TOP 4) Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Arbeit 4.0 – Arbeitswelt von morgen gestalten; Drs. 18/10254
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Wir können ja zu einem Beispiel kommen. Ich habe das Beispiel der deutschen Automobilindustrie herausgesucht, um zu zeigen, wie gravierend die innovativen Brüche unter Arbeit 4.0 in den nächsten zehn Jahren sein werden. Aus der Sicht der Beschäftigten ist klar, dass in diesem Prozess nicht nur Automobilkonzerne und Gewerkschaften, sondern eben auch die Politik eine maßgebliche soziale Verantwortung hat. Die Automobilindustrie stellt in Deutschland die Schlüsselindustrie dar. Laut IG Metall sind in diesem Zweig 2,3 Millionen Menschen direkt und indirekt sogar 9,8 Millionen Menschen beschäftigt. Der Anteil ihres Umsatzes an der deutschen Industrieproduktion betrug 2013 21 Prozent.
Im Kern geht es um drei innovative Brüche:
Der erste innovative Bruch ist die Einführung der Elektromobilität. Das heißt, es entfallen Komponenten des klassischen Antriebssystems, andere müssen angepasst oder neue entwickelt werden. Es sind also erhebliche Investitionen zu tätigen, und insbesondere die Zulieferer werden die Risiken und Kosten dieser Umstellung zu tragen haben. Die Beschäftigten wiederum stehen vor einem erheblichen Weiterbildungs- und Qualifikationserfordernis. Ein Drittel von ihnen droht nach jetzigen Einschätzungen sogar den Arbeitsplatz zu verlieren. Dagegen muss in sozialer Verantwortung gearbeitet werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Der zweite innovative Bruch ist die Einführung von Fahrerassistenzsystemen oder selbstfahrenden Modellen, für die eine massenhafte Verarbeitung von Daten notwendig ist. Dafür werden leistungsfähige digitale Plattformen als Intermediäre benötigt, und über diese verfügen die Automobilkonzerne heute nicht. Das Auto selbst wird zur Plattform. Es muss mit anderen Fahrzeugen kommunizieren und hat ganz neue Funktionen.
Die Konkurrenz der deutschen Automobilkonzerne, beispielsweise in Amerika, ist genau den anderen Weg gegangen. Sie haben ihre eigenen Plattformen für neue Mobilitätskonzepte und neue Mobile genutzt. Wir kennen bereits Googles Self Driving Car, wir wissen, dass Apple an einem iCar arbeitet, Tesla dringt massiv in den Markt, und in den Garagen von Silicon Valley wird an ganz neuen Fahrzeugkonzepten gearbeitet. Ab 2025 sollen eigentlich nur noch Elektromobile und Selbstfahrer verkauft werden.
Wenn BMW, Daimler, Audi und VW zukünftig also nicht nur Hardware an Google, Apple und andere Datenkonzerne liefern wollen, dann müssen sie diese Plattform gemeinsam entwickeln. Schließlich gibt es in Europa keine solche Plattform.
Drittens. Die Nutzungsmodelle ändern sich. Viele Leute wollen heute gar kein Auto mehr besitzen. Carsharing gehört in diesem Land zum Alltag. Die Ökonomie des Teilens lässt die Nachfrage nach Fahrzeugen, insbesondere in Städten, schon heute deutlich sinken. Auch dadurch drohen Arbeitsplatzverluste. Das heißt, im Prozess „Arbeit 4.0“ muss vorausschauend gehandelt werden.
Die Bundesregierung muss mit den Gewerkschaften, den Unternehmen und den Plattformbetreibern neue Modelle zur Beschäftigung und Beschäftigtenqualifikation entwickeln. Da stehen wir hier selbst in der Verantwortung, und dazu gehören dann eben beispielsweise auch branchenbezogene Mindest- bzw. Basishonorare für Selbstständige und Solo-Selbstständige.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn in diesem Umfang menschliche Arbeit in allen Branchen entfällt und mehr und mehr digitale Güter mit anderen ökonomischen Eigenschaften als materielle Güter in die Nutzung drängen, brauchen wir Ideen, wie Sozial-, Sicherungs- und auch Steuersysteme konditioniert und vor allem gestärkt werden. Darüber haben wir hier auch zu diskutieren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Abschließend: Ja, wir müssen auch darüber reden, dass es in diesem Prozess die Chance gibt, eine geschlechtergerechte Verteilung von Arbeit zu praktizieren. Das sollten wir auch tun. Herr Ernst hat es ja schon gesagt: Es geht um die Arbeitszeit und um neue Arbeitszeitmodelle, aber vor allem um die Sicherung der Beschäftigten.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Die digitale Arbeits- und Lebenswelt muss schließlich demokratisch gestaltet werden. Das ist eine gesellschaftliche Herausforderung. Vor allem müssen wir an dieser Stelle Politik für das Gemeinwohl machen. Unter dem wird es nicht zu machen sein.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)