Die Kolumne von Petra Sitte zum Zusammenhang von politischer Arbeit im Bundestag und den Entwicklungen im Wahlkreis.
In der 8. Ausgabe geht es um Frauen an den Unis und Promotionsförderung
Am 13. November 2015 gab es an der Martin-Luther-Universität etwas zu feiern. Denn vor 300 Jahren, also im Jahr 1715, wurde die erste promovierte Frau Deutschlands geboren. Die gebürtige Quedlinburgerin Dorothea Christiane Erxleben war Tochter eines Arztes. Zu ihrer Zeit durften Frauen keine höhere Bildung erfahren, geschweige denn an einer Universität studieren. Also lernte sie in der Praxis ihres Vaters alles, was sie als Medizinerin brauchte und übernahm nach dessen Tod sogar seine Patient/-innen. Ihre männlichen Kollegen störten sich sehr daran und versuchten stets ihren Ruf zu schädigen. Dorothea half sich, indem sie sich an Friedrich den Großen wandte, der wiederum die Universität in Halle anwies, Dorothea zur Promotion zuzulassen. 1754 reichte sie nun endlich ihre Dissertation ein und bestand sie mit großem Erfolg. Mit Dorothea Erxleben begann die Emanzipation der Frauen in der Wissenschaft.
1895 wurden Frauen als Gasthörerinnen an der Uni Halle zugelassen. Zuvor war das nur mit Ausnahmegenehmigung möglich. 1908/1909 erhielten sie endlich das Immatrikulations-, 1926 dann das Habilitationsrecht und die erste Privatdozentin wurde an der Uni Halle tätig. Während der Zeit des Nationalsozialismus sollte der Anteil aller Studierenden im Rahmen des ‚Gesetztes gegen die Überfüllung an deutschen Schulen und Hochschulen‘ auf unter 10% gesenkt werden. Dieses Gesetz wurde aber wieder aufgehoben, denn der Ausbau der Wehrmacht sorgte von selbst für einen akademischen Nachwuchsmangel, der nun wieder behoben werden sollte. Das führte in den Kriegsjahren zu einem rasanten Zuwachs weiblicher Studierender. In den Nachkriegsjahren gab es an der Uni Halle die erste Professorin für Rechtswissenschaft in Deutschland. Um dem Fachkräftemangel in der DDR entgegenzuwirken, wurden Frauen im und für das Studium besonders gefördert.
Wenn ich so auf die Geschichte der Frauen an meiner Alma Mater schaue, dann muss auch ich an meine Zeit als Studentin und Doktorandin denken. Heute verzeichnet die Uni mehr weibliche als männliche Studierende; 2014 waren es beispielsweise 11.422 Studentinnen (19.431 Studierende insgesamt). Und jedes Jahr schaffen genauso viele weibliche wie männliche Studierende einen erfolgreichen Abschluss. Betrachtet man aber die akademische Laufbahn der Studentinnen näher, so fällt auf, dass wir noch viel zu tun haben. Denn so schön die Zahlen der Studienabgänger/-innen auch aussehen mögen, so dramatisch geht die Schere auseinander, wenn es um Promotionen und Habilitationen geht. An der Uni Halle herrscht ein Professorinnen-Anteil von gerade einmal 18%. Deutschlandweit liegt dieser Anteil übrigens bei 20% inklusive der Juniorprofessorinnen. Frauen sind an den Unis heute formal gleichberechtigt, doch wird ihnen eine akademische Laufbahn sehr erschwert. Die ungenügende Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die informellen Strukturen des Wissenschaftssystems oder auch die Erwartungshaltungen gegenüber Leistungen und Karriereverlauf, können, neben den offensichtlichen diskriminierenden Erfahrungen, wie sexuelle Belästigungen, Hindernisse darstellen.
Was also tun? Es sind Förderprogramme für Doktorandinnen, Habilitandinnen und wissenschaftlichen Hilfskräfte nötig, mit denen es gute Erfahrungen in anderen Bundesländern gibt. Darüber hinaus braucht es Mentoringprogramme und Netzwerke für Studentinnen und Nachwuchswissenschaftlerinnen. Diskriminierungen aufgrund von Stereotypen und Vorurteilen gegenüber Frauen in Führungspositionen müssen mit gendersensibler Personalpolitik, etwa mit anonymisierte Bewerbungsverfahren, quotiert besetzten Kommissionen und familiengerechten Arbeitsbedingungen entgegengewirkt werden.
