Im letzten Monat hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil zum Einsatz von Uploadfiltern nach der europäischen Urheberrechtsrichtlinie von 2019 gefällt. Damals gingen hunderttausende Menschen auf die Straße, um gegen die Verabschiedung der Richtlinie zu protestieren – leider am Ende ohne Erfolg: Denn nun gibt es ein Urteil, das im Wesentlichen auf ein „ja, aber“ hinausläuft. Was bedeutet das konkret für die damals so heftig umkämpften Uploadfilter und ihre Auswirkungen auf Uploader*innen sowie die Grundrechte auf Meinungs- und Informationsfreiheit?
Die Rechtslage: Deutschland musste ein eigenes Gesetz formulieren
Europäische Richtlinien treten nicht direkt in Kraft, sondern leiten die Mitgliedstaaten der EU an, selbst entsprechende Gesetze zu erlassen. Viele Staaten haben einfach den Text der Urheberrechtsrichtlinie übernommen. So naheliegend das scheint, ist das aber nicht unproblematisch. Denn die Richtlinie enthält – was durchaus auch ein Erfolg der Proteste war – zwar Formulierungen, die vor den negativen Folgen des Einsatzes von Uploadfiltern schützen sollen: Insbesondere müssen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass legale Inhalte verfügbar bleiben, die Meinungs- und Informationsfreiheit und auch die Rechte der Uploader*innen also damit gesichert sind.
Gleichzeitig sieht die Richtlinie aber die Filterung aller geschützten Inhalte vor, die nicht durch eine Lizenzvereinbarung zwischen Plattform und Rechteinhaber abgedeckt sind, also als nicht legal gelten könnten. Hier besteht ein Widerspruch: Denn Uploadfilter sind keinesfalls in der Lage, alle legalen Nutzungen als solche zu erkennen und sie sicher von nicht legalen Inhalten zu unterscheiden.
Damit hat die Richtlinie den Mitgliedsstaaten die schwierige Aufgabe gestellt, diesen Widerspruch aufzulösen, ohne vorzugeben, wie das passieren soll. Eine einfache Übernahme des Richtlinientextes reicht dafür also nicht.
Deutschland hat sich bei seiner Gesetzgebung bemüht, diese Aufgabe durch eine Reihe von Maßnahmen zu lösen. Dazu gehört, dass kürzere Ausschnitte von der Zwangsfilterung ausgenommen sind, und dass bestimmte geschützte Inhalte als zulässig markiert werden können (zum Beispiel erlaubte Zitate) und dann erst nach Prüfung gelöscht werden können, sollten sie sich dennoch als nicht zulässig herausstellen. Ob diese Maßnahmen ausreichend sind, dazu gleich mehr.
Die Kritik am „deutschen Sonderweg“ war nie überzeugend
Dieser Ansatz – konkrete Maßnahmen einzuführen, statt einfach den Richtlinientext zu kopieren – ist insbesondere von Seiten der großen Akteure der Musikindustrie und ihrer Unterstützer*innen kritisiert und als „deutscher Sonderweg“ verschrien worden. Das war nie sonderlich überzeugend, mit dem jetzt vorliegenden EuGH-Urteil ist es endgültig hinfällig. Denn dieses sagt ganz klar, dass Mitgliedstaaten eigene Maßnahmen ergreifen müssen, damit die Grundrechte der Nutzenden eingehalten werden können.
Im Kern sagt das Urteil – um es etwas zu umschreiben – dass nur offensichtlich rechtswidrige Inhalte der Zwangsfilterung unterliegen dürfen. Filter, bei denen die Gefahr besteht, dass sie zwischen legal und illegal nicht hinreichend unterscheiden können, dürften nicht eingesetzt werden. Das lässt den tatsächlichen Spielraum für Uploadfilter sehr zusammenschrumpfen, auch wenn es für ein klares Verbot leider nicht gereicht hat.
Deutschland hat sich also rechtzeitig auf den richtigen Weg gemacht. Für die meisten Mitgliedsstaaten wird es jetzt darum gehen, ebenfalls solche Maßnahmen auch bei sich einzuführen. Aber reichen die in Deutschland beschlossenen Maßnahmen überhaupt, bzw. werden sie den Anforderungen des Urteils gerecht? Das ist weiterhin unklar.
