GO-Debatte zur Pkw-Maut
– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen (Drucksache 18/3990); Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur (15. Ausschuss) Drucksache 18/4455
– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 18/…)
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Herr Präsident!
Es ist natürlich nicht einfach, in die Gesetzesberatung bzw. in diese Geschäftsordnungsdebatte einzusteigen. Ich will zunächst für Unkundige erklären, warum wir eigentlich hier debattieren. Üblicherweise ist es so, dass die Tagesordnung einer Bundestagssitzung in der Sitzungswoche zuvor im Ältestenrat zwischen den Fraktionen vereinbart wird. Das haben wir getan. Wir haben dann in den Tagen danach aus der Presse erfahren – wohlgemerkt: aus der Presse -, dass die Koalition erwägt, das Thema Maut auf die Tagesordnung dieser Sitzungswoche zu setzen. Das bedeutet, es handelt sich um eine Änderung der Tagesordnung. Mit der ist die Opposition nicht einverstanden, und aus dem Grund diskutieren wir hier.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir stellen fest, dass die Koalition wieder einmal versucht, ein hochumstrittenes Projekt im Turbotempo durchzudrücken.
(Sören Bartol (SPD): So ein Quatsch!)
Das heißt, Herr Straubinger muss nachher sehr genau erklären, warum die Maut unbedingt heute diskutiert werden soll. Schon bei der ersten Lesung – ich erinnere noch einmal daran – haben wir Sie zwingen müssen, dieses Thema nicht am frühen Abend in einer Kurzdebatte zu beraten. Sie haben dann Ihrerseits nachgegeben, und die Debatte wurde anders platziert, sodass auch Bürgerinnen und Bürger daran teilhaben konnten.
Zwischen erster und zweiter Lesung ist nun nur ein Monat vergangen, und das, nachdem Sie das Thema seit 2009 diskutieren, aber erst jetzt wissen, was Sie eigentlich wollen und wie es umgesetzt werden soll.
Am 5. November 2009 hat Herr Ramsauer, der damalige CSU-Verkehrsminister, gesagt, er wolle eine stärkere Nutzerfinanzierung der Straßen. Nur einen Tag später, am 6. November, hieß es dann, die Maut stehe nicht auf der Tagesordnung. Am 21. Juni 2010 – also ein gutes halbes Jahr später – war die Maut angeblich nie auf dem Tisch. Dann kam sozusagen die bayerische Basta-Variante in Gestalt von Herrn Seehofer, der sagte, er wolle bei der Maut nicht mehr lockerlassen. Jetzt hatte der Herr Ramsauer natürlich ein Problem: Die Leitplanke näherte sich. Er versuchte dann aber, sich in den Windschatten von Herrn Seehofer einzudocken und ist mitgetörnt.
(Beifall bei der LINKEN)
Im August 2013 hieß es, man wolle keinen Koalitionsvertrag ohne Maut unterschreiben. Eigenartigerweise hatte die Kanzlerin das irgendwie nicht so richtig ernst genommen oder nicht mitbekommen – keine Ahnung. Jedenfalls hat sie am 2. September 2013 eine ganz klare Ansage vor der Wahl getroffen: Mit mir wird es keine Maut geben. – Genau ein Jahr später – bemerkenswerterweise tatsächlich ein Jahr später – kam dann die ganz klare Ansage nach der Wahl. Es hieß – ich zitiere -: Um es ganz klar zu sagen: Sie steht im Koalitionsvertrag, und sie wird kommen. Die SPD ihrerseits als Koalitionspartner schlingert da jetzt so hinterher.
Nachdem es nun fünf Jahre gedauert hat, sprachen sich die SPD-Vertreter in der ersten Lesung zu Recht dafür aus, sich ausreichend Zeit zu lassen. Es seien ja noch so viele Fragen offen. Man wolle auch keinen Schnellschuss. – Ja, das sehe ich auch so, ist in Ordnung, okay. Und warum wollen wir es dann heute hier übers Knie brechen?
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In drei Ausschüssen gab es in einer Woche Anhörungen und Expertengespräche.
(Sören Bartol (SPD): Genau! Und BE-Gespräche!)
Die Fragen blieben nicht nur, sondern es sind mehr geworden. Die Experten widersprachen sich. Die EU-Kommission ihrerseits hält die Regelung immer noch für rechtswidrig und erwägt sogar – wie auch Österreich – dagegen zu klagen. Meine Damen und Herren, und so etwas soll der Bundespräsident unterschreiben?
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wovor Sie immer noch Angst haben, ist ja, dass die Länder den Vermittlungsausschuss anrufen könnten.
Wir als Opposition, die Grünen und die Linken, haben dann getan, was eine gute Opposition tun muss. Wir haben gesagt: Eigentlich muss man die ganze Kiste vertagen und muss weiter beraten, um einen seriösen Abschluss zu sichern.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch das haben Sie abgelehnt.
Am Montagabend dieser Woche – am 23. März – gab es dann eine Koalitionseinigung bei den Vignetten, und es gab die Vereinbarung, dass man in drei Jahren einmal schauen will, was herausgekommen ist. Na großartig! Am Mittwoch tagte abschließend der Verkehrsausschuss. Um 7.48 Uhr morgens sind die Anträge eingegangen. Um 8.45 Uhr hat der Ausschuss seine abschließende Beratung begonnen. Meine Damen und Herren, wenn es nicht so ernst wäre, könnten Sie die Nummer als Singspiel und Fastenpredigt auf dem bayerischen Nockherberg aufführen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir aber sind im Bundestag, und eine solche Politik, einen solchen Politikstil dürfen wir uns hier einfach nicht erlauben. Auch deshalb lehnen wir die Beratung der Maut heute ab.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)