In den kommenden Wochen ist Petra Sitte auf Tour durch Hochschulen und Forschungseinrichtungen in der ganzen Bundesrepublik. Sie will dabei intensive Gespräche mit Praktikern aus Wissenschaft und Forschung führen. Kontakte sollen vertieft und Anregungen und Probleme für die programmatische Arbeit mitgenommen werden. Von den Stationen auf dieser Wissenschaftstour werden wir künftig an dieser Stelle berichten.
Diese Tour begann am 31.01. mit einem Besuch beim Berliner Büro des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI).
Das DFKI ist eine gemeinnützige GmbH, die vor allem deutschen Industriekonzernen, zu kleineren Teilen aber auch einigen Bundesländern sowie einer Mitarbeitergesellschaft gehört und sich mit rund 700 MitarbeiterInnen von der Grundlagenforschung bis zur Produktentwicklung mit Softwaretechnologien unter dem Schlagwort „Künstliche Intelligenz“ beschäftigt.
Petra traf dort auf den Unternehmenssprecher, Reinhard Karger, den Wissenschaftlichen Leiter des DFKI und Chef der Sprachtechnologie-Abteilung, Prof. Dr. Hans Uszkoreit, die Projektleiterin der DFKI-Sprachtechnologie-Abteilung, Dr. Feiyu Xu sowie Dr. Georg Rehm, DFKI-Forscher und Network-Manager beim europaweiten META-NET-Projekt, das eine multilinguale Sprachtechnologieforschung vorantreibt.
Während des Besuchs wurden anhand der Struktur und der Forschungsgebiete des DFKI unzählige hochinteressante Themen andiskutiert. Wie kann das Wissenschaftssystem so gestaltet werden, dass es Freiraum für Experimente gibt, es also nicht immer mehr auf Auftragsforschung nach eng gefassten Förderrichtlinien hinausläuft?
Die spannende Vorstellung von Forschungsprojekten im Zusammenhangmit einem bargeld- und kassenlosen Einkauf führte im Gespräch zu den Umwälzungen im Alltag, die druckbare Chips in wenigen Jahren mit sich bringen werden und der Diskussion, wie viel ethische Technikfolgenabschätzung einzelne Forschungsprojekte brauchen.
Beim Thema Open Access ging es um Frage, wie offen Auftragsforschung veröffentlicht werden kann und um die Widerstände in der Wirtschaft aber auch der Wissenschaftscommunity gegen die Befreiung von wissenschaftlichen Ergebnissen. Das DFKI verfolgt in diesem Bereich eine Strategie, die ein Maximum an Offenheit auch an Ergebnissen der Auftragsforschung ermöglichen soll.
Gerade die Veröffentlichung und Zirkulation mache die Ideen sichtbar und schütze sie. Wer Forschungsergebnisse versteckt und zurückhält, weil er auf den großen Patent- oder Lizenzdeal hofft, laufe immer auch Gefahr, dass andere etwas später auf die gleiche Idee kommen und diese dann öffentlicher und somit schneller zu wissenschaftlichem aber auch kommerziellem Erfolg führen, so der Tenor der DFKI-Verantwortlichen.
Hierzu passte auch die Diskussion über die Ausgründungspraxis des DFKI. Ideen und Know-How, so das DFKI, sollen nicht vor allem verkauft, sondern ausgegründet werden. Dazu bietet das Institut MitarbeiterInnen mit Geschäftsidee die Chance und ökonomische Absicherung, in der ersten Gründungszeit des eigenen Start-Ups, Teilzeit weiterbeschäftigt zu werden.
Dass Marktfähigkeit und Forschungsinteresse mitunter aber auch weit auseinander liegen, war gerade aus linker Sicht ein besonders interessanter Aspekt am Forschungsverbund META-NET, an dem das DFKI beteiligt ist.
Sprachtechnologie wird in Zeiten weit verbreiteter Smartphonenutzung ein immer wichtigeres Forschungsfeld. Gerade Konzerne wie Apple, Google aber neuerdings auch Facebook stecken viel Geld in Sprachtechnologie-Abteilungen und die Entwicklung neuer und vor allem nutzerfreundlicher Sprachsteuerungssysteme.
Von Interesse sind dabei aber vor allem die Sprachen mit großen Sprecherkreisen, denn nur dort lassen sich am Ende so viele Smartphones mit der entsprechenden Technologie verkaufen, dass sich die Investition in die Technologieentwicklung lohnt. Ein Beispiel: Während die brasilianische Variante des Portugiesischen für Sprachtechnologie kommerziell aufgrund der vielen SprecherInnen interessant ist, gilt dies für die europäische Variante aus Portugal schon nicht mehr. So aber führt eine rein marktgetriebene Entwicklung einer Technologie, die den Menschen Kommunikation erleichtern soll, am Ende dazu, dass die existierende Sprachenvielfalt nicht mehr abgebildet wird.
Einer der Aufgaben von META-NET ist es, dem entgegen zu wirken und auch für kleinere Sprachen Sprachtechnologie zu entwickeln. Dies kann nur jenseits marktwirtschaftlicher Strukturen geschehen. So zeigte sich auch bei einem relativ anwendungsnahen Forschungszentrum wie dem DFKI, dass Wissen und Information, kulturelles Erbe und Innovation ein starkes Standbein jenseits des Marktes brauchen. Umgekehrt können aber auch autoritäre Regime ein großes Interesse an Sprachtechnologien für kleinere Gebiete haben, da sich die Daten aus diesen Technologien überwachen und auswerten lassen. Dies erklärt, warum etwa China an solchen Systemen für Tibetisch ein großes Interesse hat.
Zwei äußerst spannende Stunden waren schnell vorbei. Diesen Termin wird ein zweiter folgen, bei welchem sich Petra über Projekte aus den Bereichen Sprachtechnologie und semantische Suche informiert. Wir werden weiter berichten.
Bericht von Jörg Braun und Tobias Schulze
(Fotos: privat)