2017 reden alle über diesen einen Mann: Luther. Martin Luther. Der Mann mit dem Hammer und den 95 Thesen. Der Mann mit dem Tintenfass und der Mönchskutte. Der Mann mit den Bauernaufständen und der Bibelübersetzung. Der Mann mit der Reformation und der Lutherdekade. Der Mann … Ja, Luther, überall nur Luther.
Sachsen-Anhalt feiert den großen Reformator und ganz Deutschland bekommt am 31. Oktober, dem Reformationstag, einen Tag frei. Warum? Weil er mit 95 Thesen die Kirche reformiert hat. Luther war, … Luther ist, … Luthers Name ist in aller Munde. Ja, war er denn der einzige Mensch, der die Kirche reformiert hat? Nein. Aber über die anderen wird dieses Jahr kaum gesprochen: Thomas Müntzer zum Beispiel oder Philipp Melanchthon oder Katharina von Bora oder Johannes Calvin. Moment. Katharina von Bora? Eine Frau? Ja. Denn es gibt auch Reformatorinnen, über die viel zu wenig gesprochen wird.
Katharina von Bora war Luthers Frau und eine ehemalige Nonne. Das Leben als Nonne gefiel ihr nicht und so verließ sie kurzerhand im Jahr 1523 mit ein paar anderen Leidensgenossinnen das Kloster von Nimbschen. Da sie das aber nicht einfach so gedurft hätten, ging diese spektakuläre Flucht als Nonnenraub zu Nimbschen in die Geschichte ein. Luther wusste von der Sache und half den flüchtigen Ordensschwestern gute Ehemänner zu finden. Nur Katharina hatte da zunächst kein Glück. Luther ging daraufhin die Sache recht pragmatisch an und heiratete seine Käthe vom Fleck weg. Durch diese Verbindung demonstrierte er seine befürwortende Einstellung zur Priesterehe. Später wurde aus dem Zweckbündnis dann aber wohl auch ein Bündnis aus Zuneigung. Katharina wurde die starke Frau hinter Luther. Sie kümmerte sich nicht nur um Haushalt und Kinder, sondern war auch Luthers Beraterin und nahm als solche auch selbstbewusst an seinen theologischen Diskussionen teil. Das ist für die damalige Zeit ein bemerkenswerter Einfluss einer Frau. Katharina ging aber auch sonst nicht gerade zimperlich mit ihrem Gatten um. Da Luther mit Geld nicht gut umgehen konnte, schränkte sie ihn regelmäßig ein, was ihr den Kosenamen meine Herrin, oder, wenn sie besonders streng war, auch mein Herr, einbrachte.
Auch den anderen großen Reformatoren standen starke Frauen zur Seite. Katharina Melanchthon unterstützte ihren Mann Philipp so gut sie konnte und teilte mit ihm ein großes wohltätiges Herz, was beide sehr oft in finanzielle Schwierigkeiten brachte. Ottilie Müntzer entfloh angeblich ebenfalls einem Kloster und stellte sich somit gegen den katholischen Glauben. Sie heiratete den Luther-Kritiker Thomas Müntzer und endete nach dessen Hinrichtung mittellos. Aber auch außerhalb Deutschlands gab es in der Geschichte immer wieder starke Frauen hinter namhaften Männern und auch Frauen, die sich selbst einen großen Namen machten, indem sie die Kirche reformierten.
Heinrich VIII. König von England ist berüchtigt für seinen liebenswerten Umgang mit seinen Ehefrauen. „Geschieden, geköpft, gestorben, geschieden, geköpft, überlebt“ lautet ein Abzählreim aus England und fasst kurz und knapp zusammen, was mit den sechs Frauen Heinrichs geschah. Anne Boleyn hat es Heinrich so sehr angetan, dass er die Scheidung von seiner katholischen Frau und Königin, Katharina von Aaragon, wollte. Der Papst in Rom spielte aber nicht mit. Heinrich war nicht amüsiert und sagte sich vom Papst los, um seine eigene Kirche mit ihm selbst als Oberhaupt zu gründen. Anne trug durch ihren protestantischen Glauben und ihren Einfluss dazu bei, dass Heinrich seine Kirche reformierte und protestantische Prediger unterstützte. So wurde Anne Heinrichs zweite Ehefrau und die erste, die ihren gekrönten Kopf verlor. Nach ihr erfuhr die englische Kirche weitere starke Veränderungen.
Annes Nachfolgerinnen waren katholischen Glaubens und so änderte auch Heinrich wieder die kirchlichen Regeln, bis dann seine letzte Ehefrau auf die Bühne trat. Catherine Parrwar wieder eine Protestantin, schrieb Andachtsbücher und hatte den Mut, mit ihrem König theologische Gespräche zu führen. Das sorgte für Missgunst. Catherine konnte sich nur knapp vor dem Fallbeil retten und widmete sich dann später der Pflege des kranken Königs, den sie schließlich überlebte. Heinrichs zweitgeborene Tochter sollte allerdings nachhaltig die Geschichte und die Kirche Englands prägen.
Königin Elisabeth I. von England wuchs zeitweilig bei Catherine Parr auf und war protestantischen Glaubens. Ihre Lebensgeschichte darzustellen würde mehr als einen Absatz benötigen und alle anderen Frauen der Reformation überschatten. Denn auch außerhalb großer Namen und Königshäuser lassen sich noch zahlreiche Frauen finden, die reformierend wirkten und hier unmöglich alle genannt werden können. Leider.
Und so schließe ich jetzt den Bogen mit dem Blick auf eine Frau, die als erste Reformatorin in Halle gilt. Nach der Ermordung ihres Mannes wandte sich Felicitas von Selmenitz dem evangelischen Glauben zu und kam so in Kontakt mit Thomas Müntzer und Martin Luther. Beide waren von dem schicksalsgebeutelten Leben Felicitas‘ so beeindruckt, dass sie ihr geistige Unterstützung boten. Die Schriften Müntzers und Luthers studierte Felicitas intensiv und ihre Anmerkungen, Notizen und Seitenverzierungen bilden einen kleinen Schatz, der noch heute in der Marienbibliothek in Halle eingesehen werden kann.
Mit den großen Errungenschaften der Geschichte werden meistens Männer in Verbindung gebracht. Doch vergisst man sehr schnell, dass Frauen einen wesentlichen Teil dazu beigetragen haben, dass diese Männer wirken konnten. Und auch die Frauen selbst haben aus den gesellschaftlichen Umständen, in denen sie lebten das Beste gemacht und große Leistungen vollbracht, die genauso gewürdigt und erzählt werden müssen.
Zum Weiterlesen
http://frauen-und-reformation.de/
http://www.evlks.de/leben_und_glauben/kirche_und_welt/20502.html
http://www.frauenundreformation2017.at/sites/default/files/amina_reiss.pdf
http://www.theologinnenkonvent.de/ref_beitraege.php
http://www.zeitzeichen.net/religion-kirche/frauen-der-reformation/
Danke an den Radio Corax e.V. für die Bereitstellung des Tonstudios.
https://soundcloud.com/user-795611188/kolumne-februar-2017-in-berlin-und-halle-dabei-die-vergessenen-reformatoren