Petra Sitte, zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zur Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerin der Fraktion. Hat Sie die Nominierung überrascht?
Herzlichen Dank. Ich hatte mich schon länger mal mit dem Gedanken getragen, aber die endgültige Nominierung war dann doch eine recht kurzfristige Angelegenheit.
Sie bringen als langjährige Stadtverordnete, Landtagsabgeordnete und Mitglied des Bundestages viel Erfahrung mit. Worauf bauen Sie jetzt besonders?
Ich hoffe, mir immer einen „Blick von unten“ zu erhalten. Der Bundestag ist ja doch ein bisschen wie ein UFO – besonders in seinen machttaktischen Manövern. Für unsere Fraktion will ich jedoch erreichen, dass wir immer das Zusammenspiel der Politik mit der gesellschaftlichen Realität und mit dem Bewusstsein der Menschen im Land berücksichtigen. Politik, die nicht ankommt, ist keine gute Politik.
Welche Herausforderungen bringen die neuen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag für Ihre Arbeit mit sich?
Als drittstärkste Fraktion werden wir möglicherweise die Opposition anführen, sollte es zu einer Großen Koalition kommen. Wir werden dann die erste Adresse für Alternativen zum Mehltau der Regierung Merkel sein und wollen daher sichtbarer, druckvoller und kreativer agieren. Dafür müssen wir unsere Arbeit besser organisieren, denn mehr sind wir bekanntlich nicht geworden.
In ihrem 100-Tage-Programm hat sich die Fraktion einiges vorgenommen. Wie werden Sie Ihre Kollegin, Ihren Kollegen bei SPD und Grünen überzeugen, die Zeit bis zur Regierungsbildung für konstruktive Zusammenarbeit zu nutzen?
Schwarz-Gelb ist Geschichte. Grüne und SPD müssen Farbe bekennen, ob und wie sie ihre Programmatik umsetzen wollen. Mit der CDU wird das schwierig, die Schnittmengen mit unserem Programm hingegen sind bei SPD und Grünen deutlich größer. Ich werde jedenfalls schnell den Kontakt zu meinen rot-grünen Pendants suchen, um die Chancen für gemeinsame Projekte in den ersten Plenarwochen auszuloten. Dazu gehören die fünf Punkte, die aus unserer Sicht sofort mit rot-rot-grüner Mehrheit beschlossen werden können: der Mindestlohn etwa oder die Abschaffung des Betreuungsgeldes. Wir müssen aber auch über die Ausweitung der parlamentarischen Minderheitenrechte reden.
In den vergangenen Jahren waren Sie forschungs- und technologiepolitische Sprecherin Ihrer Fraktion und auch in den Bereichen, die mit Digitalisierung von Wissen zu tun haben, sehr umtriebig. Wird Ihnen die fachpolitische Arbeit fehlen?
Ganz klar: ja. Ich werde aber versuchen, die Neugier auf neue Themen, neue Bündnisse und Netzwerke auch in meine zukünftige Arbeit einzuspeisen. Die Gesellschaft um uns herum verändert sich. Wir wollen und müssen an diesen Prozessen dran sein. Unsere Fraktion vertritt eine moderne, gesamtdeutsche LINKE im Parlament, die ihre Grundwerte der sozialen Gerechtigkeit, der Demokratie und des Friedens in viele gesellschaftliche Bereiche einbringt. So auch bei der Digitalisierung: ja zum Breitband für alle, nein zum Export von digitaler Überwachungstechnologie. Und so deklinieren wir unsere Werte in der Breite unserer heterogenen Gesellschaft durch. LINKE Politik soll alle Menschen erreichen.
linksfraktion.de, 14. Oktober 2013