Unsere Kleine Anfrage „Künstliche Intelligenz im Geschäftsbereich der Bundesregierung“, die schwerpunktmäßig darlegen sollte, wo und wofür KI eingesetzt wird, zeigt nicht nur erschreckende Wissenslücken seitens der Behörden auf, sondern bringt auch zutage, dass die bisherige Förderung an den Zielen und Ankündigungen der KI-Strategie der letzten Bundesregierung und den Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ der vergangenen Wahlperiode, deren Mitglied ich war, vorbei lief.
Die neue Ampel-Koalition will die KI-Strategie fortschreiben, das ist auch gut so – nur muss sie dabei auch darauf achten, die richtigen Schwerpunkte zu setzen, damit das Ziel einer gemeinwohlorientierten KI noch irgendwie erreicht werden kann.
Weiterhin scheint den Antwortenden die Idee der Risikoklassifizierung für KI-Systeme, die sowohl von der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“, als auch von der Datenethik-Kommission empfohlen wird und nicht zuletzt auch Grundlage des AI Act ist, der gerade auf EU-Ebene verhandelt wird, fremd zu sein. Unsere netzpolitische Sprecherin Anke Domscheit-Berg hat sich dazu in einem eigenen Blogbeitrag geäußert.
Aus der langen Liste von insgesamt 194 Förderungen aus der letzten Wahlperiode[1] für Forschung, Projekte und Reallabore ist nicht immer eindeutig ersichtlich, welchem Zweck sie dienen und ob sich hinter einem eher unscheinbaren Titel nicht doch noch etwas Gemeinwohl verbirgt. Für uns sind diese Antworten daher ein Ansatzpunkt, um weitere Details abzufragen, vor allem auch dazu, ob die investierten Gelder zu den erwünschten Ergebnissen geführt haben – KI ist ja immer noch mit viel mehr Hoffnungen als Realitätssinn besetzt und viele Versprechen erweisen sich als Marketing-Worthülsen oder entpuppen sich sogar als diskriminierend für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Für uns als LINKE ist es daher besonders wichtig, wofür und wie der Staat KI einsetzt, da Menschen diesen Einsätzen manchmal gar nicht ausweichen können.
Forschungsschwerpunkte: Mobilität und Innovationen
In der Antwort der Bundesregierung werden insgesamt 141 Forschungsprojekte, 44 Pilotprojekte und 9 Reallabore gelistet. Wir haben analysiert, welche Projekte und Labore die höchsten Förderungen erhalten haben, sowohl insgesamt als auch heruntergebrochen auf jedes Jahr des Förderzeitraums, da die Förderungen unterschiedliche Laufzeiten haben und die Gesamtsumme daher nicht immer gut vergleichbar ist.
Die insgesamt höchsten Summen hat – ohne Überraschung – das Bundesministerium für Wirtschaft vergeben. Für „KI in der Mobilität“ flossen 295,74 Millionen Euro und für „Forschungsprojekte aus dem Innovationswettbewerb Künstliche Intelligenz“ 247 Millionen.
Innovationen klingen immer toll, nur wird hieraus allein nicht deutlich, um welche Art Neuerungen oder Erfindungen es dabei gehen oder wem sie nützen sollen. Der Blick auf das fördernde Ministerium offenbart zumindest ein bisschen, dass es in diesem Fall wahrscheinlich um wirtschaftliche Innovationen geht. Wohlwollend hoffen wir, dass unsere Nachfragen hierzu zeigen, dass diese nicht nur kommerziell, sondern auch gemeinwohlorientiert sind.
Dahinter folgen immerhin das Gauss Centre for Supercomputing, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 133,37 Millionen Euro und das Ministerium für Umwelt auf dem vierten Platz der höchsten Fördersummen für „KI-Leuchttürme für Umwelt, Klima, Natur und Ressourcen“ mit einer Fördersumme in Höhe von 119 Millionen Euro. Auch wenn wir das Konzept der Leuchtturm-Förderung, das einer breiten Förderung entgegensteht, ablehnen, lassen sich hieraus wenigstens Investitionen in eine (sozial-)ökologische Transformation ablesen.
Und dann folgt lange nichts.
Der Rest der fast 200 Förderungen erhielt „nur“ rund 50 Millionen Euro oder noch weniger. 91 Projekte[2], also fast die Hälfte der Förderungen, erhielten sogar weniger als eine Million Euro.
Umgerechnet auf die Fördersummen pro Jahr ergibt sich leider kein anderes Bild: „KI in der Mobilität“ bekam pro Jahr 98,58 Millionen Euro, die „Innovations-Projekte“ 82,3 Millionen. Bei dieser Betrachtung rutschen das Gauss Centre for Supercomputing (33,34 Millionen Euro) und die Leuchttürme des BMU (19,83 Millionen Euro) sogar noch weiter ab und hinter die Förderung des Bundesministerium für Arbeit und Soziales für die „Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen und Beschäftigten bei der modellhaften und partizipativen Erprobung von neuen Technologien, wie KI, für die betriebliche Praxis“ (34,5 Millionen). Nur 13 Projekte erhielten mehr als 10 Millionen pro Jahr, 52 mehr als 1 Million und 115 – ebenfalls die deutliche Mehrheit der Projekte – weniger als 1 Million Euro.
