Redemanuskript zur Rede am 24. November 2022 zum Einzelplan 30: Bildung und Forschung
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt kommt sozusagen das Gegenprogramm. Es sind eben nicht nur Einzelentscheidungen dieser Regierung, die einen bisweilen wirklich erstaunt zurücklassen. Nein, manchmal sind es vor allem die Widersprüche, die zeitgleich getroffene Entscheidungen aufwerfen.
Da wird im Koalitionsvertrag versprochen, dass ab 2022 der „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ jedes Jahr um drei Prozent gesteigert werden soll, so wie das bereits bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen seit Jahren Praxis ist, also eine gute Sache. Das ist aber so nicht geschehen, sondern wird um ein Jahr verschoben. Dabei haben sich die Hochschulen genau darauf verlassen und genau danach gehandelt: Sie haben entsprechende Studienplätze und Stellen geschaffen. Sie sind gewissermaßen in Vorleistung gegangen, und nun bleiben sie auf diesen Ausgaben sitzen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft resümiert, ich zitiere: Im Ergebnis sei das eine „Kürzung“ der bereits vereinbarten Steigerung der Zukunftsgelder. – Und weiter: Damit wäre angesichts steigender Energiekosten und einer Inflationsrate von über zehn Prozent eine deutliche Aufstockung des Zukunftsvertrags überfällig gewesen.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau!)
Da die Hochschulen und Universitäten – das ist nun wirklich kein Geheimnis – chronisch unterfinanziert sind, wird gerade dieses Geld dringendst gebraucht, um die grundgesetzlich verankerten Aufgaben Forschung und Lehre auch wirklich zu erfüllen. Man sollte annehmen, dass dies absolute Priorität hat. Nicht bei dieser Ministerin. Stattdessen wurde die sogenannte Exzellenzstrategie um 19 Prozent von 533 Millionen Euro auf 687 Millionen Euro gesteigert. Damit reißen Sie – und das wissen Sie – die deutsche Hochschullandschaft noch weiter auseinander. Längst haben die Exzellenzwettbewerbe der vergangenen Jahre zu Hochschulen erster und zweiter Klasse geführt. Die Unterfinanzierung Letzterer hat sich parallel verschärft – zum Schaden allerdings des gesamten Wissenschaftsbereiches. Statt nun endlich dagegen anzugehen, wird diese Entwicklung erneut befeuert. Ich halte das für einen Irrweg.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Exzellenzinitiative verschärft aber nicht nur zwischen den Hochschulen, sondern auch innerhalb der Hochschulen Ungleichheit.
(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Das stimmt!)
Mithin sind bei Weitem nicht alle Fachbereiche einer Hochschule beteiligt. Die meisten erreicht dieser wunderschöne Geldsegen überhaupt nicht. Damit nicht genug: Die Exzellenzcluster werden nunmehr auch nur zeitlich begrenzt finanziert. Ihre Aufgaben belasten also irgendwann gänzlich die Haushalte der Hochschule.
Fazit: Einerseits verschieben Sie die Steigerung des Zukunftsvertrages, andererseits blasen Sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt unnötig Exzellenzcluster auf. Diese beiden Entscheidungen sind vollkommen widersprüchlich. In Zeiten von Inflation und Energiepreissteigerungen wäre es doch viel sinnvoller gewesen, aus dem 200 Milliarden Doppel-Wumms den Hochschulen zusätzliche Mittel über den Zukunftsvertrag bereitzustellen.
(Beifall bei der LINKEN)
Also: Es ist kein Chancenministerium, über das wir reden, sondern es werden Chancen vergeben, insbesondere die der nachwachsenden Generationen in Bildung und Forschung.
Sie tragen damit aber auch zu prekären Beschäftigungsverhältnissen an Hochschulen bei, beispielsweise im wissenschaftlichen Mittelbau und hier besonders bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Und jetzt – ich muss echt sagen: da ist mir fast die Brille von der Nase gefallen – wollen Sie den Wissenschaftsbereich auch noch umsatzsteuerpflichtig machen. Das ist ja nun nicht das Kernthema tapferer Linker. Aber das ist völlig absurd.
Erst heißt es: Liebe Hochschulen kooperiert mit der Wirtschaft, wir wollen einen schnelleren Impact! Na großartig. Und dann heißt es: Jetzt seid ihr auf dem Markt, also zahlt Umsatzsteuer. Allein der Verwaltungsaufwand wird eine Riesenbelastung für die Hochschulen. Und wozu? Damit – und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – öffentliche Einrichtungen, öffentlich geförderte Einrichtungen, Steuern an den Staat zurückzahlen.
Dass das nicht nötig wäre, macht uns übrigens Österreich vor. Aber Sie setzen auf das Prinzip „Linke Tasche, rechte Tasche“.
Ich verstehe es nicht. Widersprüche über Widersprüche in diesem Haushalt.
In diesen schwierigen Zeiten brauchen die Forschenden und die Studierenden weit mehr als Rechentricks der Regierung. Ich wünschte mir, dass diese Ministerin energisch und erfolgreich insbesondere zum Finanzminister in Widerspruch gegangen wäre.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Thomas Jarzombek (CDU/CSU))
Besten Dank fürs Zuhören.
(Beifall bei der LINKEN)