Redemanuskript zur Rede am 24. Juni 2022, zum TOP 28: Sterbehilfe
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Man lebt nur einmal!“ Was da so beschwingt besungen wird, ist nur die eine Seite der Medaille: Man stirbt auch nur einmal. Sterben und Tod gehören zum Leben, sind aber doch etwas ganz Besonderes, das wir gern aus unserem Alltag verbannen. Entscheidungen darüber sind stets ausgesprochen bewegend. Wir alle müssen sterben, aber normal wird doch der Tod deshalb nie, und demzufolge wird es auch der Suizid nicht und nicht die Suizidhilfe – anders, als das behauptet wird.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der FDP)
Meine Damen und Herren, man hat versucht, sein Leben weitgehend selbstbestimmt zu führen, wie es ja auch immer von uns erwartet wurde. Warum bitte soll man bei der Sterbeentscheidung damit aufhören? Auch über das Ende des eigenen Lebens wollen Menschen selbst entscheiden, und sie sollen es selbst entscheiden können. Und das Bundesverfassungsgericht hat uns ausdrücklich aufgegeben – das war ja für viele überraschend -, keine Unterscheidung zwischen krankheitsbedingtem Wunsch auf Suizidhilfe und anderen Motiven zu treffen.
Tatsächlich ist es doch so, dass Menschen abwägen, dass wir uns Gedanken machen, dass Rat gesucht wird, dass Austausch gesucht wird. Niemand trifft derlei Entscheidungen leichtfertig. Viele Betroffene fühlen sich geradezu überfordert. Aber guten Freunden oder Angehörigen geht es doch nicht anders.
Sterben ist bei Weitem nicht nur ein medizinisches Problem, wenngleich es auch darüber einer Aufklärung bedarf. Aber ich will das ausdrücklich hier auch mit sagen: Es bettet sich ein in unsere konkreten Lebensverhältnisse. Wie frei kann man denn in Altersarmut entscheiden? Das gehört auch zur Suizidprävention.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der FDP)
Zudem geht es um eine ebenso individuelle wie soziale, ja psychosoziale Entscheidung. Man löst sich schließlich von Menschen, man löst sich vom Leben. Und daher soll eine Beratung geboten werden, welche ergebnisoffen geführt wird und die alle Optionen in der einen wie in der anderen Richtung zur Sprache bringt. Darum geht es, entgegen mancher Behauptungen, in unserem Gesetz ausdrücklich: Es geht um Prävention, es geht um Aufklärung über alle Fragen, und es geht um Alternativen.
Bleibt es dann doch beim Sterbewunsch, geht es darum, diesen sicher und würdevoll umsetzen zu können. Bislang war genau das nahezu unmöglich, obwohl es anderslautende gerichtliche Entscheidungen gab, nicht zuletzt sogar vom Bundesverfassungsgericht. Es blieb also nur, dass man sich für hohe Summen von Sterbehilfevereinen begleiten ließ, oder auch in einer Grauzone von Sterbehelfern. Das ist doch nicht akzeptabel. Obwohl Deutschland fast 150 Jahre Suizidhilfe ungeregelt gelassen hat, hatte niemand legalen Zugang zu einem entsprechenden Medikament. Was für ein Widerspruch! Wir sind verpflichtet, diesen Widerspruch aufzulösen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir wollen aber zunächst kostenfreie und kompetente Beratung, bevor ein Arzt nach weiterer medizinischer Aufklärung das Medikament verschreiben kann. Es sei an dieser Stelle noch mal ausdrücklich betont: Kein Arzt, keine Ärztin soll dazu verpflichtet werden.
Meine Damen und Herren, über unser Konzept werden kompetente und unparteiliche Hilfe und Beratung allen kostenlos zugänglich. Die eigene soziale Situation kann also niemanden bei der Suche nach Hilfe und Beratung begrenzen. Niemand soll mit seiner Entscheidung alleingelassen werden, aber jeder und jedem soll sie als letzte Lösung offenstehen. Auch Sterben gehört zu einem selbstbestimmten Lebensweg.
Ich danke.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und der FDP)