TOP 36) Leistungsschutzrecht für Presseverlage <Drs. 17/11470>
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Der Medienkonzern Springer ruft, und fast das ganze Regierungslager springt – wie die Lemminge ins schwarze Loch.
Zur Vorgeschichte: Bereits seit Jahren rühren die großen deutschen Presseverlage die Trommel dafür, dass dieses Gesetz auf den Weg gebracht wird. Im Herbst 2009 ist es ihnen dann endlich gelungen: Das Leistungsschutzrecht stand im Koalitionsvertrag von Union und FDP. So viel zum Thema „Machtverschiebung zwischen Medien und Politik“, so viel zum Thema „Erpressbarkeit von Politik durch die Macht der Medienkonzerne“.
(Beifall bei der LINKEN ?Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Das ist doch Quatsch! Die kleinen Lokalzeitungen sind auch dafür!)
Ziel des Leistungsschutzrechts war es, Informationsdienstleistern im Internet, allen voran Suchmaschinen, nur noch gegen Genehmigung, aber insbesondere gegen Bezahlung zu erlauben, dass sie Verlagsinhalte, also Pressetexte, im Internet auffindbar machen. Allerdings ? das haben wir immer wieder gehört ? sind Onlineangebote der Verlage ohne Suchmaschinen und andere Informationsdienstleister im Internet gar nicht systematisch auffindbar. Noch vor einem Monat sprach der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, in einem Interview von bis zu 80 Prozent der Leser, die allein über Google bei den Angeboten seines Verlages landen und ihm so sozusagen die Chance geben, Geld zu verdienen. Es gibt also nüchtern betrachtet überhaupt keinen stichhaltigen Grund für dieses Gesetz. Das wird erst recht deutlich, wenn man bedenkt, dass die Bundesregierung überhaupt keine belastbaren Daten besitzt, um Auskunft darüber geben zu können, wie viel Suchmaschinen oder ähnliche Dienste direkt mit Verlagsinhalten verdienen. Diesen Offenbarungseid musste sie abgeben, als sie auf eine Kleine Anfrage der Linken zu antworten hatte.
Das Leistungsschutzrecht ist aber nicht nur unnötig, es ist auch schädlich:
Erstens. Im Text ist überhaupt nicht klar definiert, wer alles als Verlag anzusehen ist. Die Interpretationsbreite ist groß. Das Gesetz wird mehr Verwirrung als Klarheit stiften. Das ist aber nicht die Aufgabe von Gesetzen, wenn ich mich recht erinnere.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweitens. Es ist nicht nachvollziehbar, was genau geschützt werden soll und warum. Es geht nun einmal um Pressetexte, und diese sind durch das Urheberrecht klar vor unerlaubter Nutzung geschützt. Der neue Schutz, so sagen jetzt Verlage, soll nun für verlagstypische Eigenleistungen bestehen. Jetzt fragen wir uns natürlich: Worin soll die bestehen, wenn es ausschließlich um die Anzeige von Texten durch Informationsdienstleister im Internet geht? Das ist ebenso schleierhaft. Sie schaffen also ein Recht für Verlage an etwas, was eigentlich den Urheberinnen und Urhebern zustünde, falls es denn überhaupt einen stichhaltigen Grund für das Gesetz gibt.
(Beifall bei der LINKEN)
Nun steht zur Beruhigung in dem Gesetzentwurf, dass Verlage Urheberinnen und Urheber an den möglichen Einnahmen angemessen beteiligen müssen. Wie die angemessene Beteiligung aussehen soll und wie die Beteiligung ausgehandelt werden soll, steht aber nicht in dem Gesetzentwurf. Damit überlassen Sie das dem freien Spiel der Kräfte. Aber wir haben in der parallel laufenden Debatte zum Urhebervertragsrecht ja längst erlebt, was dann passiert: Bisher klappt dabei gar nichts vernünftig. Sie geben also den Medienkonzernen einen weiteren Machtvorteil gegenüber Journalistinnen und Journalisten. Ich gratuliere zu dieser Leistung.
