LINKE Forschungstour: Robotik an der Uni Würzburg, Innovationspolitik bei der IG Metall in Frankfurt/Main

Am 7. März ging Die LINKE Forschungstour in die nächste Runde. Zunächst stand der Besuch von Petra Sitte beim Lehrstuhl für Robotik und Telematik der Universität Würzburg und dem Würzburger Zentrum für Telematik auf dem Programm. Prof. Dr. Klaus Schilling und sein Team stellten uns ihre Arbeiten vor.

Los ging es mit den Picosatelliten der UWE-Reihe. Die kleinen Erdtrabanten sind nicht größer als ein Karton Milch und sollen in vernetzten Schwärmen auf relativ niedriger Erdumlaufbahn Informationen beispielsweise zu Erdbeben erheben. Im Gegensatz zu ihren großen Geschwistern sind diese Kleinstsatelliten günstig in Entwicklung und Herstellung.

Die Bauteile der Satelliten bestehen aus handelsüblichen Platinen, Solarpanels und Steckverbindungen, die würfelförmigen Geräte haben eine Kantenlänge von zehn Zentimetern, sind modular aufgebaut und somit je nach Einsatzbestimmung gezielt zu bestücken. Der aktuelle UWE-3-Satellit wird mit Mitteln des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums sowie vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert. Im Gegensatz zu großen Satelliten, die eigens für sie aufgebaute Testumgebungen brauchen, kann das Verhalten der Kleinstsatelliten beispielsweise bei Sonneneinstrahlung mit einem Theaterscheinwerfer simuliert werden, das Verhalten bei Hitze wird in handelsüblichen Mikrowellen getestet. So haben gerade auch Studierende die Möglichkeit vor Ort an der Uni an der Weiterentwicklung direkt mitzuwirken. Für Prof. Schilling ist diese günstige Variante der Satellitenentwicklung ein besonders demokratisierendes Element in der Weltraumforschung.

Überraschend, wie die kleinen Satelliten in den Orbit kommen: Im Rahmen der internationalen Abrüstungsvereinbarung schießt beispielsweise Russland immer wieder alte Trägerraketen ins All. Dort können dann Forschungsteams Plätze für ihre Flugobjekte buchen, der Preis richte sich dabei eher nach politischen Vorgaben, bewege sich aber im fünfstelligen Bereich.

Petra Sitte fragte auch nach dem Überwachungspotential der Kleinstsatelliten im polizeilichen geheimdienstlichen oder militärischen Bereich. Nach Einschätzung von Prof. Schilling sind sie aber zu klein, um hochauflösende Kameratechnik mit sich zu führen. Er lege auch einen Wert auf zivile und ethische Nutzung seiner Forschung.

Ein weiteres Projekt der Würzburger Telematikerinnen und Telematiker ist die Entwicklung von Elektrorollern für Seniorinnen und Senioren, die durch intelligente Navigationssysteme helfen sollen, Mobilität auch im Alter zu gewährleisten. Die Fähigkeiten dieser Roller wurden zusammen mit rund 200 älteren Menschen entwickelt und getestet. So wurden die Bedienungselemente am Roller selbst durch die Probanden ganz anders gewünscht, als es sich die Techniker zunächst gedacht hatten. Auch sollen die Roller als kleine Lastenfahrzeuge für den täglichen Einkauf funktionieren. Der Sprudelkasten könnte dann beispielsweise auf dem Roller nach Hause fahren. Die Idee der Entwicklerinnen und Entwickler war, in diesem Fall das Gerät hinter der Besitzerin oder dem Besitzer herfahren zu lassen. Die Probanden intervenierten, ihnen war es angenehmer, wenn der Roller knapp vor ihnen fuhr und sie das Gerät im Blick behielten. Es wurde eindrücklich deutlich, dass Innovationen nicht im abgeschlossenen Kämmerchen entwickelt werden können. Sie müssen offen unter Einbezug von Nutzerinnen und Nutzern gestaltet werden, wenn sie einen nachhaltigen Effekt haben sollen.

Auch das Zusammenspiel verschiedener Sensoren beim Überwachen von Patientinnen und Patienten mit Lungenkrankheiten wird in Würzburg erforscht und entwickelt. Hierbei steht neben sicherer Datenübertragung die Frage im Zentrum, welche Sensoren im Zusammenspiel derart relevante Messwerte liefern, dass möglichst wenig Sensoren zum Einsatz kommen müssen.

Aber auch dabei geht es nicht ausschließlich um Assistenztechnik. Zentrales Steuerungselement für die Patientinnen und Patienten soll ein besonderes Smartphone sein, das neben der Datenübertragung an die Ärztin oder den Arzt auch Informationen und Ratschläge für die Kranken übermitteln soll und direkte Rücksprache mit medizinischem Fachpersonal ermöglichen soll.