Eine Förderung in der Breite ist unbedingt in unserem Sinne, es wäre nun nötig, die Summen ebenfalls breiter zu verteilen und vor allem den Fokus eindeutiger auf das Gemeinwohl und die vielbeschworene Ethik der KI zu lenken.
Ethik & Gemeinwohl – war da was?
Die Enquete-Kommission KI hat sich darauf verständigt, dass der Wandel, den KI mit sich bringt, „wertegeleitet und zum Wohl von Mensch und Umwelt“ erfolgen soll. Die Fortschreibung der KI-Strategie des Bundes besagt, dass „Verantwortungsvolle und gemeinwohlorientierte Entwicklung und Anwendung von KI-Systemen“ zu „einem integralen Bestandteil und damit Markenzeichen einer „AI Made in Europe“ gemacht werden“ soll.
Zahlreiche Umstände des Wandels und wie eine verantwortungsvolle KI aussehen kann, sind noch nicht ausreichend erforscht und die Förderpraxis des Bundes hätte sich an diesem Ziel orientieren müssen.
Die bisherige Förderpraxis weiß davon jedoch nichts. Weitere Nachfragen können noch ergeben, dass die Förderung der Mobilität einen erheblichen Anteil oder gar Schwerpunkt auf Vorteile für die Zivilgesellschaft bringt, wie zum Beispiel Verbesserungen und Erleichterungen im ÖPNV im ländlichen Raum. Weitere Gemeinwohl-Förderungen lassen sich aus den Projekten zugunsten der Umwelt oder auch der Arzneimittelforschung ablesen, die 52,5 Millionen (13,13 Millionen pro Jahr) erhielt.
Andere Förderungen für zentrale Themenfelder der sogenannten ethischen KI erhielten im Vergleich Kleckerbeträge: „Sicherheit von KI-Systemen“ 1,79 Millionen Euro (0,9 pro Jahr), „Transparenz maschinell produzierter Entscheidungen zwecks Evaluierung“ 1,63 Millionen (0,41 pro Jahr), „transparente Empfehlungssysteme“ 1,6 Millionen Euro (0,4 pro Jahr), „Datensouveränität durch KI-basierte Transparenz und Auskunft“ 720.000 Euro (240.000 pro Jahr). Der einzige Lichtblick ist hierbei die Förderung des DLR-Institut für sichere KI-Systeme mit 42,1 Millionen Euro (14,03 Millionen pro Jahr).
Zum Vergleich in dieser Kategorie „Ethik und Gemeinwohl“ schneiden die gemeinwohlorientierten Förderungen noch schlechter ab: Die Förderung von „Datensouveränität und Empowerment von Verbraucher*innen beim Datenschutz im Umgang mit Sprachassistenten“ war 790.000 Euro wert (400.000 Euro pro Jahr), „Digitale Souveränität älterer Menschen“ 290.000 Euro für nur ein Jahr, „KI und Gleichstellung“ sowie „KI in der Kinder- und Jugendhilfe“ je 230.000 Euro auch für nur ein Jahr, „Diskriminierungs-Bekämpfung für Gründerinnen“ ebenfalls einmalig 220.000 Euro, „Analyse neuer Chancen und Hemmnisse der digitalen Verbraucherteilhabe“ 190.000 Euro (95.000 pro Jahr), „Diversität in KI“ einmalig 160.000 Euro, und die Erforschung geschlechterpolitischer Veränderungen durch neue Technologien war sogar nur einmalig 30.000 Euro wert. Für den Kulturgutschutz fielen einmalig 250.000 Euro ab, für Künstliche Intelligenz gegen Desinformation, einem Projekt der Deutschen Welle, eine Million Euro (0,25 Millionen pro Jahr).
Der einzige Lichtblick ist das Projekt Civic Coding – Innovationsnetz KI für das Gemeinwohl, das mit 30 Millionen Euro (10 Millionen pro Jahr) gefördert wurde.
Die neue Ampel-Koalition tut gut daran, sich das Leitmotiv der menschenzentrierten KI zu Herzen zu nehmen und die zukünftige Förderprogrammatik deutlich daran auszurichten. Wir werden die zukünftigen Schwerpunkte beobachten und immer wieder daran erinnern, worum es bei KI gehen sollte: Das Wohl und die Würde der Menschen.
[1] Zwei genannte Projekte beziehen sich sogar noch auf die 18. Wahlperiode, als KI im Bundestag noch kein wirklich präsentes Thema war; inkl. 11 Projekte, die aufgeführt sind, aber aus Eigenmitteln finanziert wurden
[2] Darunter ein Projekt aus der 18. Wahlperiode, ein in Planung befindliches Projekt und neun Projekte, die als Verschlusssache gelten; ausgenommen sind Projekte, die aufgeführt sind, aber aus Eigenmitteln gefördert wurden