– Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines … Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes (Drucksache 18/477)
– Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines … Strafrechtsänderungsgesetzes – Erweiterung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung
Drucksache 18/476
– Erste Beratung des von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption
Drucksache 18/478
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Herr Präsident! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Um allen Missverständnissen vorzubeugen, sage ich es lieber gleich am Anfang: Die angemessene Entschädigung für Abgeordnete ist eine demokratische Errungenschaft, und das bleibt sie auch.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD ‑ Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Genau!)
Bereits im antiken Griechenland wurden solche Diäten eingeführt, um weniger wohlhabenden Schichten demokratische Teilhabe zu sichern. Diese Funktion üben Diäten im Grunde genommen immer noch aus.
Es ist schon etwas Besonderes, das Bundestagsmandat als Vollzeitberuf ausfüllen zu können und dabei aufgrund der Höhe der Diäten von weiteren Finanziers unabhängig zu sein. Das gilt nicht für alle Abgeordneten. Ich kann mich an Abgeordnete wie Herrn Merz erinnern, der, glaube ich, in 23 Aufsichtsräten gesessen hat.
(Zuruf von der CDU/CSU: Nur kein Neid!)
Wie auch immer, prinzipiell sind wir unabhängig.
Die Ansprüche an unsere Arbeit, die Ansprüche an die Mandatsausübung wachsen natürlich. Grüne und Linke erfahren das ja jetzt gerade. Wir sollen sozusagen den GroKo-Fanten bändigen, obwohl uns die notwendigen Instrumente dafür noch fehlen.
Wer im Parlament, dem demokratischen Korrektiv von Regierungsarbeit, sitzt, sollte wirtschaftlich unabhängig sein. Allerdings handeln wir nicht im luftleeren Raum. Wir haben ein konkretes gesellschaftliches Umfeld. Dort erleben die Menschen seit Jahren eine Spaltung der Gesellschaft: Zum einen gibt es eine große Masse von Beschäftigten, die sich immer wieder die Frage stellen, ob sie ihren Wohlstand auch morgen noch sichern können, mag er auch noch so bescheiden sein. Zum anderen gibt es eine relativ kleine Gruppe von sehr Reichen, deren Einkommen und Vermögen in den letzten Jahren, insbesondere sogar nach der Krise, explodiert sind.
Herr Grosse-Brömer, mein Amtskollege von der CDU, hat gerade gesagt: Wir Abgeordnete wollen nicht schlechter und nicht besser gestellt werden als alle anderen Beschäftigten auch außerhalb des Parlaments. – Dem kann ich erst einmal uneingeschränkt zustimmen. Aber wenn man es sich in der Praxis genau anschaut – deshalb habe ich vom gesellschaftlichen Umfeld gesprochen -, dann sieht man – auch wenn die Koalition versucht, uns etwas anderes zu erzählen -, dass die Diäten seit 2000 von 6 623 Euro auf in diesem Jahr 8 252 Euro gestiegen sind. Das ist immerhin ein Wachstum von 25 Prozent. Die Bruttolöhne hingegen sind in dieser Zeit nur um 22 Prozent gestiegen. Nimmt man, insbesondere vor dem Hintergrund ansteigender Lohnnebenkosten, die Nettogehälter zum Maßstab, sieht die Bilanz – auch sie zeigt einen Vorteil der Bundestagsabgeordneten – noch schlechter aus.
Wir sind natürlich auch Profiteure der ungerechten Steuerreform. Viele Abgeordnete profitieren beispielsweise von der Abgeltungssteuer auf Kapitaleinkünfte.
(Max Straubinger (CDU/CSU): Da müssen Sie aber welche haben!)
Abgeordnete profitieren beispielsweise durchaus auch von der Absenkung des Spitzensteuersatzes. Das halten wir für höchst problematisch. Auch das muss man hier thematisieren.
(Beifall bei der LINKEN)
Ganz dramatisch ist der Vergleich mit den unteren Gehaltsklassen. Dazu gehört immerhin die überwiegende Zahl der Beschäftigten. Bei diesen hat es seit 2000 Reallohneinbußen gegeben. Angesichts der Zeitgleichheit dieser Vorgänge – Reallohneinbußen und Diätenerhöhung – ist das Vorhaben, die Diäten in sieben Monaten um 830 Euro steigern zu wollen, höchst problematisch und diskussionswürdig. Ich finde, die Koalition hätte ruhig erst einmal damit anfangen können, ihre Hausaufgaben aus dem Koalitionsvertrag zu machen, bevor sie die Diäten erhöht.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Regelung unserer Altersversorgung – Sie haben das Thema in Ihrem Beitrag erwähnt – steht im Widerspruch zu der der Beschäftigten oder anderer Bürgerinnen und Bürger. Sie sagen zwar, dass wir das Niveau der Altersversorgung jetzt von 67,5 auf 65 Prozent senken – man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass dem eine Diätenerhöhung vorausgeht -, allerdings muten wir den Beschäftigten im Land langfristig zu, dass das Rentenniveau bis zum Jahr 2030 auf 43 Prozent abgesenkt wird. Nun frage ich nicht, ob die Altersversorgung der Abgeordneten nicht auch auf 43 Prozent gesenkt werden sollte, aber ich frage Sie: Wenn für uns 65 Prozent gelten sollen, wieso wird dann nicht auch das Rentenniveau wieder angehoben?
(Beifall bei der LINKEN)
Ich habe in meinen Abgeordnetensprechstunden genauso wie Sie durchaus Menschen – dazu zählen insbesondere altgeschiedene Frauen, die im Einigungsvertrag vollkommen vergessen wurden -, die im Monat eine Rente haben, die nicht einmal so hoch ist wie die jetzt geplante Steigerung der Diäten. Insofern denke ich, dass da ein bisschen Demut, ein bisschen Bescheidenheit angebracht wäre.
(Beifall bei der LINKEN)
Die geplante Anhebung der Diäten steht in keinem vernünftigen Verhältnis zur Lebensrealität der Menschen, die uns alle hier gewählt haben. Bei dieser Erhöhung werden die falschen Prioritäten gesetzt. Aus diesem Grund werden wir höchst kritisch in die Diskussion gehen und diesem Teil des vorliegenden Gesetzentwurfs nicht zustimmen.
(Beifall bei der LINKEN)