Weiter ging es mit fahrenden Roboterschwärmen auf Modellautobasis, mit einem Projekt, das helfen soll Weltraumschrott zu entsorgen und einem Behandlungstisch für gezielte Tumorbestrahlung, der durch eine Kombination aus Sensoren und Hydraulik die Atembewegung der Bestrahlungspatientinnen und –patienten ausgleichen soll, so dass eine möglichst punktgenaue Bestrahlung möglich wird und damit Nebenwirkungen der Therapie verringert werden. Die kleinsten Mitarbeiter des Lehrstuhls konnten wir nicht live erleben. Das sind mit RFID-Chips ausgerüstete Bienen, die Wetterdaten zusammentragen.

Der gemeinsame Nenner all dieser Projekte ist es, eine Vielzahl von Sensoren und Computern so zu vernetzen, dass sie sinnvoll gemeinsam in Bewegung (am Boden, in der Luft oder im All) agieren. Dabei spielt die Minimierung der Größe dieser Geräte eine wichtige Rolle, nicht zuletzt, um Kosten zu sparen. Um die vielfältigen informationsethischen und datenschutzrechtlichen sowie sich neu ergebende juristische Fragen dieser Forschung mitzubedenken, arbeiten die Würzburger Telematikerinnen und Telematiker interdisziplinär mit Forschenden der entsprechenden Fachrichtungen zusammen.

Bei einem gemeinsamen Mittagsimbiss diskutierten wir dann über deutsche Förderpolitik und trafen auf die allgegenwärtigen Probleme. Grundfinanzierungen werden zurückgefahren, der Jahregrundsetat des Lehrstuhls sei vor zehn Jahren achtmal so große wie heute gewesen.

Und selbst dort, wo Projektmittel aufgestockt werden, fressen Verwaltungstrukturen und Antragserstellung für Förderwettbewerbe einen Großteil der Mittel auf. So sei die Erfolgsquote bei EU-Projekten derzeit 1:40, weswegen die Antragstellung der 40 abgelehnten Projekte teurer sei als die Förderung des einen Projektes.

Auch wird eine kontinuierliche Forschung aufgrund der projektbezogenen und damit befristeten Fördermittel immer schwieriger. Dies betrifft natürlich vor allem nachwuchswissenschaftler, die auch hier selten klare Karriereperspektiven haben und sich von Zeitvertrag zu zeitvertrag hangeln. Auch die Ausrichtung der Forschungsförderung des Bundes auf große Forschungseinrichtungen war hier am vergleichsweise kleinen Institut wieder einmal Thema. Um bei Antragsstellungen erfolgreich zu sein, muss das Institut große Strukturen aufbauen. Diese Strukturen kommen jedoch schnell in Gefahr, wenn dann die Drittmittel einmal nicht so fließen wie geplant. Notwendig sei eine bessere Finanzierung der Gemeinkosten bei Drittmitteln (Overhead), wie es DIE LINKE seit langem im Bundestag vorgeschlagen hat. Die Gemeinkostenpauschalen müssen auch bei den forschenden Strukturen ankommen. 

Probleme sehen die Forscherinnen und Forscher bei der Entwicklung großer Forschungsprogramme. In die Erarbeitungsprozesse würden häufig nur die ganz großen Forschungsorganisationen und Unternehmen einbezogen. Kleinere hätten kaum die Kapazität für diese aufwändigen Prozesse.

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Nachmittags war Petra Sitte dann in der Zentrale der IG Metall in Frankfurt/Main zu Gast. Dort gab es einen sehr anregenden Austausch über Entwicklung der Innovationsförderung, die staatliche Förderung von Forschungsbeteiligung der Industrie und soziale Innovationen, in der Petra Sitte die LINKEN Vorstellungen zu mehr Mitbestimmung der Betroffenen und der an der Forschung Beteiligten bei Forschungsvorhaben präsentierte. Bei vielen Punkten gab es die Übereinstimmung, dass die Zivilgesellschaft, dass Gewerkschaften und Verbände besser in die Entwicklung von Forschungsprogrammen eingebunden werden muss. So hat die Bundesregierung eine Plattform zur „Industrie 4.0“ gegründet, ohne etwa Arbeitnehmervertretungen in die Entscheidungsgremien einzubeziehen. Petra Sitte nimmt aus diesem Gespräch die Anregung mit, auch zukünftig auf eine Öffnung und Demokratisierung der Forschungs- und Innovationsförderung zu drängen. Wissen von morgen muss offen entwickelt werden.

Petra Sitte und ihr Team bedanken sich herzlich für die offenen Türen und Gespräche bei Professor Schilling, seiner Mitarbeiterin Doris Aschenbrenner, die den Würzburger Termin maßgeblich mit  angestoßen hatte und beim Ressort Branchenpolitik der IG Metall.

Hier gibt es mehr Bilder zur Tour

Weitere Termine aus dieser Reihe folgen, über die wir dann wieder berichten werden.

Bericht: Jörg Braun & Tobias Schulze