Die Beschäftigten des Callcenters S-Direkt führten 2012 einen der längsten Arbeitskämpfe in der bundesdeutschen Geschichte. Zur Mitgliederversammlung der ver.di-Gruppe bei S-Direkt am 26. August 2014 hat Petra Sitte noch einmal persönlich und herzlich gratuliert:
Am 27. August 2012 – also morgen vor zwei Jahren – seid ihr in den 50. Streiktag gegangen. So habe ich es nochmal im Streiktagebuch nachgelesen. Das war damals noch nicht einmal Halbzeit eures Arbeitskampfes, denn am Ende mussten es insgesamt 117 Tage werden, bevor auf eure Forderungen eingegangen wurde.
Am 2. November 2012 stand ich, ich weiß gar nicht mehr wo genau, auf einem furchtbar kalten Bahnsteig und habe von der Verkündung des Streikergebnisses über Twitter erfahren. Und es stand leider gerade niemand neben mir, mit dem ich meine unbändige Freude teilen konnte. Ich hab dann einfach bei meinen KollegInnen in Berlin angerufen, um nicht allein jubeln zu müssen. Gemeinsam mit Sabine Zimmermann und ihren MitstreiterInnen, gemeinsam mit den Landtags- und Stadtratsfraktionen der LINKEN in ganz verschieden Bundesländern haben wir versucht, euch zu unterstützen und vor allem gemeinsam mit ver.di konnten die damals Streikenden ihren Kampf erfolgreich beenden.
Bis heute ärgert es mich, dass es ausgerechnet die Angestellten eines Unternehmens waren, das größtenteils für öffentliche Finanz- und Kreditinstitute bundesweit arbeitete, welche so lange um leistungs- und qualifikationsgerechte Löhne und andere soziale Standards in einem neuen Haustarifvertrag kämpfen mussten. Mancher Verwaltungs- und Aufsichtsrat hat in dieser Zeit flach in der Furche gelegen, um sich bloß nicht mit euren bzw. unseren Forderungen auseinandersetzen zu müssen. Auch musste ich als Stadträtin erkennen, wie ausgeliefert man in solchen Gremien sein kann, wenn gemauert und blockiert wird.
Rückblickend will ich ganz persönlich noch einmal sagen, dass ihr mich tief beeindruckt habt. Bis heute hole ich mir mit der Erinnerung an euer Durchhaltevermögen den inneren Tritt in den Hintern, wenn sich ein Projekt mal wieder extrem zäh entwickelt. Denn ich habe live miterlebt, wie lang auch der Atem von Gewerkschaften sein muss, um solche Streiklängen inhaltlich, personell und finanziell zu stemmen.
Nun könnte man ja sagen: Dafür sind sie schließlich da und dafür bezahlen wir ja unsere Beiträge. Wer aber genau hinschaut, wird schnell erkennen, dass fast jeden Tag irgendwo im Land irgendein Streik läuft – viel Arbeit also für die Gewerkschaften. Und schließlich, auch das haben wir bei S-Direkt hautnah erlebt, müssen Streikergebnisse nicht nur erkämpft, sondern eben auch umgesetzt werden. Insofern kann ich den Mitgliedern des damaligen wie des heutigen Betriebsrates nur danken. Schließlich war die Ausgangslage im Unternehmen, in der Belegschaft und zur Unternehmensleitung nach dem 2. November ausgesprochen schwierig.
Dass die ver.di- Betriebsgruppe wieder aktiv ist, halte ich daher für dringend nötig. Ich denke zu den Ergebnissen der Arbeit mit dem bisherigen Haustarifvertrag wird von Seiten des Betriebsrates noch Einiges zu hören sein. Es ist auch nicht meine Aufgabe, dies hier im Detail zu erörtern. Aber nach allem, was ich weiß, gibt es durchaus Ermutigendes zu berichten.
Ermutigend deshalb, weil in Sachen Tarifvertrag ja heute die nächsten Ausbauschritte gegangen werden sollen.
„Erfolge muss man sich organisieren“, ist eine meiner politischen Maximen. Wir als LINKE haben die Forderung nach einem flächendenken gesetzlichen Mindestlohn zum ersten Mal 2002 gestellt. Es hat dann bis Frühjahr 2014 gedauert, bis diese Forderung endlich politisches Allgemeingut geworden ist und im Bundestag beschlossen wurde – mit inakzeptablen Ausnahmen, aber immerhin. Das Streikergebnis von November 2012 lag über den Beschlüssen des Bundestages und wir wissen, dass 8,50 € heute nicht existenzsichernd und schon gar kein wirksamer Schutz vor Altersarmut sind. Wir fordern daher 10,00 €/h und liegen damit noch unter dem OECD-Schnitt, der armutsfeste Löhne bietet.
Es liegt also noch viel Arbeit vor uns. Wir werden versuchen, unseren Teil zu leisten; wie ihr uns PolitikerInnen von „unten“ treiben solltet – Betriebsrat und ver.di gemeinsam.
Danke.