TOP 25) Gesetzes zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes > Drucksache 17/13423 <
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– Rede zu Protokoll –
Eines vorweg: die beantragte Regelung zu verwaisten und vergriffenen Werken ist zwar nicht ganz das, was wir uns erhofft hatten. DIE LINKE hat eigene, weitergehende Regelungsvorschläge in den Bundestag eingebracht. Aber es wäre möglich gewesen, hier politisch zusammenzukommen, denn das Grundanliegen teilen wir.
Wir freuen uns, dass die Bundesregierung sich hier für eine Schrankenregelung entschieden hat. Das ist regelungstechnisch noch die sauberste Lösung, weshalb wir sie ja bereits vor zwei Jahren vorgeschlagen haben. Und schön, dass die Bibliotheken jetzt nicht vorab für jedes digitalisierte Werk zahlen müssen, sondern nur, wenn im Nachhinein ein Rechteinhaber bekannt wird. Die Bundesregierung greift Vorschläge der LINKEN auf – das freut uns und passiert nicht alle Tage.
Wir bedauern jedoch, dass das Bundesjustizministerium diesen sinnvollen Vorschlag im vorliegenden Gesetzentwurf mit der Einführung eines wissenschaftlichen Zweitveröffentlichungsrechts verknüpft, dem wir in der von Ihnen vorgelegten Fassung ganz und gar nicht zustimmen können.
Dem ursprünglichen Sinn eines Zweitverwertungsrechtes nach sollte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglicht werden, ihre eigenen Arbeiten auch dann zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen, wenn sie zunächst in einer kommerziellen Zeitschrift erschienen waren.
Stattdessen will die Regierung nun festschreiben, dass ein Verlag im Zweifel ein ausschließliches Recht zur Zugänglichmachung von Beiträgen seiner Autorinnen und Autoren im Internet erhält, auch wenn dies vertraglich gar nicht vereinbart ist. Bislang gilt eine solche Vermutungsregelung lediglich für die Druckausgabe einer Zeitschrift. Das ist eine unerhörte rechtliche Schlechterstellung der Autorinnen und Autoren! Damit wird den Urheberinnen und Urhebern ein Rechteverlust ungekannten Ausmaßes beschert. Bisher dürfen diese mit ihren Texten online machen, was sie wollen, es sei denn, sie haben vertraglich etwas anderes vereinbart. In Zukunft darf ihr Verlag es ihnen verbieten.
Diese urheberfeindliche Neuregelung soll mit einem Zweitveröffentlichungsrecht verknüpft werden, das weitgehend leerläuft. So gilt es nur für die „Manuskriptversion“ – eine Veröffentlichung im Format und mit den Seitenzahlen der Druckfassung soll nicht drin sein. Damit führt die Bundesregierung unter der Hand einen rechtlichen Schutz des Druckbilds ein, das bislang aus gutem Grund urheberrechtsfrei ist.
Zudem soll es nur für nicht-gewerbliche Online-Veröffentlichungen gelten, obwohl in der Gesetzesbegründung ausdrücklich von einem „Verwertungsrecht“ gesprochen wird, das per definitionem gewerblichen Zwecken dient. Und vor allem soll es nur für Beiträge gelten, die „im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit entstanden und in einer periodisch mindestens zweimal jährlich erschienen Sammlung erschienen“ sind. Indem auf die öffentliche Forschungsförderung abgestellt wird, schließt der Vorschlag die rein universitäre Grundlagenforschung von vornherein aus. Zukünftig sollen also Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die viele Drittmittel erhalten, im Urheberrecht besser gestellt sein als ihre Kolleginnen und Kollegen. Ich bezweifle, dass dies verfassungsgemäß ist.
Nicht zuletzt soll die Zweitveröffentlichung erst nach einer Frist von zwölf Monaten erlaubt sein. Das ist gerade für Wissenschaft mit Aktualitätsbezug eine quälend lange Zeit, die eine Zweitveröffentlichung nochmals unattraktiv macht.
Allem Anschein nach soll jetzt nach jahrelangem Zögern dieser Gesetzentwurf im Schnelldurchlauf noch diesen Monat durchs Parlament gebracht werden. Angesichts der offensichtlichen Mängel beim Vorschlag für das Zweitverwertungsrecht der Wissenschaft schlagen wir folgendes vor:
Trennen Sie es von den geplanten Regelungen zu den verwaisten Werken ab. Diese könnten wir zügig beschließen. Und beim Zweitveröffentlichungsrecht schauen Sie besser nochmal in Ruhe auf unsere wissenschaftsfreundlichen Vorschläge vom April 2011. Da schlagen wir fünf einfache Punkte vor:
1. Das Zweitverwertungsrecht soll sich auf alle wissenschaftlichen Publikationen erstrecken, die überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert worden sind.
2. Eine Zweitveröffentlichung wird für alle Publikationsformen ermöglicht.
3. Die Sperrfrist, nach der das Zweitverwertungsrecht in Anspruch genommen werden kann, beträgt höchstens sechs Monate.
4. Eine formatgleiche Zweitveröffentlichung ist erlaubt, wenn die Erstveröffentlichung angegeben ist.
5. Vertragliche Vereinbarungen, die das Zweitveröffentlichungsrecht einschränken, sind unwirksam.