219. Sitzung des Bundestages, 14.4.2021, TOP6 Forschung Anti-Corona-Medikation
Dr. Petra Sitte (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Operation Warp Speed der US-Regierung, worauf sich die FDP bezieht, war bei weitem nicht so erfolgreich wie die Serie „Star Trek“.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dass nun die FDP ausgerechnet auf den Trump-Zug aufspringen will,
(Emmi Zeulner (CDU/CSU): Ja!)
der ja längst abgefahren ist, verwundert mich schon sehr.
Aus dem Scheitern von Warp Speed gibt es aber einiges zu lernen, was Doktor Spock wohl faszinierend fände:
(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Erstens hat das Unternehmen Pfizer, das den ersten Coronaimpfstoff herstellt, keinen Cent aus der Operation Warp Speed erhalten. Der erste erfolgreiche Impfstoff wurde bekanntermaßen von einem kleinen deutschen Unternehmen entwickelt, dessen Gründer Kinder türkischer Einwanderer sind. Solche kleinen Unternehmen müssen wir langfristig fördern, auch dann, wenn ihre Ansätze nicht unmittelbar vermarktbar erscheinen.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Zuruf der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP))
Zweitens ist die Operation Warp Speed spektakulär dabei gescheitert, die Impfstoffe ausreichend produzieren und verteilen zu lassen. Dass die USA jetzt so an Tempo zugelegt haben, hat einen einfachen Grund: Die Regierung Biden macht nämlich Druck auf die Unternehmen, und sie drängt sie zur Zusammenarbeit im Sinne des Gemeinwohls statt zu Konkurrenz. Das könnten wir lernen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Drittens müssen wir in der gesamten Impfstoffstrategie erleben, dass zwar Milliarden Euro an Steuergeldern an Pharmaunternehmen ausgezahlt wurden; aber die Staaten – wir können es nur wiederholen – haben sich viel zu wenig Gegenleistung gesichert: keine Patentrechte und keine garantierten Lieferungen. Auch hier müsste durchgängig gelten: öffentliches Geld, öffentliches Gut.
(Beifall bei der LINKEN)
Die jetzt entwickelten Impfstoffe sind in Rekordzeit entstanden, und das ist gut so. Aber gerade bei der Entwicklung von Medikamenten muss als Prinzip Sicherheit vor Eile gelten. Das nächste Virus, die nächste Zoonose kommt bestimmt. Deshalb brauchen wir eine weitschauende Planung und Aufmerksamkeit für Krankheiten, die im Moment eben noch keine Schlagzeilen machen. Die Fokussierung nur auf Coronaviren wird uns wahrscheinlich nicht vor der nächsten Epidemie schützen. Anstelle von Hektik und Aktionismus brauchen wir gerade in der Gesundheitsforschung einen wirklich langen Atem. Wir brauchen Grundlagenforschung an seltenen Krankheiten wie beispielsweise dem Visual-Snow-Syndrom oder an Viren, die die nächste Pandemie auslösen könnten.
Den besten Schutz bekommen wir nicht, indem wir immer wieder, wie wir es letztes Jahr erlebt haben, von 0 auf 180 beschleunigen, sondern indem wir eben konstant am Tempolimit fahren, alle mitnehmen und die Landschaft im Auge behalten.
Besten Dank.
(Beifall bei der LINKEN)