Im Rahmen meiner Forschungstour 2013 besuchte ich gemeinsam mit meinem Abgeordnetenkollegen Jan van Aken das Forschungszentrum DESY in Hamburg. Jan van Aken hat als Biologe selbst am Elektronen-Synchroton DESY geforscht und war gespannt auf die Hintergründe dieser einmaligen Infrastruktur in der deutschen Wissenschaftslandschaft. Das DESY stellt Strahlenquellen zur Verfügung, mit denen vor allem Material- und NaturwissenschaftlerInnen aus aller Welt Experimente durchführen können. Das Institut selbst beschäftigt weniger Wissenschaftler, sondern überwiegend technisches und verwaltendes Personal.
Wir waren eingeladen vom Betriebsrat des DESY, um uns nicht nur über die Arbeit des Zentrums, sondern auch über die alltäglichen Probleme der Betriebsratsarbeit zu informieren.
Die BetriebsrätInnen berichteten über die ausufernde Befristungspraxis auch bei Stellen im Bereich des technischen Personals. Selbst bei langjährigen Planstellen werde die mögliche Befristungshöchstdauer durch den Arbeitgeber zu oft ausgenutzt, um sich Flexibilität bei der Stellenbesetzung zu erhalten oder den oder die Angestellte erst mal zu „testen“. Der Stellenaufwuchs des DESY sei zudem ausschließlich über befristete Stellen gelaufen.
Auch wenn viele Stellen am Ende der möglichen Befristungszeit in Dauerstellen umgewandelt würden, bedeutet diese Praxis eine mehrjährige Unsicherheit, die gerade Familienplanung erschwert, aber auch sonst demotivierend wirkt. Da vielerorts außerhalb der Wissenschaft bessere Arbeitsbedingungen herrschten, sei die Personalfluktuation am DESY in einigen Bereichen sehr hoch.
Die Betriebsräte beklagten zudem die schlechte Bezahlung des Verwaltungspersonals. Viele der BerufseinsteigerInnen in diesem Bereich würden das DESY schnell wieder verlassen, weil die Arbeitsbedingungen nicht stimmten. Gerade aus der Verwaltung fließe damit immer wieder Know-How ab. Es gibt jedoch auch Positives zu vermelden: Erziehungszeiten werden im Geltungsbereich des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes am DESY auf der Grundlage eines Rechtsanspruches angerechnet. Und der Betriebsrat strebt darüber hinaus eine Gesamtbetriebsvereinbarung an, die eine Anrechnung der Erziehungszeiten analog des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes auch bei anderen Befristungen zur Regel macht.
Eine Geschichte aus Absurdistan spielt sich hingegen rund um das Thema Investitionen ab: Das so genannte Besserstellungverbot verhindert, dass nachgelagerte Behörden bessere bzw. andere tarifliche Leistungen zahlen können als die „Mutterbehörde“. Das ist fürs DESY das Bundesministerium des Innern. Das Besserstellungsverbot gilt auch für Lohnbestandteile wie etwa ein betriebliches ÖPNV-Ticket, das beim DESY nicht angeboten werden darf, weil auch das Innenministerium seinen MitarbeiterInnen so etwas nicht finanziert. Stattdessen ist das DESY verpflichtet, ausreichend Parkraum für die Beschäftigten zur Verfügung zu stellen. Sozial und ökologisch nachhaltige Personalpolitik sieht in jedem Fall anders aus.
Die BetriebsrätInnen plädierten insgesamt für eine Stärkung der Grundfinanzierung, um einen ineffektiven Dauerwettbewerb um Mittel in der Wissenschaft zu vermeiden. Sie fordern zudem, die Stellung von Tarifverträgen in der außeruniversitären Forschung zu stärken und die Zahlungen von Leistungszulagen auch an Personal aus der Verwaltung zu ermöglichen.
Die an unser Gespräch anschließende Führung brachte spannende Eindrücke. Etwa die Experimentierhalle für die Strahlenquelle Petra III, die wir 2008 bei einer Ausschussreise noch im Bau gesehen hatten. Die Bauarbeiten am europäischen Röntgen-Laser XFEL gehen voran, mittlerweile sind die Tiefbauarbeiten für die 3,4 km lange Anlage abgeschlossen. Zufällig konnten wir auch die Eröffnung des neuen Center for Free Electron Laser Science (CFEL) miterleben. Mittlerweile, so wurde uns berichtet, wird der Platz beim DESY eng. Fast das ganze Gelände ist bebaut.
DESY ist nicht nur in Hamburg ansässig, sondern betreibt einen weiteren Standort im brandenburgischen Zeuthen. Bereits zu DDR-Zeiten wurde dort so international leistungsfähige Forschung betrieben, dass es bereits vor dem Mauerfall eine Zusammenarbeit mit dem Hamburger Institut gab. Es ist unter anderem auch dem eigeninitiierten Einsatz einer internationalen Gutachterkommission zu verdanken, dass das Zeuthener Institut nicht wie so viele aus der Akademie der Wissenschaften abgewickelt wurde, sondern heute als Teil des DESY in der Wissenschaftswelt etabliert ist.
Das folgende Bild und weitere Eindrücke vom Besuch gibt es auch in einem Flickr-Album.