Reden: Suizidhilfe ist ein Recht, keine Straftat

Redemanuskript zur Rede am 18. Mai 2022, TOP 3: Orientierungsdebatte Sterbehilfe

 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Sie steht im Zentrum und am Anfang des Grundgesetzes. Aus ihr leitet sich das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen Menschen ab. Zur Würde und Selbstbestimmung gehört das Recht, das eigene Leben zu beenden.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Diese Entscheidung, so das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil, „dem eigenen Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen“, haben wir zu respektieren. Damit hat das Gericht vor allem die Perspektive der Betroffenen aufgenommen. Es steht somit niemandem zu, zu bewerten, aus welcher Lebenssituation heraus der Wunsch auf Suizidhilfe entstanden ist. Hier war das Bundesverfassungsgericht für viele überraschend klar: Würde und Selbstbestimmung müssen Ansatzpunkt jeder gesetzlichen Regelung sein. Der selbstbestimmte Tod ist in den Worten des Bundesverfassungsgerichts ein „wenngleich letzter, Ausdruck von Würde“.

Dieses Recht, meine Damen und Herren, muss aber auch praktisch wahrnehmbar sein. Daraus ergibt sich, dass die Hilfe durch Dritte straffrei sein muss. Wir tragen hier gemeinsam Verantwortung dafür, dass Betroffene die Möglichkeit finden, umfassend zu den Konsequenzen ihrer Entscheidung aufgeklärt und beraten zu werden – sowohl zu rechtlichen als auch zu medizinischen Fragen und schließlich auch zu Hilfsangeboten und Alternativen. Diese Beratung muss fachlich kompetent sein. Sie darf keinen Druck aufbauen, weder in die eine noch in die andere Richtung.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vor allem muss sie zugänglich für alle sein. Das bedeutet: Vor diesem Hintergrund soll dann der Zugang zu einem humanen Vollzug des Suizids auch tatsächlich ermöglicht werden. Denn ein Recht, das sich in der Praxis nicht ausüben lässt, ist kein Recht.

Meine Damen und Herren, niemand hier möchte, dass Suizidhilfe in einem kommerziellen Rahmen erfolgt. Aber Hilfe zur Wahrnehmung eines Rechts darf nicht unter Strafe gestellt werden. Es geht schließlich um mehr Fürsorge statt mehr Strafrecht; es geht um mehr Schutz statt Bevormundung. Wir können kommerziellen Angeboten den Boden entziehen, indem Beratungsangebote unentgeltlich gestaltet werden und allen zugänglich sind.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und der FDP)

Das heißt, statt sozialem und ökonomischem Druck sollen auch in dieser letzten Phase des Lebens Solidarität und Achtung geboten werden.

Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)