Petra war heute in der Bundespressekonferenz um über den gemeinsamen Antrag zur Widerspruchslösung bei der Organspende bzw. den entsprechenden Gesetzentwurf zu sprechen.
Hier findet ihr ihr Redemanuskript (es gilt aber das gesprochene Wort):
„Ich möchte kurz erklären, weshalb ich mich zur Unterstützung der Widerspruchslösung also dieses Gesetzentwurfes entschlossen habe.
Es waren vor allem meine Erfahrungen und Erlebnisse um die Diskussionen zur Sterbehilfe und zur Stärkung von Hospizen.
Ausgelöst durch die damaligen engagiert geführten Debatten in Gesellschaft und schließlich auch im Bundestag, haben sich viele Menschen mit Krankheiten, teils unheilbaren, an uns Abgeordnete gewandt. Auch an mich.
Sie wollten uns bzw. mir ihre Situation und ihre Sicht auf mögliche Hilfsperspektiven schildern. Mit manchen stand ich noch ziemlich lange danach in einem Austausch. So manches Mal habe ich mich gefragt, wie Menschen das eigentlich ertragen konnten bzw. ertragen können.
Darunter waren auch Menschen, die auf Organe warteten.
Und auch jetzt, da bekannt wurde, dass der Bundestag über Fragen der Organspende diskutiert, erreichen mich vielfältige Meinungsäußerungen. Besonders eindrücklich sind für mich dabei wiederum jene, die mir schildern, in welcher Situation und mit welchen Hoffnungen, sie auf ein Spenderorgan warten.
Dass nun gerade die Wartenden an eine Stärkung des Systems der Transplantationsmedizin und an die Widerspruchslösung besondere Hoffnungen und Zustimmung knüpfen kann niemanden verwundern. Auch heute werden wieder drei Menschen sterben, weil für sie kein geeignetes Organ gefunden werden konnte.
Bekanntermaßen gibt es in Deutschland ca. 9.400 Wartende. Diese 9.400 befinden sich nicht nur in einer deutlichen Minderheit verglichen mit den Menschen, die während ihres Ablebens bzw. nach ihrem Hirntod Organe spenden könnten. Sie befinden sich auch in einer Anhängigkeit. Sie sind unserer Einsicht ausgeliefert.
Ich habe mich daher nicht nur dafür entschieden, aus der Perspektive der Wartenden zu entscheiden. Sondern ich habe mich auch gefragt, wer hier eigentlich eines besonderen Schutzes bedarf.
Dass es um eine grundgesetzliche Abwägung geht, ist mir klar. Artikel 1 „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“, vermittelt sich über Persönlichkeitsrechte wie die Selbstbestimmung des Menschen.
Vergleicht man also die vor diesem Hintergrund die Gruppe der Wartenden mit jener Gruppe, die durch ihre Entscheidung zur Organspende das Leben der Anderen und damit natürlich auch deren Selbstbestimmungsrechte beeinflussen, dann sehe ich einen erheblichen Nachteil für die Erkrankten.
Ich habe mich dann gefragt, was kann wem zugemutet werden?
- Den Erkrankten ein noch längeres Warten zu Lebzeiten, die im schlimmsten Fall vielleicht vergeblich war?
- Den möglichen Organspenderinnen und –spendern zu Lebzeiten die Frage, ob sie wirklich zur Organspende bereit sind oder nicht?
Ist, widersprechen zu müssen, wirklich eine nicht hinnehmbare Zumutung? Ich meine nein. Vor allem auch deshalb, weil in der Konsequenz die weitere Lebensführung dieser Menschen durch nichts beeinträchtigt wird, die der Erkrankten aber in kaum zu überschätzender Weise gewinnt. Viele feiern diesen Tag fürderhin als zweiten Geburtstag.
In den Diskussionen wurde angeführt, dass die Würde des Menschen über seinen Tod hinausreicht. Das teile ich gänzlich. Aber warum soll diese verletzt werden, wenn ich doch zu Lebzeiten einer Organspende widersprechen kann.
Und was ist mit der Würde der Minderheit der Erkrankten zu Lebzeiten?
Ich finde, um abschließend an Artikel 1 des Grundgesetzes anzuknüpfen:
Ja, „staatliche Gewalt“, wie in diesem Artikel gefasst, hat Schutzaufgabe und Verpflichtung vor allem jenen gegenüber, die als Erkrankte einer stärkeren Unterstützung, eines stärkeren Schutzes bedürfen, als all jene, die souverän und selbstbestimmt über ihr eigenes, hoffentlich gesundes Leben entscheiden und dabei ebenso selbstbestimmt entscheiden können, ob sie der Organspende widersprechen wollen.“