Schon immer häuften Geheimdienste legal und illegal Herrschaftswissen an, um Menschen zu kontrollieren. Mit den neuen technischen Möglichkeiten ist hier eine weitere Grenze überschritten. Dass selbst das Telefon der Bundeskanzlerin nicht vor Überwachung sicher ist, zeigt die Totalität des Überwachungsnetzes der Dienste. Wir LINKE, die seit jeher für eine Abschaffung dieser unkontrollierbaren Dienste streiten, sehen darin keine neue Dimension, sondern allenfalls ein neues Mosaiksteinchen in der mindestens seit 2001 forcierten Überwachung aller Bürgerinnen und Bürger weltweit unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung.
Der bisherige Umgang der Bundesregierung, insbesondere des Kanzleramts und des Innenministeriums, mit den Vorgängen um die Überwachung durch Geheimdienste ist inakzeptabel. Noch vor wenigen Tagen und Wochen erklärten die Minister Friedrich und Pofalla, dass es kein Problem gebe. Und jetzt, wo es um ihre eigenen Telefone und Computer geht, stellen sie sich vermeintlich an die Spitze der Aufklärer. Dieses Verhalten zeugt von mangelndem Unrechtsbewusstsein und ist unglaubwürdig. Es erinnert eher an die Geschichte vom Zauberlehrling, der die selbst gerufenen Geister nicht mehr los wird.
Wir wollen, dass sich die Bundesregierung vor dem Bundestag zu ihrem Umgang mit dem Überwachungsskandal erklärt. Auf der anstehenden Sondersitzung bietet sich dafür die Gelegenheit. DIE LINKE will größtmögliche Transparenz in das im Kern unkontrollierbare Geflecht der Überwachungsapparate und in die Verantwortung der Politik bringen. Wir fragen: Was wussten die deutschen Dienste vom Tun ihrer amerikanischen Kolleginnen und Kollegen? Wie sind die Tätigkeitsfelder der deutschen Dienste mit denen etwa der USA und Großbritanniens verknüpft? Wo sind Telekommunikationsanbieter an den Maßnahmen beteiligt? Welches Wissen über die Tätigkeit der Bundesregierung und weiterer öffentlicher Stellen haben sich die Geheimdienste angeeignet? Wo wurden deutsche und europäische Gesetze gebrochen und Grund- und Menschenrechte verletzt? Wie will die Bundesregierung, die nicht einmal sich selbst schützen kann, eigentlich die Bürgerinnen und Bürger vor der Datensammelwut der Dienste schützen? Wo müssen die insbesondere seit 2001 verschärften Sicherheitsgesetze überprüft und geändert werden? Warum musste erst ein furchtloser Insider wie Edward Snowden an die Öffentlichkeit gehen, während die eigene Spionageabwehr offenbar ahnungslos war?
Diese Fragen sind auch in einem Untersuchungsausschuss zu vertiefen. Dessen Untersuchungsauftrag muss präzise so formuliert sein, dass das Interesse aller Bürgerinnen und Bürger an Klarheit über den Überwachungswahnsinn berücksichtigt wird. Wir brauchen keinen Ausschuss zur Untersuchung der „NSA-Aktion Merkel“, sondern zur Offenlegung der gesamten Überwachungs- und Spionagetätigkeit gegen unsere Bevölkerung. Dieser Untersuchungsausschuss muss das von den zukünftigen Oppositionsfraktionen vorgetragene Aufklärungsinteresse widerspiegeln und auf einer klaren Grundlage aufsetzen. Ein Ausschuss von Gnaden der Union hilft niemandem. DIE LINKE setzt sich dafür ein, auch den Whistleblower Edward Snowden einzuladen und als Zeugen zu hören – wobei natürlich seine persönliche Sicherheit zu gewährleisten ist.