Koalition schützt nur die Interessen der großen Plattenfirmen

TOP 29) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (Verlängerung Schutzdauer Musikleistungsschutzrechte) > Drs 17/12013 <

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– Rede zu Protokoll –

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie hatten sich ja in Sachen Urheberrecht eine Menge vorgenommen, einen ganzen „Dritten Korb“ von Gesetzesreformen. Aber aus einem Zweitveröffentlichungsrecht für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist ebenso wenig geworden wie aus einer allgemeinen Wissenschaftsschranke, einer gesetzlichen Regelung für Mashups, einer Erlaubnis für den privaten Weiterverkauf von heruntergeladenen Musikdateien oder auch nur einer Eindämmung des Abmahnwahns. Sie haben viele große Töne gespuckt und am Ende nichts getan. Nichts, das meine ich wörtlich. Aber damit die Bilanz Ihrer Legislaturperiode in Sachen Urheberrecht nicht ganz so düster aussieht, wollen Sie jetzt kurz vor Ihrer Abwahl noch die Verlängerung der Schutzfristen für Tonträgerhersteller durchdrücken. Na toll! Sie kommen mit einem „Körbchen“ um die Ecke, in das sie ein faules Ei gelegt haben.

Worum geht es? Darum, dass Musikaufnahmen zukünftig nicht mehr nur 50, sondern 70 Jahre lang geschützt sein sollen. Wobei wir nicht vom Urheberrecht reden, also nicht von den Rechten der Komponisten und Textschreiberinnen, sondern von den Leistungsschutzrechten. Geht es also um die Interessen der ausübenden Künstler, wie Sie behaupten? Keineswegs.

Es geht einzig und allein um die Partikularinteressen der drei großen Major Labels.

Warum? Weil nur sehr wenige Werke 50 Jahre nach Erscheinen überhaupt noch kommerziell verwertet werden, nämlich die großen Hits. Die meisten anderen werfen schon einem Jahr keine nennenswerten Einnahmen mehr ab, erst recht jedoch nicht nach 50 oder gar 70 Jahren. Die angeblichen Mehreinnahmen werden einigen wenigen Stars und ihren Plattenfirmen zugutekommen. Und dafür nehmen Sie achselzuckend in Kauf, dass auch der ganze Rest fortan 20 Jahre länger hinter Schloss und Riegel bleibt.

Wenn es Ihnen tatsächlich um Mehreinnahmen für die Künstler gegangen wäre, hätten Sie in Europa, als die EU über diese Richtlinie beraten hat, vorschlagen können, dass die Rechte an den Aufnahmen nach spätestens 50 Jahren an die Künstler zurückgegeben werden sollen. Stattdessen steht drin, dass bereits bestehende Verträge sich automatisch auf die neue Schutzdauer von 70 Jahren verlängern. Wer also als Künstler seine Rechte abgetreten hat, ist sie jetzt automatisch für weitere 20 Jahre los. Und er hat lediglich einen Anspruch darauf, in Höhe von 20% an den potenziellen Einnahmen beteiligt zu werden.

Anders gesagt: Sie verlängern der Künstler und Künstlerinnen Rechte um 20 Jahre, um sie ihnen sogleich wieder zu entziehen, um sie den Major Labels zuzuschustern. Die Künstlerinnen und Künstler aber werden mit einer Beteiligung von 20% abgespeist, die dann erstmals nach 50 Jahren gezahlt werden muss.

Sie sind wirklich tolle Kämpfer für die Rechte der Kreativen! Um von den Rechten der Nutzerinnen und Nutzer gar nicht erst zu reden, die jetzt 20 weitere Jahre lang keine Samples aus älteren Musikstücken für kreative Remixes verwenden dürfen.

Zahlreiche Experten haben sich auf europäischer Ebene gegen diese Richtlinie ausgesprochen. Zugegeben, Sie haben in Deutschland jetzt keine Wahl, die Richtlinie muss in nationales Recht umgesetzt werden. Aber es ist auffällig, dass Sie es besonders eilig damit haben.

Sie haben keine einzige Urheberrechtsreform umgesetzt, wollen aber schnell noch dieses Gesetz durchdrücken, bevor Sie abgewählt werden. Nach dem Motto: lieber noch schnell eine schlechte Reform als gar nichts auf die Reihe bekommen. Warten wir mal ab, ob die Wählerinnen und Wähler das auch so sehen.

Dr. Petra Sitte, MdB