234. Sitzung vom 11.06.2021 TOP 41 Digitale Ökonomie, Wissenschaftstransfer. Anträge: Klick
Dr. Petra Sitte (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liest man FDP-Anträge – nicht nur diesen Antrag –, spürt man die Angst, der Untergang des Abendlandes stünde bevor, wenn wir in Deutschland Tarifverträge, Arbeitsrecht und Unternehmensteuern stärken. Zur Beruhigung: Der Untergang bleibt aus; er ist auch ausgeblieben. Bereits seit 70 Jahren sind diese gelebte Realität in diesem Land oder, um es mit den Worten der FDP zu sagen: Leistung muss sich lohnen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Beifall der Abg. Mario Brandenburg [Südpfalz] [FDP] und Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP])
Zugleich staunt man, wie selbstverständlich Sie in diesem Antrag zugleich fordern, der Staat möge Unternehmen Liegenschaften bereitstellen, er möge für bessere Bildung sorgen, er möge attraktive Wohnungen und Wohnumgebung bereitstellen, er möge Breitbandleitungen verlegen.
(Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])
Ja, alles richtig. Das sind wichtige Ziele; da muss sich die öffentliche Hand engagieren. Immerhin: Ihr gelobter Markt hat in diesen Bereichen versagt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wenn Wirtschaft, wenn Gesellschaft, wenn Menschen – ja, auch die Wirtschaft – Nutznießer sein sollen, muss sich die öffentliche Hand rühren. Das haben wir als Linke schon seit vielen Jahren in diesem Hause vertreten. Aber was wir nicht brauchen, sind Sonderwirtschaftszonen in Deutschland. Wir brauchen auch keine sogenannten Maquiladoras. Das sind diese Fabriken entlang der mexikanischen Grenzlinie zur USA. Dort werden zu Niedrigstlöhnen Einzelteile für multinationale Konzerne zusammengesetzt.
(Lachen bei der FDP)
Verlängerte Werkbänke, meine Damen und Herren, kennen wir auch im Osten sehr gut. Wollen wir nicht mehr. Wir wollen mehr!
(Beifall bei der LINKEN)
Und ich will es noch einmal in Richtung der FDP ausdrücklich sagen: Erstens. Erfindungen und Innovationen brauchen auch Zeit. Sie brauchen auch verlässliche Rahmenbedingungen. Und deshalb müssen kurze Projektförderungen und teils noch kürzere Arbeitsverträge endlich überwunden werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweitens. Öffentlich geförderte Forschung ist eben mehr als Industrie- und Produktforschung. Gerade öffentlich geförderte Forschung muss auch dem öffentlichen Interesse, dem Gemeinwohl, dienen – gerade jetzt! Wir stehen mitten vor gesellschaftlichen Herausforderungen: Klimawandel, Coronakrise – sie meinen wir gerade fast überwunden zu haben – oder knapper werdende natürliche Ressourcen lösen eben auch eine sozioökonomische Transformation aus. Sie müssen wir meistern. Aber wer da glaubt, dass vor allem geändertes Verbraucherverhalten oder technisch-technologische Innovationen die Lösung sind, der führt in die Irre. Wir haben es mit einem systemischen Problem zu tun.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Ihr Wachstumsmodell, das Sie seit vielen Jahren verfolgen und an dem Sie festhalten, hat doch genau zu dieser Vernutzung von Umwelt und Natur geführt, hat zu genau den ungerechten Verteilungsverhältnissen geführt. Wir werden nur gesellschaftliche und menschliche – um bei dem Begriff von der FDP zu bleiben – Freiheitszonen gewinnen, wenn wir an die Wurzeln des Übels gehen. Unser Fortschrittsbegriff muss sich ändern. Darin muss der Beitrag kritischer Wissenschaft und auch der Transformationsforschung bestehen. Denkmuster müssen sich an den Interessen, Ideen und Werten einer gerechteren und damit eben auch zukunftsfähigen Gesellschaft ausrichten.
(Beifall bei der LINKEN)
Gemeinschaftliches Wissen hervorbringen,
– Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Sitte. Dr. Petra Sitte(DIE LINKE):
– es teilen, erklären und gemeinsam umsetzen, das muss die Aufgabe in diesem Land sein. Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)