Das Hospiz Halle feiert dieses Jahr 30-jähriges Bestehen. Anlässlich dieses Jubiläums war Petra Sitte am vergangenen Samstag (27.06.) als Schirmherrin des Hospiz-Hausbetreuungsvereins Halle eingeladen. Wir dokumentieren hier ihr Grußwort:
(Es gilt das gesprochene Wort!)
Wir treffen uns heute hier, weil wir auf unterschiedliche Weise dazu beitragen wollen, dass leben im Sterben in Frieden und Würde an jedem Ort in Deutschland und auch in Halle für Menschen möglich ist.
Wir brauchen eine gesamtgesellschaftlich verantwortete, eine allerorten entwickelte Hospizkultur wie auch hochwertige palliativmedizinische und palliativpflegerische Angebote.
Die Würde des Menschen zu wahren, ist ein ganz starkes Handlungsmotiv für sie wie tausende ehrenamtlich Engagierte in Hospizvereinen.
30 Jahre Hospizbewegung Halle, 30 Jahre begleiten Menschen ehrenamtlich andere Menschen in der letzten Phase ihres Lebens.
Ich kann Ihnen nur meinen größten Respekt für diese wichtige Arbeit aussprechen. Sich auf Sterbende einzulassen, sie zu begleiten, ihnen Herzenswärme zu geben und bereit zu sein, einfach nur zuzuhören oder stärkende Worte zu sprechen, ist aus meiner Sicht doch etwas ganz Besonderes.
Man kann nicht einfach mal so, kurz vorbeikommen. Es bedarf der inneren Öffnung und eines Zeitgeschenks. Und es bedarf des Wiederkommens, auf das sich der oder die Sterbende ebenso wie die Angehörigen verlassen können sollten.
Mir ist von Sterbebegleitern bzw. Sterbebegleiterinnen gesagt worden, ich solle mir das nicht allein als Geben vorstellen. Es käme viel zurück. Man lerne auch viel über sich selbst und für das eigene Leben. Einerseits bewundere ich das, andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass man das Erlebte nicht auch mit nach Hause nimmt und man Mühe hat, alles zu verkraften. Davor hätte ich ein wenig Angst.
Gelingt die Balance, einer mitfühlenden persönlichen Beziehung zu dem oder der Begleiteten und einer gewissen Distanz zur Schwere der Krankheit? Schließlich sollte sich ja keine Routine einstellen. Sie sind großenteils schon lange in Hospizvereinen engagiert. Es scheint Ihnen offenkundig eben jene Balance zu gelingen.
Kann sein, dass ichs komplizierter annehme, als es letztlich im Alltag ist. Sie bereiten sich ja auch über Monate auf die Arbeit vor. Ich wird dazu heut Einiges erfahren können. Auf jeden Fall nochmals vielen Dank dafür.
In der Debatte zum neuen Hospiz- und Palliativgesetz in der vorigen Sitzungswoche des Bundestages habe ich gelernt, dass dieses Ehrenamt ausdrücklich gewollt, ja auf dieses Ehrenamt auch gesetzt wird.
So sollen die Vereine darauf bestanden haben, dass die Finanzierung von Hospizen oder Hospizbetreuung, sei es ambulant oder stationär, in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, nicht zu einhundert Prozent erfolgt. Daher sollen nur rund 95 Prozent der Aufwendungen ausfinanziert werden.
Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich so gut ist. Zu verschieden sind doch die Bedingungen in den verschiedenen Regionen des Landes. In Halle jedenfalls ist es nicht einfach Spenden einzuwerben und Sponsoren zu gewinnen.
Bezogen auf das Palliativ- und Hospizgesetz wurde festgestellt, dass sich in den letzten Jahren spürbare Fortschritte eingestellt hätten. Lege ich allein die mediale Präsenz dieser Themen zugrunde, scheint mir das im Hinblick auf ein verändertes Bewusstsein zu stimmen. Ob es sich im Alltag durchgängig bestätigen lässt, das können sie als PraktikerInnen vermutlich besser einschätzen.
Jetzt will man mit dem Gesetz gezielt Anreize setzen, um den Aus- und Aufbau der Hospiz- und Palliativversorgung voranzutreiben. Sterbende Menschen brauchen zeitnahe und wohnortnahe hochwertige Palliativangebote. Noch gehören diese nicht selbstverständlich zur Regelversorgung.
So ist eine bessere finanzielle Ausstattung der stationären Hospize für Kinder und Erwachsene vorgesehen.
Der Mindestzuschuss der Krankenkassen soll für diese Einrichtungen erhöht werden. Die Tagessätze für Hospize werden pro Patient um 25 Prozent von derzeit rund 198 auf rund 255 Euro angehoben. Zudem sollen die Krankenkassen künftig 95 statt 90 Prozent der zuschussfähigen Kosten tragen. Die restlichen 5 Prozent sollen, wie ich schon angesprochen habe, von den Hospizen selbst erwirtschaftet werden. Bei den ambulanten Hospizdiensten sollen künftig neben den Personalkosten auch die Sachkosten bezuschusst werden – also auch die Fahrtkosten für ehrenamtlich Helfende.
