Die aktuellen Urheberrechtsregelungen sind keine Erleichterung für Bildung, Wissenschaft und Forschung

TOP 11) Beratung des Antrags der Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt Zugang zu Wissen erleichtern – Urheberrecht bildungs- und wissenschaftsfreundlich gestalten, Drucksache 18/8245

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Petra, man sieht dich gar nicht richtig! – Heiterkeit)

– Wichtig ist das Hören, das Sehen ist nicht so wichtig. – Ich möchte mit Blick auf den Sommer, die Urlaubszeit oder auch das Halbfinale der Fußball-EM mit folgendem Satz beginnen: „Komm, wir gehen!“

(Beifall des Abg. Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das sagte Estragon zu seinem Freund Wladimir. Der antwortete: „Wir können nicht.“ Darauf Estragon: „Warum nicht?“ Wladimir: „Wir warten auf Godot.“ Estragon: „Ah!“ – Theaterfreunde wissen: Das ist der Schlüsseldialog aus Samuel Becketts berühmten Stück Warten auf Godot. Der traurige Clou ist: Das Warten bringt nichts, Godot kommt nicht. Nun weiß aber auch niemand, wer oder was Godot eigentlich ist.

(Christian Flisek (SPD): Wir wissen, dass er kommt!)

Das lässt Beckett offen, und mich beschleicht nun das Gefühl: Wir wissen ziemlich genau, was Godot ist.

(Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo? Wo?)

Seit mindestens zwölf Jahren wird über die Einführung einer allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht debattiert. Dabei geht es um den freien Zugang zu allen Werkarten zum nicht kommerziellen Zweck von Wissenschaft, Bildung und Forschung. Und Herr Heck: Immer dort, wo man eine Schranke einsetzt, gibt es pauschale Vergütungsregelungen. Das haben Sie nicht sauber dargestellt.

(Beifall bei der LINKEN)

Damals wurde vom Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ das Prinzip skizziert. Wir Linken haben dazu erstmals vor neun Jahren Anträge gestellt. Andere folgten und haben vergleichbare oder ähnliche Anträge gestellt. Es folgten dann Jahr um Jahr Empfehlungen, Vorschläge und Anträge. In diese lange Reihe stellt sich nun auch der völlig richtige Antrag von den Bündnisgrünen.

(Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke für die Zustimmung!)

Allein, die Wissenschafts- und Bildungsschranke kommt nicht, und die Realität in Schulen und Hochschulen bleibt frustrierend. Die aktuellen Urheberrechtsregelungen sind eben keine Erleichterung für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Meine Damen und Herren, Warten auf Godot gilt als Meisterstück des absurden Theaters, nicht zuletzt deshalb, weil zwischenzeitlich ein ominöser Bote Estragon und Wladimir ankündigt, Godot werde kommen. Die Große Koalition steht in Sachen Absurdität in diesen Fragen dem Theaterstück in nichts nach;

(Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Solange er nicht gestorben ist, wartet er immer noch!)

denn auch Sie kündigen nun schon zum wiederholten Mal an, die Schranke komme.

(Marianne Schieder (SPD): Sie kommt auch!)

Im Koalitionsvertrag von 2013 finden wir sie, auch in der Digitalen Agenda der Bundesregierung vom Sommer 2014.

(Tankred Schipanski (CDU/CSU): Sehr richtig!)

Im November 2014 haben wir hier zuletzt über diese Fragen debattiert. Damals hieß es, die Koalition sei ein Jahr nach Amtsantritt noch in intensiven Diskussionen.

(Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dabei sind sie geblieben!)

Das ist nun allerdings auch schon wieder 20 Monate her.

(Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Intensiv eben! Das braucht Zeit!)

Zwischenzeitlich hat die Koalition einen Antrag durch den Bundestag gebracht. Was enthält er? – Man fordert die Einführung der Schranke.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir aber warten wie Estragon und Wladimir immer noch.

Eigentlich kann die Bundesregierung Absurdität sogar noch besser als Beckett; denn im Gegensatz zu Godot ist längst bekannt, wie die Bildungs- und Wissenschaftsschranke ausgestaltet werden könnte. Ich erinnere an unsere letzte Debatte vor 20 Monaten, in der ich gesagt habe – es ist kuschelig, wenn man sich selbst zitiert -: Frau Professor de la Durantaye von der Humboldt-Universität zu Berlin hat im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung genau jene Regelung ausformuliert – in Ihrem Auftrag. – Wir haben alles da; wir müssen es nur beschließen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also sagen wir einmal: Der Godot der Bundesregierung hat es bis vor die Tür geschafft.

(Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Wanka!)

Lassen Sie ihn endlich rein, oder, liebe Damen und Herren von der Koalition, machen Sie sich ehrlich und erklären Sie den Menschen in Bildung, Wissenschaft und Forschung, warum Sie kein Interesse an deren Arbeitsbedingungen und ihren eigenen Versprechen gegenüber den Betroffenen haben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Estragon und Wanka!)