Der ehemalige Verteidigungsminister Guttenberg ist zwar inzwischen in die USA ausgewandert. Die Probleme, die durch die Entdeckung der Fälschungen in seiner Dissertation ins öffentliche Bewusstsein rückten, bleiben jedoch.
Heute diskutierte der Ausschuss des Bundestages für Bildung und Forschung darüber, was getan werden kann, um die Qualität der wissenschaftlichen Arbeiten zu verbessern.
Vielen Bürgerinnen und Bürgern war unklar, warum der Vorwurf der Fälschung gegen Guttenberg eigentlich so schwer gewogen hat, dass dieser schlussendlich zurücktreten musste. Hat nicht jeder mal abgeschrieben in der Schule? Möglich. Es gibt jedoch Unterschiede zwischen einer Klassenarbeit in der 5. Klasse und einer Doktorarbeit. Klassenarbeiten sind eine schulische Übung, bei Abschlussarbeiten etwa zum Abitur sieht das schon anders aus. Und Diplomarbeiten und Dissertationen tragen bereits zur Vermehrung des gesellschaftlichen Wissens bei. Wer dabei betrügt, zeigt, dass er oder sie zu seinem eigenen Vorteil es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Die Wahrheit zu finden, ist jedoch die ureigenste Aufgabe der Wissenschaft.
Deswegen ist es der LINKEN wichtig, dass das Problem nicht auf Studierende und Promovierende beschränkt ist. Auch auf professoraler Ebene sind vielfältige Fälle von Fälschungen, Plagiaten, Ghostwriting und interessegeleiteter Falschaussagen in wissenschaftlichen Publikationen bekannt geworden. Da solche Fälle drastische Vertrauensverluste der Gesellschaft in die Objektivität von Forschung und Wissenschaft nach sich ziehen, sollten diese mit gleicher Intensität verfolgt und sanktioniert werden.
Petra Sitte, forschungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE sagte: „Es freut uns, dass in den Stellungnahmen die gesamte Problemdimension in den Blick genommen wird – Arbeitsbedingungen, Beschäftigungsverhältnisse, informelle Netzwerke und die ganze Problematik von Drittmittelboom und Auftragsforschung eingeschlossen.“
Die Sachverständigen, die der Ausschuss sich zu seiner Beratung eingeladen hatte, bestätigten viele der Positionen, die auch DIE LINKE in der Debatte um das Thema Plagiate und Qualität bereits bezogen hatte. Petra Sitte sagt dazu: „Fast alle Sachverständige deuten in ihren Stellungnahmen an, dass der bisherige Einsatz von leistungsbasierten Steuerungsinstrumenten und flexibilisierten Haushalten in den Hochschulen sich als problematisch für die Qualität darstellen kann. So seien lange Publikationslisten ebenso wenig ein Ausweis von Qualität wie eine möglichst hohe Zahl an Promotionen oder Habilitationen. Diese Sichtweise bestätigt unsere Auffassung, dass kreative wissenschaftliche Tätigkeit nicht vollständig über Wettbewerb gesteuert werden kann, sondern Freiräume zur Entfaltung benötigt.“ Eine gute Betreuung von Studierenden und Promovierenden und die offene Diskussion der Forschungsergebnisse werden durch betriebswirtschaftliche Anreize eher behindert als gefördert. Aber gerade die Arbeits- und Betreuungsverhältnisse sind entscheidend für eine gute Qualität der Promotionen.
Besonders gefährdet ist die wissenschaftliche Unabhängigkeit, wenn es um Gefälligkeits- und Auftragsforschung für die Wirtschaft, aber auch Behörden und Ministerien geht. Eine Sachverständige sprach gar von „Bestechung“, die häufiger im Spiel sei. Der jüngste Fall eines Professors der Berliner Humboldt-Universität, der über die Firma seiner Frau ein Gefälligkeitsgutachten für die deutsche Atomindustrie abwickelte, ist nur das letzte Ereignis einer langen Kette von aufgedeckten ähnlichen Fällen in der Wissenschaft.
Diejenigen, die solche Fälle entdecken, setzen häufig ihre eigene Karriere aufs Spiel. DIE LINKE will solche Whistleblower, die berechtigt Missstände anprangern, rechtlich schützen. Sie hat dazu als erste Fraktion einen Antrag eingebracht, der gesetzliche Regelungen fordert, die auch für den Wissenschaftsbericht gelten.
Das Internet kann für eine anonyme Anzeige solcher Missstände helfen. Häufig werden jedoch die digitalen Medien für ein vermeintliches Ansteigen von Plagiaten und Fälschungen verantwortlich gemacht. Die Sachverständigen widersprachen dieser Auffassung: digitales Publizieren, Open Access und kollaborative Arbeitsweisen sowie Suchmaschinen und Plagiatssoftware tragen nach Einschätzung der Sachverständigen einiges zur Transparenz in der Wissenschaft bei. Guttenbergs Fälschungen waren ohne die Möglichkeiten des Internets machbar, die Aufdeckung dieses Plagiats jedoch nicht. Erst die gemeinschaftliche Suche von Internetusern und die digitale Prüfung des Textes machten das wahre Ausmaß der Guttenbergschen „Ungenauigkeiten“ sichtbar. Mehr Chancen als Risiken durch das Internet – das sehen wir genau wie die Sachverständigen.
Und zu guter Letzt: die Sachverständigen plädierten auch dafür, sich an dem Großteil der Länder zu orientieren, die das Tragen von Titeln auf die wissenschaftliche Sphäre begrenzen. Doktoren und Professorinnen sollten keine Vorteile im gesellschaftlichen Leben aus ihren Titeln ziehen, das würde die Anreize für eine Promotion anders setzen. Die Sachverständige Prof. Weber-Wulff sagte: „Wir sollten allen Menschen den selben Respekt entgegen bringen, ob mit Doktortitel oder ohne.“