Die so genannte Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung soll flächendeckend verbreitet werden. Ferner soll der Aufwand der Hospizarbeit in Pflegeheimen stärker berücksichtigt werden. Krankenhäuser bekommen die Möglichkeit, Hospizdienste mit Sterbebegleitung in ihren Einrichtungen zu beauftragen. Nur in 15 Prozent der Krankenhäuser sind Palliativstationen vorhanden. Nur 8.000 Ärzte haben bundesweit nach der Facharztausbildung eine Zusatzweiterbildung absolviert. In der stationären Regelversorgung fehlen also Palliativfachkräfte. Arbeitsverdichtung und hohe Betreuungszahlen verschärfen die Situation.
Die Krankenhäuser kämpfen mit Vergütungsregelungen. Die pauschale Vergütung im Fallpauschalen-System bildet den besonderen Bedarf, die erhöhte Verweildauer und die Verschiedenheit der PalliativpatientInnen nicht ausreichend ab.
Die Sterbebegleitung soll auch Bestandteil des Versorgungsauftrages der gesetzlichen Pflegeversicherung werden.
Pflegeheime sollen gezielt Kooperationsverträge mit Haus- und Fachärzten abschließen.
Außerdem sollen Pflegeheime und Einrichtungen für Behinderte ihren BewohnerInnen eine Planung zur individuellen medizinischen, pflegerischen, psychosozialen und seelsorgerischen Betreuung in der letzten Lebensphase organisieren können, bezahlt von der Krankenkasse.
Palliativversorgung wird zudem ausdrücklicher Bestandteil der Regelversorgung in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Die Krankenkassen sollen dazu verpflichtet werden, die PatientInnen bei der Auswahl von Angeboten der Palliativ- und Hospizversorgung individuell zu beraten. Bestehende Angebote sind den BürgerInnen oft nicht bekannt. Das gilt auch für mögliche Behandlungsmethoden und Kostenregelungen. Es bedarf bürgernaher und barrierefreier Informationsgebote. Gebraucht werden aufsuchende Beratung über Pflegestützpunkte, PatientInnenberatung oder Servicestellen. Insgesamt gibt es derzeit 270 Teams, die Sterbende zu Hause begleiten.
Nicht zuletzt sollen ÄrztInnen und Krankenkassen zusätzliche Vergütungen vereinbaren, um die Palliativversorgung und auch die Ausbildung der MedizinerInnen auf diesem Gebiet zu verbessern. Immerhin haben 15 bis 20 Prozent hochkomplexe Bedürfnisse, die ein Hausarzt oder eine Hausärztin nicht befriedigen kann. Sie oder er sollte aber erkennen, wo kooperativ zusammengearbeitet werden muss. An diesen Schnittstellen werden Angebote benötigt.
Mit dieser Beschreibung haben sie, glaube ich, einen ganz guten Überblick zum Inhalt des Hospiz- und Palliativgesetzes.
Wir hatten, wie gesagt, in der vorigen Sitzungswoche die erste Lesung. Nun folgen im Gesundheitsausschuss die Anhörung und die Beratung. In der zweiten Jahreshälfte sollen zweite und dritte Lesung folgen.
Ich bin keine Gesundheitspolitikerin. Sie können vermutlich viel besser einschätzen, ob das Gesetz den Notwendigkeiten entspricht. Mir scheint zumindest die Richtung zu stimmen. Abgesehen davon finden sich auf den Seiten des Hospizverbandes auch weitere Hinweise bzw. Bewertungen zum Gesetz. Nichtsdestotrotz werden beispielsweise die künftigen Verhandlungen bspw. mit den Kassen, wie immer, nicht einfach verlaufen. Die Güte des Gesetzes wird sich erst in der Umsetzung beweisen.
Ich betrachte Palliativversorgung als Teil öffentlicher Daseinsvorsorge.
Es sollte daher einen Rechtsanspruch auf allgemeine Palliativversorgung geben. Dieser sollte so ausgestaltet werden, dass jeder und jede BürgerIn diesen unabhängig von der Art der Erkrankung, von der Art der Behinderung, vom individuellen Lebensort, von der Wohnform sowie von der Versicherungsform in Anspruch nehmen kann.
Gemeinsam mit AkteurInnen der Selbstverwaltung, Leistungserbringern, Sozialverbänden und Gewerkschaften sowie Betroffeneninitiativen, mit kommunalen Verantwortlichen und WissenschaftlerInnen sollte eine nationale Palliativstrategie entwickelt werden. Dazu gehören definierte und überprüfbare Qualitäts- und Versorgungsstandards samt besserer Versorgungsforschung mit entsprechender Datengrundlage. In die Ausbildung von Gesundheits- und Pflegeberufen gehören palliativmedizinische, palliativpflegerische und hospizorientierte Fragen.
Es gäbe noch eine Menge anzufügen. Dazu fehlt allerdings die Zeit. Ich bin überzeugt, dass bessere und verlässliche Rahmenbedingungen es ihnen, den Betroffenen, den Familien und den Beschäftigten viel leichter machen würden.
Unlängst hatte die Leopoldina in Berlin während einer Sitzungswoche zu einem Informationsfrühstück eingeladen, um uns jüngste Erkenntnisse aus der allgemeinen und speziellen palliativmedizinischen Versorgung – ambulant und stationär – vorzutragen.
Der einleitende Satz ist mir im Hirn hängen geblieben, weil ich ihn teile: „Wir müssen das Sterben in die Gesellschaft zurückholen.“
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.