In Berlin und (H)alle dabei [17]

Die Sommerferien sind vorbei und zahlreiche junge Menschen werden ab dem 11. August wieder in die Schule gehen. Auch neue ABC-Schützen sind darunter. Die SchülerInnen eignen sich in der Schule aber nicht nur Wissen aus dem Unterricht an. Sie sollen auch soziale Kompetenzen erlernen, wofür es die wertvolle Arbeit der SchulsozialarbeiterInnen braucht.

Die Schulsozialarbeit kommt ursprünglich aus den USA. Dort entschlossen sich in den 1930er Jahren ein paar engagierte Frauen dazu, sich ehrenamtlich in den Schulen einzubringen. Sie halfen den SchülerInnen bei ihren Hausaufgaben, versorgten sie mit Essen und spielten mit ihnen nach dem Unterricht. In Deutschland sorgte erst die Gesamtschulbewegung dafür, dass Ende der 1960er Jahre eine professionelle Schulsozialarbeit eingeführt wurde. Sozialarbeit bzw. Sozialpädagogik sind heute anerkannte Studienfächer.

SchulsozialarbeiterInnen leisten eine enorm anspruchsvolle Arbeit. Sie sind Ansprechpersonen für SchülerInnen in Krisen- und Problemsituationen und Vernetzungs- und Kontaktstellen zur Jugendhilfe, zu Behörden und Beratungsstellen und anderen Kinder-und Jugendeinrichtungen. Außerdem organisieren und betreuen sie Schulprojekte und bereichern durch sozialpädagogische Methoden den Unterricht. Auch in Eltern-Lehrer-Gesprächen wirken sie mit, vermitteln Hilfsangebote und helfen bei Anträgen, um Unterstützungsangebote zu erhalten. Sie arbeiten dabei sowohl mit der einzelnen Person als auch mit kleineren Gruppen oder ganzen Klassenverbänden und leisten einen wichtigen Beitrag zu präventiver Aufklärung über Drogen, Sexualität und Rassismus.

DIE LINKE setzt sich auf allen Ebenen für den Ausbau von Schulsozialarbeit ein. So fordert etwa die Bundestagsfraktion DIE LINKE seit Dezember 2012, Schulsozialarbeit mit einem eigenen Paragrafen im SGB VIII zu verankern und damit als Regelangebot festzuschreiben. Daneben muss sie auch in die Schulgesetze aller Länder zusammen mit der Qualifizierung der Schulprogrammarbeit bzw. des Schulkonzeptes und der Einbindung in die Entscheidungsgremien aufgenommen werden. In unseren Forderungen stützen wir uns auf teilweise seit Jahren vorhandene und neuere Standpunktpapiere von Gewerkschaften und dem Kooperationsverbund Schulsozialarbeit, in dem die Erfahrungen zahlreicher Träger zusammengeflossen sind. Schulsozialarbeit sehen wir als eigenständige Aufgabe im Rahmen des gesamten Bildungsprozesses, unabhängig von besonderen Problemlagen an Schulen. Sie soll den Bildungsprozess an Schulen anregen, begleiten und unterstützen (vgl. Hocke, Schulsozialarbeit – Analysen, Berichte, Stellungnahmen, Bildungsbegriff(e) in der Jugendhilfe – eine Spurensuche, Vorwort, GEW 2012). Dazu sind eine enge Kooperation mit allen anderen an Schulen tätigen Fachkräften und eine feste Verankerung im Schulprogramm der Schule erforderlich.

Schulsozialarbeit ist präventiv angelegt, sie ist geprägt von den Prinzipien der Freiwilligkeit, Ganzheitlichkeit und Vertraulichkeit. Natürlich kann Schulsozialarbeit bei besonderen sozialen Spannungen die Lehr- und Lernbedingungen verbessern, Benachteiligungen abbauen, aber wir wollen sie nicht darauf beschränken. Unser Ziel ist es, Schulsozialarbeit künftig weder auf eine Defizitorientierung zu beschränken noch allein als Teil der allgemeinen Jugendarbeit zu verstehen. Wir wollen sicherstellen, dass die Aufgabe der Schulsozialarbeit nicht zu Lasten der anderen beiden, heute schon vorhandenen, Möglichkeiten schulischer Jugendarbeit oder Jugendsozialarbeit eingerichtet wird und auch die freie Jugendarbeit nicht mit Verweis auf Schulsozialarbeit ersetzt werden kann.

In Sachsen-Anhalt gibt es seit 2008 ein Programm namens Schulerfolg sichern!. Die Jugendhilfe, die Kommunen und regionale PartnerInnen machen es sich hier zum Ziel, allen Kindern und Jugendlichen eine hochwertige Grund- und Sekundarbildung zu ermöglichen und kein Kind dabei zurückzulassen. Durch die Mittel des Europäischen Sozialfonds und des sachsen-anhaltischen Bildungsministeriums sollen 380 Schulsozialarbeitsprojekte gefördert werden. Regionale Netzwerkstellen dienen dabei als AnsprechpartnerInnen und stellen Bildungsangebote zur Verfügung, wo sie benötigt werden.

