Wir haben in den vergangenen Monaten drei verschiedene Kleine Anfragen an die Bundesregierung gestellt, (1, 2, 3) in denen wir wissen wollten, wie das Leistungsschutzrecht für Presseverlage zustande kam und wie es in der Praxis funktionieren soll. Die Bundesregierung hatte entweder keine Ahnung, was sie mit dem Leistungsschutzrecht anrichten wird oder kein Interesse an den Folgen. Sie gab recht klar zu erkennen, dass es Unmengen Rechtsunsicherheiten geben wird, die dann die Gerichte klären sollen.
Damit wird zwar die Verbreitung journalistischer Informationen für Journalisten, Verlage, Suchmaschinen, Aggregatoren bis zum Ende all dieser Gerichtsverfahren äußerst schwierig und im Zweifel ein Fest für Abmahnanwälte, aber was kümmert’s die Regierung? Dass sich kleine Verlage und innovative Start-Ups im Suchmaschinen- und Aggregatoren-Bereich sich die Rechtsabteilungen gar nicht leisten können und deshalb durch das Leistungsschutzrecht benachteiligt werden, ist der Bundesregierung offensichtlich egal, wie sie uns vergangenen Freitag mitteilte (siehe zum Beispiel die Antwort auf Frage 25 hier).
Die verfassungsrechtlichen Bedenken von Urheberrechtlern aber auch dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Siegfried Kauder von CDU, werden einfach ignoriert. Und mit Stand heute soll das Leistungsschutzrecht noch diese Woche trotz aller Unsicherheiten, Bedenken und Widersprüche am Freitag endgültig abgestimmt werden.
Heute sollten im Unterausschuss neue Medien technische Fragen rund ums Leistungsschutzrecht geklärt werden. Viel Zeit wurde dabei auf die robots.txt verwandt. Mein Eindruck: Hier gibt es einigen konkreten Verbesserungsbedarf aber auch Verbesserungsmöglichkeiten, so zumindest habe ich die Antworten auf meine Fragen zu diesem Punkt verstanden. Im Prinzip würde ein solcher technischer Standard aber ausreichen, Verlagen die Hoheit über die Auffindbarkeit ihrer Produkte zu belassen. Das dies im Sinne der Informationsfreiheit und Angebotsvielfalt für Nutzerinnen und Nutzer im Netz nicht nur Vorteile hat, machte Prof. Dr. Dirk Lewandowski, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg deutlich: Viele Webseiten erlauben per robots.txt ausschließlich den großen Suchmaschinen, sie zu finden, weil sie nur von dort relevanten Traffic bekommen.
Bei der Debatte um technische Fragen verstrickte sich insbesondere der Vertreter der Verleger, Dr. Thomas Höppner, in Widersprüche, weil er einerseits monierte, es gäbe keine technische Lösung für die angeblichen oder realen Probleme der Verlage, andererseits versprach er, wenn das Gesetz komme, würden die technischen Tools zu seiner Umsetzung da sein.
Spannender bleibt aber auch heute die Frage: Welcher Sinn liegt überhaupt in einem Leistungsschutzrecht für Presseverlage?
Thomas Höppner vom Bundesverband der Zeitungsverleger sagte auch dazu widersprüchliches: Die Aggregatoren verdienen Geld mit Verlagsinhalten, die wenigsten Nutzer klicken von den Aggregatoren durch auf die Verlagsseiten. Er sagte aber auch: Die Verlage brauchen Google dringend im Netz, nur so werden sie überhaupt gefunden.
Warum sie deshalb ein Recht haben wollen, dass es ihnen erlaubt, Google und Co. das Anzeigen ihrer Inhalte nur gegen Zahlung zu erlauben, kann ich mir nur so erklären: Die Verlage werden am Ende eher darum bitten, angezeigt zu werden, als dass sie Geld von Google bekommen werden. Darum geht es aber gar nicht. Kleinere Aggregatoren oder Suchmaschinen sowie neue Anbieter in diesem Segment, die für die Verlage nicht interessant sind, werden durch das Leistungsschutzrecht massiv in ihrer Arbeit behindert, weil die Verlage kein Interesse an Verhandlungen mit ihnen haben werden. So antwortete auch der von Google in die Anhörung entsandte Sachverständige, Dr. Wieland Holfelder, sinngemäß auf die Frage meines Kollegen Herbert Behrens nach dem Aufwand und der Komplexität einer Umsetzung des Leistungschutzrechts: Wenn sie wollen, dass das nächste Google aus Deutschland kommt, lassen sie das Leistungschutzrecht sein.
Springer und Co. wollen gar nicht so dringend Geld von den Suchmaschinen, sie wollen viel mehr ein Innovationsverhinderungsrecht, um einerseits die Auffindbarkeit auf wenige große Anbieter zu konzentrieren und andererseits neue Anbieter auf dem Onlinemarkt klein zu halten. Es sei denn, diese neuen Anbieter gehören den Verlagen selbst und der Lizensierungsaufwand lässt sich innerhalb des Konzerns ganz locker regeln. So passt dann auch die Lobbyarbeit hier in Berlin gut zu den Fortbildungsreisen der Verleger nach Kalifornien und insbesondere Springers Engagement als Start-up-Inkubator. Gute Ideen im Onlinebereich von unabhängiger Seite werden hier vor Ort durch das Leistungsschutzrecht vorab verhindert, um das verlagseigene Investment in neue Geschäftsfelder besser abzusichern.
Dieses Spezialpaket, von dem offensichtlich nur große Verlage profitieren werden, ist die Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers der CDU. Hier wird eine einflussreiche Lobbyistengruppe gegen jeden Sachverstand beschenkt. Dass dies wahrscheinlich doch im Schweinsgalopp und trotz aller offenen technischen, verfahrenstechnischen und rechtlichen Fragen diese Woche noch durch den Bundestag gepeitscht wird, zeigt, wie gleichgültig Bundesregierung und CDU die Rechte des Parlaments sind.
Der vergangene Woche etwas lauter gewordene Widerstand aus den Reihen der FDP und von Siegfried Kauder muss sich nun bei einer namentlichen Abstimmung in ausreichend ablehnende Stimmen ummünzen, falls das blödsinnige Gesetz von diesen Abweichlern und der Opposition noch mehrheitlich abgelehnt werden sollte. Ein solch folgenreicher Widerstand innerhalb der Regierungskoaltion ist aber eher unwahrscheinlich.