Braucht es ein Digitalministerium: ja oder nein?

Interview von Petra mit dem Portal mitmischen.de zur Idee eines Bundesministerium für Digitalisierung (alle Interviewpartner*innen findet ihr hier: https://www.mitmischen.de/top-thema/verkehr-und-digitale-infrastruktur/digitalministerium/was-halten-sie-von-einem-digitalministerium)

 

Die FDP-Fraktion fordert ein Digitalministerium. Eine gute Idee?

Nicht unbedingt – oder jedenfalls löst das alleine noch nicht die Probleme, die wir haben.

Was spricht dafür beziehungsweise dagegen? 

Digitale Themen spielen in jedem Politikbereich eine Rolle, also müssen sie überall mitgedacht werden. Im Moment verfolgt dort jedes Ministerium seine eigenen Vorstellungen, und dazu kommen dann zig Stellen und Gremien, die das alles koordinieren sollen – im Kanzleramt, im Digitalrat, im Digitalkabinett… Was vor allem fehlt, ist eine vernünftige Absprache und eine einheitliche, übergeordnete Strategie. Vielleicht kann ein Digitalministerium dabei helfen, aber wenn nicht jedes Ministerium seinen Beitrag leistet und die Bundesregierung klare Vorstellung zur Gestaltung der Digitalisierung entwickelt, ist es einfach nur ein Gremium mehr, dass sich im Zweifel nicht besser gegen die Interessen in anderen Ministerien durchsetzen kann als das Umweltministerium beim Klimaschutz.

Oft liest man, Deutschland läge im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung weit zurück. Woran genau kann man das festmachen, warum ist das so und wer ist dafür verantwortlich?

Das fängt schon bei den ganz grundlegenden Sachen an, also beim Netz selbst. Wenn man sich die Funklöcher und die fehlenden Glasfaser-Leitungen in Deutschland anguckt und mit anderen Ländern vergleicht, sieht man, was für ein Rückstand da ist. Verantwortlich dafür sind die Regierungen der letzten Wahlperioden, die falsche Weichenstellungen der Vergangenheit nicht korrigiert haben und zu lange darauf gesetzt haben, dass sich die Sache von selbst regelt. Leider muss man sagen – so absurd das aus heutiger Sicht klingt –, dass viele in der Politik lange so getan haben, als wäre das Internet und die damit einhergehenden Änderungen eine vorübergehende Erscheinung. Und dieses Denken hat heute noch Einfluss auf die Gesetzgebung, wie man etwa an den Diskussionen zu Urheberrecht und Upload-Filtern sieht.

Was muss jetzt schnellstens geschehen?

Beim Netzausbau muss der Staat aufhören, das der Privatwirtschaft zu überlassen, und selbst Geld in die Hand nehmen, um Infrastruktur in öffentlichem Eigentum aufzubauen. Was die Digitalisierung insgesamt angeht, da gibt es natürlich viele Baustellen. Aber was wirklich notwendig wäre, wären ein paar klare Grundsatz-Entscheidungen: Ja zur Förderung von Verschlüsselung und zum Schließen von Sicherheitslücken, anstatt das für einen „Cyberkrieg“ aufzubrechen. Ja zu einem offenen Zugang zu Wissen statt staatlicher Geheimniskrämerei und dem Bedienen von Geschäftsinteressen.

Was sind in Ihren Augen die größten Chancen der Digitalisierung? 

Die größte Chance der Digitalisierung sehe ich dort, wo sie Menschen miteinander in Verbindungen bringen kann, wo sie also Austausch, Verständigung und Kooperation über früher vorhandene Hürden und Grenzen hinweg ermöglicht und den Zugang zu Wissen und Handlungsmöglichkeiten erleichtert. Auch wenn sich hier schon viel geändert hat im Vergleich zu früheren Zeiten, sind die Potenziale noch gewaltig.

Sehen Sie auch Risiken? Wie begegnet man denen am besten? 

Das größte Risiko scheint mir die Machtanhäufung, die wir bei privaten Monopolisten wie Google, Facebook, Amazon und so weiter beobachten, und die Gefahr, dass sich das weiter ausweitet und zu einer Privatisierung von öffentlichen Räumen und verschärfter Ausbeutung führt. Um dem zu begegnen, muss man sehr grundsätzlich über die Regulierung solcher Plattformen nachdenken, was sich natürlich nicht nur allein in Deutschland denken lässt. Und wir brauchen ein Bewusstsein dafür, dass es auch öffentliche und demokratisch organisierte, am Gemeinwohl ausgerichtete Alternativen geben kann und wir diesen Weg gehen müssen.