Achtung, jetzt wird es ungewohnt kirchlich in einer linken Kolumne! Aber ja, auch in der Bibel gibt es Frauengestalten, die emanzipiert handeln. Schon einmal von der ersten Frau Adams gehört? Nein, nicht Eva. Lilith! Sie war ihm gleichgestellt und dadurch so emanzipiert, dass die männlichen Glaubensausleger es mit der Angst bekamen und Lilith mal eben zur kinderfressenden und männerverführenden Dämonin erklärt haben. Zum Glück gab es ja dann Eva. Obwohl auch sie eine Rebellin war, wenn man ihre „Sünde“ als einen emanzipatorischen Akt des Regelhinterfragens ansieht. Sie konnte ja nichts dafür, dass Adam zu feige gewesen ist, seine Mitschuld einzugestehen. Immerhin hätte er ja den angebotenen Apfel ablehnen können, aber stattdessen schob er die Schuld auf die – ja, was auch sonst – Verführungskunst seiner Frau. Kommt uns irgendwie bekannt vor, was?
Im Alten und Neuen Testament finden sich weitere starke Frauenfiguren, von der Erzmutter Israels (Sara), über Frauen, die ihre Stadt von einer Belagerung befreit (Judit) oder ihre Familie aufgegeben haben, um sich einer neuen anzuschließen (Ruth). Dann gab es da noch Maria Magdalena, die Zeugin der Kreuzigung war und zu den Frauen gehörte, die als erste das leere Grab entdeckt haben. Jesus soll sich zuerst dieser Apostolin und den anderen Jüngerinnen vor Ort offenbart und sie beauftragt haben, die Nachricht seiner Wiederauferstehung den anderen Jüngern zu verkünden. Diese herausragende Position und die Gerüchte, sie könne die Lieblingsjüngerin Jesu gewesen sein – eine Frau! Oh, Göttin, bewahre! – ging natürlich vielen männlichen Glaubensverdrehern gegen den Strich und schwupps wurde sie zur Prostituierten degradiert. Starke und emanzipierte Frauen, die etwas zu sagen oder gar Macht haben? Nein, bitte nicht, dachten sich Kirchenfürsten lange Zeit und erinnerten im Laufe der Geschichte durch diverse Erlasse und Gräueltaten die Frauen an ihre Stellung.
Und nun das. Maria, die liebreizende und jungfräuliche Muttergottes, steigt von ihren Altären, bricht ihr Schweigen, erhebt ihre Stimme und wird zur Feministin! Skandal! Da fliegt dem Petersdom glatt die Kuppel fort. Wer geglaubt hat, Katholikinnen können keinen Feminismus, der wird seit diesem Jahr eines Besseren belehrt. Egal, welche Position meine Partei oder ich zur katholischen Kirche auch vertreten, ob gläubig oder nicht, aber das, was seit diesem Jahr von Münster aus passiert, verdient Respekt!
Frauen haben in der katholischen Kirche bisher kaum Mitspracherecht. Sie betreuen die Gemeinden in ehrenamtlicher Arbeit als Lektorinnen, Kirchenöffnerinnen, Kirchendienerinnen, als Mitglieder im Gemeinderat oder als pädagogische Mitarbeiterinnen und Referentinnen. Mehr aber dann eben auch nicht. Dann kommen die Skandale und Verbrechen hinzu, die seitens von Priestern und anderen kirchlichen Amtsträgern verübt wurden und werden, und deren Aufklärung nicht ausreichend vorangetrieben wird, denn wo Männerbünde herrschen, hält man(n) zusammen. Das erschüttert den Glauben.
Frauen einer Gemeinde in Münster haben darum beschlossen, diesen Machtstrukturen und ihren Folgen nicht länger zuzusehen. Also haben sie die Initiative Maria 2.0 ins Leben gerufen. Im Mai erfolgte der erste große und deutschlandweite Frauenstreik von Katholikinnen. Sie protestieren bis heute mit verschiedenen Aktionen gegen den Machtmissbrauch der Kirche, für die Aufklärung der Missbrauchsfälle und eine Reformierung der Weiheämter, die zukünftig auch Frauen offen stehen sollen – und zwar ALLE Ämter, denn wenn, dann ganz. Der Mut und der Kampfgeist dieser Frauen führte zu viel Unterstützung, auch vonseiten geistlicher Würdenträger, aber auch – war ja nicht anders zu erwarten – zu Ablehnung, bei dem sogar Aktivistinnen aus einem Gottesdienst rausgeworfen wurden.
Das zeigt, dass diese Frauen einen wunden Punkt getroffen haben. Die katholische Kirche hinkt der Zeit hinterher. Will sie sich erhalten, so muss sie sich bewegen und ihre verstaubten, frauenfeindlichen und vorsintflutlichen Prinzipien, derer es viele gibt (Stichworte: Abtreibung, Verhütung, Ehe für alle) ablegen. Die alten Kutten müssen weg und neue her! In unserer Gesellschaft ist ein feministischer Wandel im Gange und nun kommt er auch spürbar in der Kirche an. Die Grundfesten werden erschüttert und Veränderungen gefordert. Ob in Kirche oder Staat, der Kampf um gleiche Rechte für alle Menschen wird lauter, bunter und immer wichtiger in einer Zeit, in der reaktionäre Kräfte ihre sogenannten ‚konservativen‘ Werte halten oder zurückfordern wollen. Insofern ist der Kampf jener Frauen für eine neue katholische Kirche, die auf Gleichberechtigung, Solidarität und Mitmenschlichkeit beruhen soll, zu begrüßen und unterstützenswert. Liebe Frauen, lasst nicht locker! Jesus fänd‘s gut.
Hörfassung