Gestern hat das Bundesforschungsministeriums (BMBF) sein Eckpunktepapier zur geplanten „Deutschen Agentur für Transfer und Innovation“ (DATI) vorgestellt: Das Papier macht so viele Versprechen , dass nicht klar ist, welche davon tatsächlich einzulösen sind. Viele grundlegende Anliegen der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) bleiben derweil unberücksichtigt.
Eine Agentur für Transfer – guter Ansatz, aber nicht gut geplant
Deutsche Forschungseinrichtungen bringen jedes Jahr wichtige, zum Teil bahnbrechende Entdeckungen hervor. Mit ihrer Übersetzung in konkrete Anwendungen hapert es bisweilen. Deshalb ist die Idee, den so genannten Transfer von der Forschung in die Praxis zu verbessern, grundsätzlich zu begrüßen. Nur ist bis heute nicht klar, wie die viel diskutierte DATI dabei genau helfen soll.
Die DATI soll nach dem Willen der Ampel-Koalition eine Alleskönnerin sein: Sie soll regional wie auch überregional wirken. Sie soll Start-Ups, kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) ebenso mitnehmen und vernetzen wie HAW, kleine und mittelgroße Universitäten, zivilgesellschaftliche und öffentliche Organisationen und ganze Regionen. Sie soll beim Community Building helfen, regionale Innovationsstrategien entwickeln, aktive Netzwerke unterstützen, aber auch ausbauen und neue Akteure mit einbeziehen. Dazu soll sie eigene Fördermittel verteilen – über deren Umfang und Laufzeit herrscht bislang allerdings weitgehend Unklarheit – , aber auch existierende Förderprogramme nutzen helfen und miteinander verzahnen. Sie soll Impulse insbesondere für technologische, wie aber auch insbesondere für soziale Innovationen setzen und bestehende Innovationspotentiale heben. Ihre eigenen Strukturen sollen dabei einerseits zentral, andererseits regional, auf jeden Fall aber „schlank“ und „auf das Wesentliche reduziert“ werden, ebenso wie ihre politische Steuerung „auf das nötige Minimum beschränkt“ werden soll.
Wie aus Koalitionskreisen immer wieder zu hören ist, haben sich hier drei Parteien mit recht unterschiedlichen Vorstellungen auf ein Konzept geeinigt, das letztlich nicht gefahren, nicht gelaufen und nicht geschwommen daherkommen, ganz viel bewegen und möglichst nichts kosten soll. Die Überlastung und Nicht-Erfüllung von Erwartungen scheint vorprogrammiert.
HAW kommen immer noch zu kurz
Die HAW leisten hervorragende Arbeit: So bilden sie mittlerweile ein Drittel aller Studierenden aus, sind regional bestens verankert und arbeiten an konkreten Anwendungen und Fragen der regionalen Wirtschaft und öffentlicher Einrichtungen. Sie werden verstärkt zur Forschung aufgefordert und sind hier bereits sehr aktiv, obwohl ihnen die großen Bundesförderprogramme, die durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) verwaltet werden, kaum – nämlich zu weniger als 1 Prozent – zugänglich sind. Von den Mitteln der Exzellenstrategie sind sie vollständig ausgeschlossen. Die HAW brauchen und verdienen deshalb auch im Interesse eines verbesserten Transfers dauerhafte Förderung durch den Bund, um ihre Professorinnen und Professoren zu entlasten, die ein erheblich höheres Lehrdeputat haben als ihre Kolleginnen und Kollegen an den Universitäten. Damit können sie dann einen akademischen Mittelbau aufbauen, der gerade auch angesichts der wachsenden Anforderungen, Drittmittel einzuwerben, dringend gebraucht wird. Sie müssen besser an der Drittmittelförderung des Bundes beteiligt werden und das Promotionsrecht bekommen. Und natürlich kann ihnen weitere Unterstützung durch Coaches, wie sie das BMBF in seinem Eckpunktepapier vorsieht, nur nützen.
In seiner jetzigen Form droht das Konzept der DATI allerdings neue Probleme zu schaffen, ohne dass die seit langem angemeldeten Anliegen der HAW wie auch junger Wissenschaftlerinnen und Forscher, die aus ihren Erfindungen konkrete Anwendungen entwickeln und auf Markt bringen wollen, gelöst werden:
Der Finanzrahmen der DATI wird weit zu gering ausfallen, um den HAW merklich zu helfen. In der Diskussion sind eine Milliarde Euro, womöglich über zehn Jahre verteilt und teilweise aus bestehenden Programmen entnommen. Diese Summe wird auf über 200 HAW zu verteilen sein und ist gering im Vergleich zu den drei Milliarden Euro, die die DFG jedes Jahr weitestgehend an den HAW vorbei verteilt.
Die DATI soll nicht demokratischer Kontrolle unterliegen
Die Fördermittel der DATI sollen wieder wettbewerblich vergeben werden und müssen umständlich beantragt werden. Das führt zu dem bekannten, erheblichen Verwaltungsaufwand für das regelmäßige Verfassen von Drittmittelanträgen, von denen viele nicht bewilligt werden.
Die geplante große Freiheit der Leitungsgremien wie auch der Regionalcoaches, die die Antragstellenden beraten sollen, macht die Antragstellung und Projektausführung zusätzlich riskant. Die viel betonte Agilität, Flexibilität und Spontaneität der DATI macht die extra erwähnte „Abbruchmöglichkeit“ der Förderung wahrscheinlicher und führt zu starker Abhängigkeit von den wenigen entscheidungsbefugten Mitarbeitenden der DATI. Wozu solch eine Abhängigkeit von allzu unumschränkt waltenden und kaum zu regulierenden Verwaltenden von Drittmitteln führen kann, erleben wir seit Jahren in anderen Wissenschaftsbereichen.
Die Leitungs- und Aufsichtsgremien der DATI sollen einer „politischen Steuerung“, also demokratischer Kontrolle, weitgehend entzogen werden. Das ist nicht nur den Steuerzahlerinnen und Wählern gegenüber bevormundend, sondern könnte sich beizeiten auch für die HAW und alle anderen Beteiligten als problematisch herausstellen. Die Koalition sieht vor, die DATI Marketing-, Vernetzungs- und Beratungsspezialistinnen und -spezialisten zu überlassen und somit Kurskorrekturen durch demokratisch gewählte und beeinflussbare Einrichtungen „auf ein Minimum“ zu beschränken. Das allein ist Grund genug, dass sich alle potentiellen Stakeholder, allen voran die HAW, nachdrücklich in die kommenden Debatten um die Ausgestaltung der DATI und die Zukunft der HAW einbringen sollten.