Um aber dieses Programm umsetzen zu können, müssen die SchulsozialarbeiterInnen seit Kurzem nun auch noch einen enormen bürokratischen Aufwand betreiben. Damit festgestellt werden kann, welche Kinder von den Projekten profitieren sollen, müssen die Eltern einen vierseitigen Fragebogen beantworten. Darin werden persönlichste Daten zum finanziellen Hintergrund, zu sozialen und familiären Gegebenheiten, zum Bildungsniveau, zum eventuellem Migrationshintergrund und auch zu bestehenden Behinderungen abgefragt. Die SozialarbeiterInnen müssen diese Erhebungen dann auswerten und auf Grundlage der Ergebnisse entscheiden ob und welche Unterstützung dem Kind gegeben werden kann. Wenn sich die Eltern nicht einverstanden zeigen peinlichst genau ausgefragt zu werden, besteht die Gefahr, dass diesen Kindern die Teilnahme an Projekten und Angeboten verwehrt wird. Das widerspricht aber dem oben beschriebenen Ziel, allen SchülerInnen eine hochwertige Teilhabe an Bildung zu ermöglichen. Auch der Datenschutz scheint hier sehr fragwürdig zu sein.

So eine Datenabfrage ist schlicht und ergreifend diskriminierend und benachteiligend – das ist ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsansatz. SchulsozialarbeiterInnen sollen Kindern und Jugendlichen Angebote und Unterstützung unabhängig von Herkunft oder Bildungsniveau anbieten. Die Zeit, die es braucht, um alle Daten auszuwerten, geht der Zeit verloren, die die SozialarbeiterInnen für die SchülerInnen benötigen. Gute Arbeitsbedingungen und Raum für kreative und engagierte Schulsozialarbeit sehen anders aus. Die Kinder werden durch so ein Bürokratiemonster nicht unterstützt, sondern deren Wertschätzung gefährdet. Und die SozialarbeiterInnen werden an ihrer eigentlichen Arbeit massiv gehindert. Das kann so nicht sein.

Es muss eine vernünftige Form der Datenerhebung gefunden werden, die die Eltern nicht in Verlegenheit bringt und die Kinder nicht von vornherein diskriminiert. Denn durch die bisherige Vorgehensweise werden sie in Schubladen gesteckt. Jedes Kind soll von der Schulsozialarbeit profitieren können.

Die Fraktion DIE LINKE. im Landtag Sachsen-Anhalt hat starke Bedenken an der bisherigen Vorgehensweise zur Umsetzung des Programms Schulerfolg sichern!. Sie wird als ersten Schritt den Landesbeauftragten für Datenschutz um eine Stellungnahme bitten. Es muss alles unternommen werden, um den bürokratischen Aufwand weiter zu minimieren. Da darf das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.

Fest steht, dass Schulsozialarbeit spätestens nach Ablaufen der Förderperiode neu gedacht und auf neue Grundlagen der Förderung gestellt werden muss. DIE LINKE will inklusive Bildungsteilhabe für alle – unabhängig von den individuellen Hintergründen, die jeder Mensch mitbringt. Bildung heißt eben nicht nur aus Büchern, sondern auch miteinander im sozialen Umgang zu lernen. Dafür sind SchulsozialarbeiterInnen eine unerlässliche Stütze. Sie gehören gewissermaßen zur Grundausstattung jeder Schule. Dafür braucht es rechtliche Sicherungen im Schulgesetz und im Kinder- und Jugendhilferecht. Damit sie ihre anspruchsvolle Arbeit auch gut erledigen können, brauchen sie angemessene Unterstützung.

Im kommenden Herbst wird die Landtagsfraktion gemeinsam mit den AkteurInnen darüber beraten, wie und unter welchen Bedingungen die Schulsozialarbeit ab 2020 auf verlässliche Füße gestellt werden kann, wer sie finanziert, welche Standards dafür nötig sind und welche Arbeitsbedingungen der KollegInnen dafür unerlässlich sind.

 

Weitere Vorstellungen und Forderungen der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Antrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung DIE LINKE „Schulsozialarbeit an jeder Schule sichern“ (beschlossen vom Bundesparteivorstand 4.6.2016):
https://www.die-linke.de/partei/organe/parteivorstand/parteivorstand-2016-2018/beschluesse/detail/artikel/schulsozialarbeit-an-jeder-schule-sichern/
Antrag der Bundestagsfraktion DIE LINKE „Schulsozialarbeit an allen Schulen sicherstellen“ (18. Legislatur, 2014):
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/020/1802013.pdf
Antrag der Bundestagsfraktion DIE LINKE „Für ein neues Verständnis der Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe – Schulsozialarbeit an allen Schulen“ (17. Legislatur, 2012): http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/118/1711870.pdf