TOP 39) Beratung Unterrichtung durch die Bundesregierung Legislaturbericht Digitale Agenda 2014 bis 2017; Drucksache 18/12130
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Guten Morgen, meine Damen und Herren!
Mit der Vorlage des Legislaturberichts Digitale Agenda ruft uns die Bundesregierung in Erinnerung, dass sie eine digitale Agenda hat.
(Sören Bartol (SPD): Ach, bitte! Was soll denn das?)
Dies in Erinnerung zu rufen, scheint tatsächlich notwendig zu sein; denn viel zu spüren ist davon eigentlich nicht. Damit will ich nicht sagen, dass sich nicht in verschiedenen Bereichen eine ganze Menge abgespielt hat; aber manches läuft eher als Trauerspiel. Die Zeiten, in denen man sich noch auf die Schulter klopfen lassen konnte, wenn man überhaupt Digitalpolitik gemacht hat, sind lange vorbei. Es geht darum, wie diese Politik aussehen soll. Eine Agenda muss deutlich mehr bieten als schöne Worte und ein Sammelsurium vieler einzelner Projekte, die sich in diesem Papier wiederfinden.
Wie wenig der vorliegende Bericht mit Strategie zu tun hat, zeigt sich daran, dass darin beispielsweise zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz nicht ein Wort steht, und das ist nun wirklich ein gewichtiges Vorhaben. Das wird auch an dem deutlich, was Frau Ministerin gerade gesagt hat. Sie weiß nicht, ob Herr Dobrindt zu diesem Thema redet. Nun mag man das als Kleinigkeit bezeichnen. Aber es zeigt, dass die Ministerien nebeneinanderher arbeiten, ohne tatsächlich koordiniert und abgestimmt zu wirken.
(Beifall bei der LINKEN)
Das heißt, Ihre Digitalisierungspolitik schleppt sich ein wenig visionslos dahin. Aber in der Mitte von Schwierigkeiten liegen Möglichkeiten. Lassen Sie mich die drei Kernziele, die Sie sich selbst gesetzt haben, anhand von Beispielen durchgehen.
Erstens: Wachstum und Beschäftigung; Sie hatten es gerade erwähnt. Da ist von gutem Arbeiten in der digitalen Welt die Rede. Gekommen ist jetzt erst einmal nur ein Dialogprozess. Es fehlen nach wie vor konkrete Antworten, etwa auf die Frage: Wie sollen die Gewinne der Digitalisierung später auch den Beschäftigten zugutekommen können, statt die Lage der Beschäftigten, wie befürchtet wird und wie Studien zum Teil zeigen, noch prekärer zu machen? Die Antwort auf diese Frage drängt, weil man das nicht dem freien Markt überlassen kann, weil wir bei diesen Themen auch ordnungspolitisch denken müssen und weil wir dazu eine gemeinsame Grundsatzentscheidung inhaltlicher Art herbeiführen müssen.
Zweitens: Zugang und Teilhabe. Den Zirkus, den Sie hier in den letzten Jahren zur Störerhaftung bei WLAN veranstaltet haben, hatten wir gestern Nacht gerade erst auf der Tagesordnung; ich will da nur auf meine Rede verweisen. Zur Netzinfrastruktur wird mein Kollege Herbert Behrens nachher noch etwas sagen; auch das ist nicht unbedingt ein Ruhmesblatt für die Bundesregierung.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich beschränke mich mit Blick auf Teilhabe auf die Frage, warum die Reform des Urheberrechts auf halbem Wege stehen bleibt, obwohl der Koalitionsvertrag mehr versprochen hat. Jetzt kommen zwar endlich Regelungen für den Bildungs- und Wissenschaftsbereich; aber diese Kuh ist noch nicht vom Eis. Ich hoffe, dass Sie bzw. wir das noch hinbekommen. Aber wir haben nur noch zwei Sitzungswochen, und mir scheint, dass mit den Verlagen im Hintergrund eine Menge verhandelt wird.
(Volker Kauder (CDU/CSU): Ach was!)
Das wäre zumindest ein Baustein der dringend notwendigen Modernisierung. Wir bräuchten zudem eine Reform des Urhebervertragsrechts, um die Urheber ausdrücklich besserzustellen, und ein Urheberrecht, das die Nutzungsformen des digitalen Zeitalters konsequent anerkennt.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und Herr Maas ist nicht mal da!)
– Das habe ich leider nicht verstanden; aber das klären wir später.
(Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Justizminister ist nicht da! – Zuruf von der LINKEN: Das war auch nicht so wichtig!)
– Aha, okay.
Drittens: Vertrauen und Sicherheit. Weiter kann die Schere zwischen Anspruch und Realität wirklich nicht mehr auseinandergehen als in Ihrem Regierungshandeln. Auf der einen Seite betonen Sie – völlig zu Recht – die Bedeutung von IT-Sicherheit und vertraulicher Kommunikation. Auf der anderen Seite soll sie so sicher dann doch nicht sein, wenn es einem politisch in den Kram passt. Warum halten Sie also daran fest, dass deutsche Behörden IT-Sicherheitslücken sammeln können, statt sie zu schließen? Das wäre doch originäre Aufgabe des Staates.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sogar den Einsatz von Staatstrojanern wollen Sie jetzt umfassend freigeben. Ich finde diese Entwicklung völlig absurd.
Dass sich dieser Widerspruch nicht einfach auflösen lassen wird, zeigt beispielsweise der große Angriff der Schadsoftware WannaCry vor wenigen Wochen. Das war der größte je erfolgte Angriff, und zwar unter Verwendung einer Technologie, mit der die NSA eine Sicherheitslücke ausgenutzt hat, die schon vor Jahren hätte geschlossen werden können.
Wie müsste also eine digitale Agenda aussehen, die ihren Namen verdient?
Zunächst einmal müsste sie den Mut haben, politische Verantwortung zu tragen. Wir brauchen jetzt Entscheidungen, um die gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung in allen Politikbereichen zu gestalten.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie müsste konsequent die Planung und Koordinierung des Regierungshandelns umfassen, anstatt die teilzuständigen Ministerien – es sind vier bis sechs; man streitet sich hier – nebeneinander und gegeneinander arbeiten zu lassen.
Für den Bundestag hieße das weiterführend, dass der Ausschuss Digitale Agenda mehr Verantwortung tragen müsste. Dieser Ausschuss müsste mit den anderen Ausschüssen auf Augenhöhe arbeiten und demzufolge hier die Federführung haben. Das wäre ein längst fälliger Schritt. Vielleicht wird es der erste in der nächsten Legislatur.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)