Drittens. Es bleibt ungeregelt, wie sich Suchmaschinen und Co. mit der durch das Gesetz nicht klar definierten Gruppe der Verlage über Nutzungsgenehmigungen und Nutzungsgebühren einigen sollen. Das ist völlig offen. Unzählige Onlineanbieter müssten mit Tausenden Verlagen Verhandlungen führen. Das sind Dinge, die sich nur große Konzerne mit vollen Kriegskassen und großen Rechtsabteilungen leisten können.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Kleinere und mittelständische Unternehmen, regional tätige Verlage oder Internet-Start-ups kommen da schlicht und ergreifend gar nicht mit, die können sich das nämlich nicht leisten.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie schaffen hier also ein Gesetz aus lauter Rechtsunsicherheiten. Damit stärken Sie das Recht des Stärkeren und schwächen dazu noch die Schwachen. Dazu kann ich nur sagen: Das ist Wahnsinn mit Methode.
(Beifall bei der LINKEN)
Als wäre das alles nicht schon genug, kamen Sie am Dienstag ? am Dienstag dieser Woche, wohlgemerkt ? wie Kai aus der Kiste mit einem neuen Änderungsantrag. Jetzt soll es den Informationsdienstleistern und den Informationsdienstleisterinnen im Internet wieder genehmigungsfrei möglich sein, einzelne Wörter und einzelne Textausschnitte, die sogenannten Snippets, weiterzuverwenden. Nun wird die ganze Sache endgültig absurd: Erst legte die schwarz-gelbe Bundesregierung einen Gesetzentwurf vor und begründet ihn mit genau diesen Snippets:
(Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Nein, mit den zu langen Snippets!)
Diese Snippets würden den Verlagen schaden. Dann kamen die Regierungsfraktionen und änderten den Gesetzentwurf so ab, dass genau diese Snippets jetzt ausgenommen sind. Das heißt, der Hauptgrund der Kritik ist entfallen. Jetzt frage ich mich: Ist damit nicht auch der Hauptgrund des Gesetzes entfallen?
(Beifall bei der LINKEN – Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eine leere Hülle!)
Um die Verwirrung dann noch weiter aufzuschäumen, definieren Sie kein Stück klar, was Sie eigentlich unter diesen einzelnen Snippets verstehen, wie lang die sein dürfen. Da kann ich aus der Erfahrung der letzten Jahre nur sagen: Ich sehe schon vor meinem geistigen Auge, wie sich Abmahnanwälte die Hände reiben und über ein neues Geschäftsfeld freuen.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Meine Damen und Herren, Sie drehen also die ursprüngliche Intention des Gesetzes ins Gegenteil, und Sie führen weitere Rechtsunsicherheiten ein. Das ist nicht logisch, könnte man jetzt sagen ? aber für schwarz-gelbe Großhirne schon. Okay, machen Sie es!
Wenn wir aber einmal wohlwollend annehmen, dass auch mit der Änderung das Leistungsschutzrecht die gewohnte Artikelvorschau, wie wir sie jetzt im Internet vorfinden, in Suchmaschinen erlaubt, was bitte kann dann das Gesetz noch bewirken? Zunächst einmal ? zu diesem Thema ist schon alles gesagt ? Rechtsunsicherheiten zuhauf. Solange diese bestehen, weiß niemand, was genau im Internet an Informationsweitergabe durch Suchmaschinen und ähnliche Dienstleister überhaupt möglich sein wird.
Am Ende werden Suchmaschinen dann wahrscheinlich gar keine größeren Veränderungen erfahren. Verlage werden von diesen kein neues Geld einnehmen. Aber immerhin werden sie ein Recht haben, das eigentlich den Urheberinnen und Urhebern zusteht, und all die neuen Apps, Programme und Dienste, die es heute jenseits von Suchmaschinen so spannend und bequem machen, als Netznutzerin die unterschiedlichsten Nachrichten, Artikel und Reportagen zu entdecken, werden in Deutschland nicht möglich sein ? außer sie werden dann wiederum von Springer oder von Burda angeboten. Meine Damen und Herren, Vielfalt und Innovation stelle ich mir anders vor.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))