpersönlichkeitsrechte möglich, sodass gegen entstellende Werknutzung auch in diesem Modell vorgegangen werden könnte. Eine Schutzfrist nach dem Tode ist nichts anderes als eine spezielle Form des Erbrechts. Hier steht die LINKE seit jeher auf dem Standpunkt, dieses möglichst klein zu halten und die Gemeinschaft gerecht an den Vermögen zu beteiligen. Denn diese Vermögen wurden immer unter Nutzung bestimmter gesellschaftlicher Voraussetzungen und Grundlagen geschaffen, die erhalten und vermehrt werden müssen. Dies gilt eben auch für Kulturgüter, die wieder zur Inspiration für Neues werden. Kaum ein Film, der nicht zitiert, interpretiert und mixt. Auch hierzu finden Sie Vorschläge der LINKEN im oben genannten Antrag und auch insoweit würden wir gern mit Ihnen in ein Gespräch kommen.
Wir erkennen an, dass Verwerter Teil eines kreativen Prozesses und Unterstützer von Künstlerinnen und Künstlern sein können. Gleichzeitig lässt sich ein Strukturwandel in diesem Bereich durch die Digitalisierung feststellen. Er sollte politisch gestaltet und nicht verhindert werden. Die Verwerter müssen ihre Dienstleistungsfunktion für Kreative und Nutzerschaft neu definieren anstatt ihre Geschäftsmodelle auf einer möglichst profitablen Verwertung von möglichst kostengünstig erworbenen Exklusivrechten an kreativen Werken aufzubauen.
Verwertungsgesellschaften hingegen werden wir in fast allen Modellen künftiger Vergütung mindestens so sehr benötigen wie bisher. Wir fordern deshalb gerade nicht deren Abschaffung. Wohl aber weisen wir auf Missstände in den Strukturen hin und setzen uns ein für deren Demokratisierung und transparente Organisationsformen. Auch hier haben wir im direkten Gespräch, konkret mit der GEMA, bereits unsere Positionen ausgetauscht.
Genauso laden wir Sie herzlich ein zum Austausch. Sowohl auf unseren Veranstaltungen zum Urheberrecht als auch im direkten Gespräch.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Luc Jochimsen (kulturpolitische Sprecherin),
Dr. Petra Sitte (Mitglied der EIdG)
Halina Wawzyniak (netzpolitische Sprecherin, Mitglied der EIdG)