Ende Mai fand der Kirchentag in unter anderem Sachsen-Anhalt statt und 2017 ist ja das Lutherjahr schlechthin. Auf allen Kanälen und Ebenen wird es sehr spirituell bis religiös. Mit dem streitbaren Menschen Martin Luther und seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern wird sich intensiv auseinandergesetzt – so zum Beispiel auch in unserer Kolumne Die vergessenen Reformatoren vom Februar dieses Jahres – Kirchen feiern ökumenische Gottesdienste, es gibt zahlreiche Diskussionsveranstaltungen und kulturelle Angebote, wie die Weltausstellung Reformation in der Lutherstadt Wittenberg und vieles mehr.
Die Religion und der Glaube zählen zurzeit zu den Topthemen; nicht nur im Sinne einer Lutherdekade und ihren dazugehörigen Festlichkeiten. Menschen werden aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit nach wie vor ausgegrenzt, angefeindet und angegriffen. Der Islam wird mit Terror gleichgesetzt und auch der Hass auf Juden wird von diversen VolksverhetzerInnen propagiert. Das Christentum, Judentum, der Islam und auch der Hinduismus und der Buddhismus bilden die großen Weltreligionen. Wenn Menschen sich dazu entscheiden, an einen Gott oder etwas Ähnliches glauben zu wollen, so sollen sie dies ungestört und frei tun dürfen – ohne anderen zu schaden. Gleiches gilt für jene, die sich entschieden haben, nicht an etwas wie einen Gott zu glauben. Jene Menschen bezeichnen ihre Gemeinschaft nichtreligiöser Menschen beispielsweise als Humanismus.
Der DUDEN sagt, dass der Humanismus ein Streben nach Menschlichkeit ist. Humanistische Menschen denken und handeln im Bewusstsein der Würde des Menschen. Laut dem Humanistischen Selbstverständnis 2015 sind 31 % der Menschen in Deutschland nicht religiös und auch nicht in Gemeinschaften organisiert. Doch auch sie erwarten eine Gleichbehandlung gegenüber den Religionsgemeinden. Dafür tritt der Humanistische Verband Deutschland ein.
Nichtreligiöse Menschen erfahren alltägliche Benachteiligungen, die die Autoren Michael Bauer und Arik Platzek in ihrem Bericht Gläserne Wände (2015)¹ festgehalten haben. Darin fordern sie beispielsweise die Abwesenheit religiöser Symbole in öffentlichen Räumen. Das gilt auch für Schulen. Alternativ können in Bildungseinrichtungen auch alle religiösen Symbole hängen, die die Religionen und Weltanschauungen der Schülerschaft repräsentieren. Außerdem soll das Unterrichtsfach Humanistische Lebenskunde analog zum Religionsunterricht angeboten werden. Ähnliches soll auch im universitären Bereich stattfinden. Hier gibt es zwar Institute für Theologie, Judaistik und Islamwissenschaft, aber keine Lehrstühle oder Studiengänge für Humanismus bzw. humanistische Studien. Auch bei den Begabtenförderwerken haben Studierende lediglich die Wahl zwischen Stiftungen, die entweder Kirchen oder Parteien nahestehen. Ein humanistisches Begabtenförderwerk könnte hier eine mögliche Ergänzung und Erweiterung darstellen. Und wie sieht das im Alltags- und Berufsleben aus? Es gibt zahlreiche religiöse Feiertage, an denen Menschen, ob religiös oder nicht, arbeitsfrei bekommen, um dem jeweiligen Anlass zu gedenken. Dementsprechend wäre es doch nur fair, wenn der 21. Juni (also der Welthumanistentag) anerkannt und so mit anderen religiösen Feiertagen gleichgestellt und damit auch frei wäre. So fordert es zumindest der Bericht. Und was ist mit dem Tanzverbot an sogenannten ‚stillen Feiertagen‘ oder der Kirchensteuer?
Für Humanistinnen und Humanisten, aber auch für DIE LINKE. im Bundestag ist eine Trennung von Staat und Kirche unabdingbar. Religiöse und nichtreligiöse Gemeinschaften sollen gleiche Rechte genießen. Keine/r soll bevorzugt oder benachteiligt werden. Die Religion ist Privatsache und ihre Ausübung darf weder unterdrückt noch verboten werden. Ein verpflichtender Ethikunterricht an allen Schulen sei daher zu unterstützen. Wird parallel dazu ein freiwilliger Religionsunterricht angeboten, so darf hier nicht eine Konfession überwiegen, sondern müssen alle Glaubensrichtungen gleichermaßen Berücksichtigung finden.
Der Welthumanistentag wird in diesem Jahr schon vom 15. bis 18. Juni 2017 in Nürnberg gefeiert. Unter dem Motto Menschen. Berühren. gibt es einen Markt der Möglichkeiten sowie Vorträge, Podiumsdiskussionen und Filme zur humanistischen Pädagogik, über die Verfolgung Andersdenkender, über Verschwörungstheorien, humanistische Ethik und natürlich über Gott und die Welt.
Wer aber nicht erst bis nach Nürnberg reisen möchte, um Humanistinnen und Humanisten kennenzulernen, der kann sich auch in Halle mal im Humanistischen Regionalverband umschauen. Dort wird nämlich auch einiges geboten: Am 26. Juni findet um 14:30 Uhr ein Vortrag zum Thema Pro Humanismus – Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) und die Tradition des Humanismus und der Freidenker mit Dr. habil. Groschopp statt, der sein neues Buch vorstellen wird. Darüber hinaus bietet das Bürgerhaus des Regionalverbandes in seinen Räumlichkeiten Musikunterricht, Familien- und Jugendfeiern, Ferienangebote, Kreativkurse und auch Schuldner- und Insolvenzberatungen an.
Als Humanistinnen und Humanisten sollten sich alle Menschen verstehen. Wir reden ja auch ständig von den humanistischen Werten, die wir alle vertreten wollen und sollen. Wir sollten Menschen respektieren, wie sie sind und sie nicht aufgrund irgendeiner Glaubenszugehörigkeit ausgrenzen, verurteilen oder ihnen die Fähigkeit selbstständigen Denkens absprechen. Toleranz und Solidarität, genauso wie Nächstenliebe, sind vereinende Ziele und Grundwerte, die über die Glaubensgrenzen hinaus Gültigkeit besitzen.
¹Bauer, Michael / Platzek, Arik (2015): Gläserne Wände. Bericht zur Benachteiligung nichtreligiöser Menschen in Deutschland. Humanistischer Verband Deutschlands.
Danke an Radio Corax für die Bereitstellung des Aufnahmestudios.