Natürlich müssen auch Veränderungen für alle Studierenden und für alle Nachwuchswissenschaftler/-innen eingeleitet werden. Die Promovierenden-Initiative in Halle fordert von der Universität, neben einem eigenen Promovierendenrat als Interessenvertretung, beispielsweise eine zentralisierte Erfassung aller Promovierenden um eine bessere Vernetzung zu ermöglichen. Sie wollen eine Beratungsstelle, die Promovierende über Finanzierungsmöglichkeiten fundiert aufklären kann. Von Land und Bund erwarten sie darüber hinaus zum Beispiel die Einrichtung von Promotionsstellen mit Arbeitsbefristungen, die der zu erwartenden Promotionsdauer entsprechen und angemessen entlohnt sind.
2007 wurde mit der Mehrheit der Großen Koalition im Bundestag das Wissenschaftszeitvertragsgesetz beschlossen, das eine Art Sonderbefristungsrecht für Nachwuchswissenschaftlerinnen darstellt. Unsere Fraktion hat dies von Anfang an kritisiert, denn auf diese Weise wurden die prekären Bedingungen an unseren Unis auch noch gesetzlich festgeschrieben. So etwa wurde festgelegt, dass innerhalb von 12 Jahren Mehrfachbefristungen möglich sind und dass die Tarifpartner keine anderslautenden Festlegungen treffen dürfen. Wir haben gemeinsam mit den Gewerkschaften GEW und ver.di immer wieder Änderungen eingefordert, aber erst jetzt, im November 2015 waren Union und SPD zu Verbesserungen bereit. So soll es jetzt immerhin Mindestlaufzeiten bei den Fristverträgen geben und Verbesserungen bei der Anrechnung von Erziehungszeiten umgesetzt werden. Außerdem soll eine statistische Erfassung der Studierenden und des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland stattfinden. Diese Daten sind entscheidend für die Hochschulpolitik und -planung.
Die Promovierenden-Initiative der Uni Halle sieht hier allerdings noch Überarbeitungsbedarf. Zum Beispiel müssen Promotionsstipendiat/-innen ihre Krankenversicherungskosten und Rentenbeiträge als freiwillig Versicherte selbst tragen, was nicht selten zu prekären Lebensumständen trotz eines Stipendiums führt. Laut der Promovierenden-Initiative rechnen Unis gern die Dauer eines Stipendiums auf einen potenziellen Arbeitsvertrag an. Außerdem werden Kurzzeitverträge gern mit einer Flexibilisierung begründet. Die Promovierenden-Initiative bringt darum einen eigenen Novellierungsantrag ein, der auf diese Kritikpunkte Bezug nimmt.
Meine Fraktion kann diese Kritikpunkte nachvollziehen. Wir sind der Meinung, dass eine Promotion die erste Phase der wissenschaftlichen Berufstätigkeit ist und daher angemessen und sozialversicherungspflichtig entlohnt werden muss. Wir wollen die Situation der Promovierenden langfristig verbessern, sodass beispielsweise ein Stipendium nur noch eine zusätzliche Förderung zu einem sonst gesicherten Lebensunterhalt darstellt. Zudem müssen wir das Grundproblem an der Wurzel packen: Daueraufgaben müssen auch durch Dauerstellen abgedeckt werden. Es kann nicht sein, dass der einzige Weg einer Berufstätigkeit als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler die kaum noch vorhandenen Professuren sind. Heute sind 8 von 9 Stellen angestellter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befristet. Der Großteil davon sind nicht einmal volle Stellen. Wir brauchen endlich Berufsperspektiven neben der Professur – das können dauerhafte Juniorprofessuren, wissenschaftliche Mitarbeiterstellen oder auch Dozenturen sein. Wichtig ist, dass sie eine gewisse Sicherheit und damit auch eine wissenschaftliche Eigenständigkeit bieten. Nur dann sind sie attraktiv – ganz sicher besonders für die vielen Frauen, die derzeit bei uns studieren bzw. promovieren und so