Was tun Doktorand*innen auf Sylt? Sie machen sich zurecht schwere Gedanken über ihre Zukunft. So geschehen im Juni auf einem Doktorand*innentreffen, das über eine Projektgruppe der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) organisiert wurde. Vier Tage lang traten sie in einen Austausch über die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hochschulen.
Dabei wird der Begriff Nachwuchs gar nicht gern gehört, denn er lässt an Kinder oder Säuglinge denken, die noch betreut werden müssen. Von Augenhöhe und Gleichberechtigung kann man dabei kaum sprechen, obwohl doch Wissenschaftler*innen in Qualifizierungsphasen – eine schon eher akzeptable Begrifflichkeit – längst aus dem Kleinkindalter rausgewachsen sind und mit ihren Promotionsprojekten die ersten wissenschaftlichen Tätigkeiten betreiben. Sie studieren nicht mehr, wie es gerne heißt, auch wenn der Begriff Promotionsstudium das durchaus noch impliziert.
Es gibt verschiedene Wege des Promovierens: Als Wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in (WiMi), über Drittmittelprojekte, Stipendien und Kollegs oder komplett extern im außeruniversitären Kontext. All diese Statusgruppen zählen nicht mehr zu den Studierenden, aber auch nicht – mit Ausnahme der WiMis – zum wissenschaftlichen Personal einer Universität. Sie haben somit keine eigene Interessenvertretung, obwohl der Mittelbau, dem sie angehören, eine wichtige Rolle einnimmt, denn er stemmt den Großteil der Lehrveranstaltungen, treibt die Forschung voran und sorgt durch die Qualifizierungsphase für den Erhalt des Uni-Systems. Ohne Mittelbau wird es schließlich irgendwann keine Lehrstühle mehr geben und dennoch wird er gnadenlos ausgebeutet.
Denn es gibt da so ein nettes Gesetz wie das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), zu dem es unlängst an der Uni Halle eine Podiumsdiskussion der GEW gegeben hat. Die dort getätigten Statements waren teilweise haarsträubend. Der Befristungswahn an den Hochschulen, der durch das WissZeitVG unterstützt wird – wenn auch sachgrundlose Befristungen nicht mehr zulässig sind – sorgt für sehr fragliche Ansichten. Da wird doch tatsächlich behauptet, die Befristungen seien ein gutes Mittel zur Motivation, da niemand Interesse daran habe, das Forschungsarbeiten bis zu zehn Jahre benötigen, um abgeschlossen zu werden. So eine Äußerung stammt von einer Wissenschaftlerin, die doch am Besten wissen müsste, welche Faktoren bei der Verzögerung von Forschungsprozessen eine Rolle spielen können: Fehlende Ressourcen, erschwerter Zugang zu speziellen Forschungsgerätschaften oder -einrichtungen, persönliche Gründe wie ein Pflegefall in der Familie oder Schwangerschaft oder schlicht durch die Befristungen ausgelösten Belastungen. Wer stets damit beschäftigt ist, Verlängerungsanträge zu stellen und immer auf gepackten Koffern sitzt, weil sie*er nicht weiß, ob die Forschung weiter bewilligt wird, die*der arbeitet nicht motiviert, sondern unter einem krankmachenden Leistungsdruck. (Ironie On) Aber ja, Befristungen sind ein Segen und Motivationsmittel. Wer braucht schon qualitativ hochwertige Forschung, wenn wir Wissenschaftler*innen über ein prekäres System in Existenznot bringen, was sie dazu zwingt in kürzester Zeit möglichst irgendwelche Ergebnisse zu liefern (Ironie off). Je länger die Forschung anhält, umso stärker sinke der Marktwert von Wissenschaftler*innen, sagte ein*e weitere*r Diskussionsteilnehmer*in. Es ist schon empörend von Marktwerten zu sprechen, wenn es um Menschen geht. Die Wissenschaft lebt von der Forschung. Wie kann in Qualifikationsphasen ein Marktwert sinken, wenn Qualifizierung, Forschung und wissenschaftliche Erkenntnisse eben gerade durch ihre Dauer an Qualität gewinnen? Wir können Wissenschaft als Ramsch-Produkt begreifen, dass zu Niedrigpreisen verschleudert wird. Dann sollten wir uns aber nicht über sogenannte Fake News und Misstrauen gegenüber der Wissenschaft wundern.
Nein, das WissZeitVG ist kein super Motivationsmittel, sondern eine Herabwürdigung wissenschaftlicher Leistungen und muss dringend und grundlegend überarbeitet werden. An der Evaluation des WissZeitVG arbeiten bereits verschiedene Interessengruppen, darunter die GEW, die in ihrem Templiner Manifest schon seit neun Jahren gute Bedingungen für die Wissenschaft fordert. Aber auch meine Fraktion im Deutschen Bundestag hat klare Vorstellungen von guter Arbeit in der Wissenschaft: Wir fordern beispielsweise, dass die familien- und behindertenpolitische Komponente rechtssicher ist – also das es einen Rechtsanspruch auf Vertragsverlängerung um zwei Jahre gibt. Wir fordern Dauerstellen für Daueraufgaben, ein Ende des Prekariats in der Wissenschaft und der Ausbeutung von Lehrbeauftragten und nicht wissenschaftlichem Personal. Honorare für Lehrbeauftragte müssen deutlich erhöht sowie die Vor- und Nachbereitungszeit vergütet werden. Kettenbefristungen sollen ein Ende haben. In Qualifizierungsphasen soll es hauptsächlich um die Forschung und nicht um die Lehre gehen. Zentrale Lehraufgaben müssen über feste und unbefristete Stellen geleistet werden. Lehraufträge sollen nicht die Regel sein, sondern zugunsten von Arbeitsverträgen verringert werden.
Gute Arbeit in der Wissenschaft sichert qualitative Forschung und Lehre. Massenabfertigungen zu Dumping-Konditionen nützen niemandem etwas und löst auch keine Probleme. Wer gute Wissenschaft und Lehre will, muss in die Köpfe, die sie betreiben, investieren.