Am Wochenende hat die CDU einen sogenannten „Kompromiss zum Urheberrecht“ veröffentlicht, mit dem angeblich eine Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform ohne Einführung von Uploadfiltern möglich sein soll. Eine bemerkenswerte Behauptung, ist die einhellige Fachmeinung doch eigentlich, dass genau das nicht geht.
Eine genauere Analyse des Textes zeigt aber: Es handelt sich schlicht um eine Nebelkerze. Die Formulierungen winden sich um Widersprüchlichkeiten und offene Fragen herum, um es irgendwie allen recht zu machen. So kann man Grußwörter schreiben, aber keine Vorschläge für Umsetzungen von Richtlinien in nationales Recht.
Um die Probleme konkret zu benennen: Der Text kündigt am Ende eine Schranke an, also eine allgemeine Erlaubnis im Urheberrecht, bezieht sich aber sonst die ganze Zeit auf Lizenzen, also Vereinbarungen, die sonst nicht erlaubte Nutzungen ermöglichen. Diese beiden Ansätze schließen sich aus, es bleibt aber unklar wo in dem Vorschlag welcher der beiden gemeint ist. Es soll „Pauschallizenzen“ (also laut Erläuterung eigentlich eine Schranke) für „alle Inhalte“ geben – soll das heißen, dass sich in Zukunft etwa ganze Kinofilme völlig legal auf Youtube hochladen lassen? So kann es, vermutet man, auch wieder nicht gemeint sein.
Die Antwort könnte die „zeitliche Grenze“ sein, ab der die Plattform Lizenzen gegen Gebühr erwerben „muss“ – falls damit auf einmal doch keine Schranke gemeint ist. Stellt sich nur die Frage, was ist eine „zeitliche Grenze“ bei Fotos, Texten oder Computerprogrammen? Was passiert, wenn eine Lizenz gar nicht zum Erwerb steht? Denn das soll ja nur für Werke gelten, die einen „digitalen Fingerprint“ haben. Und wenn den nun jemand einfach entfernt und das Werk so hochlädt? Und muss jede Plattform der Welt eine Lizenz dafür erwerben, selbst wenn sie etwa auf Kochanleitungen spezialisiert ist?
Vielleicht ist ja doch eine vergütete Schranke gemeint. Aber was ist denn dann mit unserem Kinofilm? Ist er am Ende doch legal? Oder gilt die Schranke nur für Werke mit „Fingerprint“? Aber was ist dann mit allen anderen, die doch immer noch von der Richtlinie erfasst wären? Wenn auch nur ein Werk durchs Raster fällt, wird man am Ende doch wieder Filter brauchen.
Am Ende tut man dem Text aber wohl unrecht, wenn man ihn so betrachtet, als wäre er tatsächlich ein ernst gemeinter Vorschlag. Wenn sich dahinter tatsächlich ein richtlinienkonformer Gesetzesentwurf verbergen sollte, hätte man ihn schon bei der geltenden Rechtslage längst so beschließen können. Und Zeit nehmen, um diesen offensichtlich eiligst zusammengezimmerten Text tatsächlich auf rechtliche oder auch nur logische Machbarkeit zu überprüfen, will man sich ganz offensichtlich nicht.
In Wahrheit geht es nur um eins: Den Abgeordneten der Union im Europaparlament eine mehr oder weniger plausible Ausrede zu liefern, die Urheberrechtsreform in der kommenden Woche gegen alle Widerstände durchzuwinken.
Das zeigt, dass die Proteste der letzten Wochen ihre Wirkung nicht verfehlen. Es zeigt auch, wie wenig der vorliegende Reformentwurf tatsächlich auf seine Konsequenzen hin durchdacht wurde. Bei der Abstimmung in der kommenden Woche muss die Notbremse gezogen werden, um endlich eine ausgewogene und gründliche Debatte über die Anforderungen an ein modernes Urheberrecht zu ermöglichen.