Das Thema der Beschäftigungsbedingungen in Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist für mich und für unsere Fraktion ein Dauerbrenner. Der Grund dafür lässt sich einfach beschreiben: die Verhältnisse werden immer problematischer.
Der kürzliche erschienene Bundesbericht zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, aber auch neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen die klaren Trends: mehr Befristung, mehr Teilzeit, mehr Drittmittelbeschäftigung. Mittlerweile sind 90 Prozent des angestellten Personals befristet beschäftigt, knapp die Hälfte in Teilzeit, ebenfalls knapp die Hälfte über Drittmittel. Die Sachverständigen in der heutigen Anhörung im Ausschuss für Bildung und Forschung belegten diese Zahlen mit ihren konkreten Erfahrungen. So berichtete die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates der Max-Planck-Gesellschaft, Karin Bordasch, dass selbst auf Dauerstellen nur noch befristet eingestellt würde. Bordasch zog einen klaren Zusammenhang zwischen der Verabschiedung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, das die Sonderbefristungsmöglichkeiten regelt, und dem Anstieg prekärer Beschäftigung in der Wissenschaft.
Die Vertreter der Gewerkschaften GEW, Dr. Andreas Keller, und ver.di, Matthias Neis, bestätigten diese Erfahrungen. Keller bescheinigte in den außeruniversitären Forschungseinrichtungen eine Tendenz zur Tarifflucht. So gebe es Verträge, die bei 50 Prozent des Gehaltes die volle Arbeitszeit forderten. Kaum eins der Institute sei Mitglied in einem Arbeitgeberverband und an Tarife gebunden. Es sei, so Keller, unannehmbar, dass gerade steuerfinanzierte öffentliche Forschungsinstitute derart schlechte Arbeits- und Karrierebedingungen aufwiesen. Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seien zwar mit den Inhalten ihrer Tätigkeit zufrieden, jedoch in keiner Weise mit den Rahmenbedingungen.
Häufig wird die Ursache dieser Entwicklungen in der mangelnden finanziellen Planbarkeit für Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen gesehen. Dem widersprachen heute mehrere der ExpertInnen. So wiesen die außeruniversitären Forschungsinstitute trotz jährlich um fünf Prozent wachsenden Grundbudgets einen klaren Trend zur Befristung von MitarbeiterInnen auf.
Vielmehr sei eine Entwicklung festzustellen, auf dem Rücken des Personals Flexibilität in den Haushalten zu schaffen. Dabei sei, so stellte es Dr. Keller dar, unbefristete Beschäftigung auch bei hohen Drittmittelanteilen möglich. Auch Wirtschaftsunternehmen könnten die finanzielle Lage nicht langfristig einschätzen und planten trotzdem Personalbedarf- und entwicklung. An Hochschulen, so der Präsident der Humboldt-Universität Prof. Olbertz, sei die finanzielle Lage jedoch ungleich dramatischer. Hier würden tatsächlich mangelnde Gundmittel unmittelbar auf die Lage der Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler durchschlagen. „Brauchen wir immer noch neue Pakte?“ fragte Andreas Keller mit Blick auf die Zukunft der wettbewerblichen Bund-Länder-Förderung der Wissenschaft.
Keller forderte hingegen einen ganz anderen Pakt. Einen für „Gute Arbeit in der Wissenschaft.“ Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz müsse endlich geändert werden, etwa um tarifliche Vereinbarungen zu ermöglichen, aber auch Mindestvertragslaufzeiten vorzuschreiben. Verträge sollten so lange dauern wie die zu Grunde liegende Qualifikationsphase oder das Drittmittelprojekt auch.
Ich begrüße sehr, dass sich auch die Generalsekretärin der DFG, Frau Dzwonnek, heute diesen Positionen klar anschloss. Zudem muss der Bund in die Zielvereinbarungen mit der außeruniversitären Forschung klare Vorgaben für eine nachhaltige Personalplanung- und entwicklung aufnehmen. Dass die wissenschaftlichen Direktorinnen und –direktoren oft die einzigen unbefristeten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Instituten sind, beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit der Forschung. Auch für die Hochschulen, so Andreas Keller gelte, dass eine hohe Befristungs- und Teilzeitquote die Qualität der Lehre eher senke als fördere. Dr. Jongmanns von der HIS Hochschulforschung lieferte interessante Zahlen dazu: in den vergangenen Jahren seien praktisch alle zusätzlichen Aufgaben der Hochschulen (Drittmittelforschung, Lehre, Management) von unpromovierten, jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geleistet wurden, die dafür zusätzlich ins System gekommen seien. Für die Qualifikation dieser vielen Tausend Nachwuchskräfte seien aber gar keine Kapazitäten von älteren Beschäftigten vorhanden.
Die Koalition von Union und FDP leugnet diese Probleme anders als noch vor zwei Jahren nicht mehr. Allein: sie sieht für sich selber keinen Handlungsbedarf. Es seien doch die Länder und die Hochschulen bzw. Wissenschaftseinrichtungen selbst, die eine andere Personalpolitik machen müssten. Dem widersprachen praktisch alle Sachverständigen. Eine Änderung des WissZeitVG sei an der Zeit, um Mindeststandards zu setzen und die unselige Tarifsperre aufzuheben. Das sei nicht einzige Hebel. HU-Präsident Olbertz forderte gar ein ganz neues Bund-Länder-System der grundständigen Wissenschaftsförderung sowie einen Neuanlauf für eine Hochschulrahmengesetzgebung des Bundes auch im Bereich der Personalstrukturen. Unser LINKER Vorschlag eines Anschubprogrammes für mehr Dauerstellen an Hochschulen durch den Bund fand ebenfalls die Unterstützung der Sachverständigen.
Insgesamt, das wurde heute deutlich, waren vier Jahre Schwarz-Gelb vier verlorene Jahre für eine Verbesserung der Berufsperspektiven von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. In dieser Zeit ist bereits eine ganze Generation durch ihr Promotionsverfahren gegangen, ohne dass sich für die Zeit danach eine Chance auf eine selbständige und unbefristete Arbeitsmöglichkeit in der Wissenschaft abzeichnet. Wir als LINKE werden nicht nachlassen, um endlich zu substanziellen Fortschritten für „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ zu kommen.
LINKE Initiativen zu „Guter Arbeit in der Wissenschaft“: 17/4423, 17/6488, 17/11044. 17/13361
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