Die Lücken im deutschen Gesetz müssen nun geschlossen werden
Das deutsche Gesetz verfolgt, wie gesagt, im Prinzip einen ähnlichen Ansatz, wie ihn das EuGH-Urteil vorgibt: Von der Filterung ausgenommen sind sehr kurze Auszüge, außerdem ist es möglich, Inhalte als erlaubt zu kennzeichnen, die dann ebenfalls nicht automatisch gefiltert werden. Das Problem ist allerdings, dass die Ausnahmen von Entwurf zu Entwurf des deutschen Gesetzes immer enger gefasst wurden, was wir damals bereits scharf kritisiert haben.
Sicher ist es richtig, dass bei einem Upload beispielsweise eines ganzen Kinofilms davon ausgegangen werden kann, dass er nicht legal ist. Aber nach jetzt geltendem Recht greift der Filter auch dann, wenn ein Werk in irgendeinem Kontext zu mehr als der Hälfte verwendet wird. Das kann aber durch eine Lizenz durchaus erlaubt sein. Ein Filter könnte – auch das ist schon passiert – auch anschlagen, weil er zwei Versionen des gleichen klassischen Musikstücks miteinander verwechselt. Die Uploadfilter sind in hohem Maße unzuverlässig und es besteht das Risiko, dass mehr gefiltert wird als es sein muss, Beispiele für das so genannten „Overblocking“ gibt es bereits.
Wie sich dies in der Praxis genau auswirkt, muss sich jedoch noch zeigen, bisher sind die Erfahrungen noch beschränkt. Das hat damit zu tun, dass viele Plattformen bisher noch gar keine Maßnahmen zur Umsetzung des Gesetzes getroffen haben, auch weil die Frage, wer genau betroffen und zu welchen Maßnahmen verpflichtet ist, immer noch nicht abschließend geklärt ist. Eine konkrete Umsetzung der deutschen Gesetzgebung gibt es bisher von Youtube. Allerdings hat Youtube bereits vorher schon in problematischer Weise Uploadfilter eingesetzt und es wurden eigentlich zulässige Inhalte gefiltert. Wenn es jetzt zuweilen heißt, dass sich die Befürchtungen bezüglich der Uploadfilter wohl nicht bewahrheitet hätten, da es nicht zu einer Verschlimmerung der Situation gekommen sei, dann verkennt diese Einschätzung genau diesen Umstand, dass die Situation bereits vorher schon schlimm war. Es ist derzeit einfach noch zu früh, die Wirkung der deutschen Regelung wirklich beurteilen zu können.
Weiterhin ist Youtube als Beispiel nicht geeignet, weil es dort im Musikbereich wahrscheinlich dazu kommen wird, dass die Werke per Lizenz ausdrücklich zur Nutzung erlaubt werden und es allein deswegen nicht zum Overblocking zumindest für Musik kommen sollte. Auch das muss beobachtet werden.
Jetzt, wo der EuGH den Ansatz, Uploader*innenrechte mit konkreten Maßnahmen zu schützen, ausdrücklich bestätigt hat, wäre es Zeit, diesen Ansatz im deutschen Recht konsequent zu Ende zu denken und die Ausnahmen wieder zu erweitern, so dass nur eindeutig rechtswidrige Inhalte der Filterung unterliegen, wenn schon ein komplettes Verbot nicht durchsetzbar ist. Leider haben sich die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag nur zur vagen Ankündigung einer Evaluation durchringen können, obwohl zumindest die Grünen und die FDP in ihrer Ablehnung von Uploadfiltern zuvor sehr laut waren. Wenn diese Vorsicht darin begründet war, dass man auf das EuGH-Urteil warten wollte, dann wäre jetzt der Startschuss für eine Nachbesserung gefallen. Andernfalls hätten sich entsprechende Bekenntnisse wieder einmal als heiße Luft herausgestellt.
Bild: No-Upload-Filter Verteilaktion (5) von Christian Schneider unter der Lizenz CC BY-SA 4.0 (keine Veränderungen vorgenommen)